Image-Booster 9-Euro-Ticket erhöht Reiseaufkommen
Das 9-Euro-Ticket sollte auch motivieren, das Auto stehenzulassen. Eine Studie zeigt nun: Wirklich geklappt hat das nicht.
Entlastung der Verbraucher, Beitrag zur Verkehrswende, Image-Booster für Busse und Bahnen: Die Erwartungen an das 9-Euro-Ticket im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) sind riesig.
Etwas mehr als zwei Monate nach dem Start des bundesweit gültigen Tickets wertet Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) das Projekt bereits als Erfolg. Dabei läuft die wissenschaftliche Auswertung noch. Und erste Erkenntnisse deuten darauf hin, dass die Sonderfahrkarte zwar durchaus Wirkung zeigt, aber kaum alle Hoffnungen und Ziele erfüllen kann.
"Tatsächlich ist die Datenlage nach wie vor sehr dünn", sagt Philipp Kosok, Verkehrsforscher beim Interessenverband Agora Verkehrswende. "Wir wissen belastbar bislang recht wenig." Etwas mehr als eine Handvoll Studien seien ihm bekannt, die wissenschaftlichen Standards genügten.
Verkehr bricht auf manchen Strecken zusammen
Die Untersuchungen bescheinigen der Fahrkarte vor allem Erfolge bei der eigenen Vermarktung. "Mit fast 98 Prozent kennt fast jeder Befragte das 9-Euro-Ticket, zwei Drittel kennen es sogar gut", teilte der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen im Juli mit.
Er befragt jede Woche rund 6.000 Verbraucherinnen und Verbraucher, mit vielen Sonderfragen speziell für Nutzer der Fahrkarte. Insgesamt hätten allein im Juni mehr als 30 Millionen Menschen das Ticket besessen – inklusive der Abonnentinnen und Abonnenten, die das 9-Euro-Ticket nicht extra kaufen mussten.
Die hohe Nachfrage spüren auch die Reisenden und die Beschäftigten in den Bussen und Bahnen. "Das Ticket führt zu einer höheren Nutzung des Öffentlichen Verkehrs, aber vor allem selektiv auf bestimmten Strecken – sogar so weit, dass dort der Verkehr zusammenbricht", sagt Christian Böttger, Bahn-Experte an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW).
Ticket setzt zusätzliche Reisenanreize
Eine Auswertung von Mobilfunkdaten durch das Statistische Bundesamt ergab Anfang Juli: "Im Juni 2022 lagen die bundesweiten Bewegungen im Schienenverkehr im Schnitt 42 Prozent höher als im Juni 2019."
Das Problem: Rund ein Viertel der im ÖPNV angetretenen Fahrten wäre ohne das Ticket gar nicht erst gemacht worden, ermittelte der VDV. Es handelt sich also um zusätzliche Reisen und nicht um Ersatzfahrten, die sonst mit dem Auto gemacht worden wären. "Aus den bisherigen Untersuchungen lässt sich nur ein leichter Verlagerungseffekt von der Straße auf den Öffentlichen Verkehr von bestenfalls zwei bis drei Prozent erkennen", sagt etwa HTW-Forscher Böttger.
Straßenverkehr entspannt sich
Das deckt sich mit ersten Ergebnissen einer Studie aus dem Großraum München, die unter anderem die Bewegungsdaten Hunderter Teilnehmer auswertet. Sie kam zum Schluss, dass 35 Prozent der Probanden häufiger mit Bus und Bahn fuhren – aber nur 3 Prozent ihr eigenes Fahrzeug seltener nutzten.
Allerdings stellten die Forscher eine gewisse dämpfende Wirkung auf den Straßenverkehr in München fest. Statt im Juni – wie üblich – leicht zu steigen, ging er um drei Prozent zurück. Auch eine Auswertung des Verkehrsdatenspezialisten TomTom <NL0000387058> für die Deutsche Presse-Agentur hatte in der ersten Phase des 9-Euro-Tickets auf einen Rückgang der Staus in großen deutschen Städten hingedeutet.
- Nachrichtenagentur dpa