Kommt der Abschied von Luca? So kann die Corona-Warn-App die vierte Welle dämpfen
Der Corona-Winter nimmt wieder Fahrt auf. Diesmal könnte der oft geschmähten Corona-Warn-App eine wichtige Funktion bei der Dämpfung der vierten Welle zukommen. Gleichzeitig wird ein Verzicht auf die umstrittene Luca-App möglich.
Smartphone-Apps zur Bekämpfung der Corona-Pandemie haben im vergangenen Sommer in Deutschland kaum eine Rolle gespielt – schließlich gab es in diesen Wochen kaum Infektionen, die damit hätten aufgespürt werden können.
In der ersten Juli-Woche erreichte die Zahl der roten Warnmeldungen, die einen risikoreichen Kontakt mit einer infizierten Person signalisieren, nicht einmal die Schwelle von 100 – und das obwohl die App bereits da auf über 29 Millionen Smartphones installiert war.
Wie dramatisch die Entwicklung der Pandemie derzeit verläuft, kann man auch an den App-Statistiken ablesen. In der Corona-Warn-App schnellte in der vergangenen Woche die Zahl der roten Warnungen auf über 70.000 Fälle täglich in die Höhe. Und auch die Check-in-App Luca verzeichnete einen steilen Anstieg der Warnungen.
So haben die Gesundheitsämter in Deutschland in der vergangenen Woche nach einer eingehenden Risikobewertung über 40.000 individuelle Warnmeldungen an Luca-Gäste ausgespielt. Kritiker des Luca-Systems bemängeln allerdings, dass etliche Gesundheitsämter gar nicht aktiv mit Luca arbeiten.
Warnungen über Bluetooth
Die offizielle Corona-Warn-App (CWA), von der inzwischen 36,3 Millionen Downloads verzeichnet sind, erfasst mithilfe von Bluetooth-Signalen, welche Smartphones einander nahe gekommen sind und benachrichtigt die Anwender dann über riskante Begegnungen. Die Luca-App soll dagegen Restaurantbesitzern und Event-Veranstaltern unter die Arme greifen, die gesetzlich vorgeschriebene Erfassung der Kontakte der Besucher ohne Zettelwirtschaft zu erledigen.
Sie trackt die Anwenderinnen und Anwender nicht den ganzen Tag. Sie kann nach einem Check-in gezielte Warnmeldungen nach dem Muster "Du hast in der Lokalität X für circa anderthalb Stunden an einem Tisch unweit von vielfachem Infektionsgeschehen gesessen" ermöglichen.
Während Datenschützer sich immer wieder an der zentralen Datenspeicherung des Luca-Systems stören, wurde bei der CWA ein dezentrales Datenschutzkonzept umgesetzt, das auch international als vorbildlich gilt. Bei allem Lob für den Datenschutz: Die Wirksamkeit der CWA wird dagegen immer wieder infrage gestellt, auch weil die App seit einer Algorithmus-Änderung vor gut einem Jahr deutlich weniger "grüne" – also weniger gefährliche – Risikobegegnungen anzeigt.
So stellte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) die Corona-Warn-App als Flop dar. "Die App ist leider bisher ein zahnloser Tiger. Sie hat kaum eine warnende Wirkung", sagte der Politiker im Oktober 2020 in einem Interview.
App doch kein "Totalausfall"
Die These vom "Totalausfall" der CWA wird über ein Jahr später durch Zahlen des Robert Koch-Instituts widerlegt. Dabei hatte nicht nur Ministerpräsident Söder zwischendurch den Eindruck gewonnen, dass die App wegen der seltenen Warnmeldungen quasi tot sei. Inzwischen haben rund 710.000 Menschen über die App andere Personen vor einer gefährlichen Risiko-Begegnung gewarnt. Dadurch wurden schätzungsweise in über 300.000 Fällen Infektionsketten unterbrochen.
Die Zahl der relevanten Warnungen könnte aber noch viel höher sein, wenn alle Anwenderinnen und Anwender der App, die positiv getestet wurden, diese schlechte Nachricht auch der App anvertrauen würden. Anfangs trauten sich aber nicht einmal 40 Prozent der Betroffenen, diese Alarmkette auszulösen. Zuletzt hat sich dieser Wert immerhin auf rund 60 Prozent verbessert.
Digitaler Impfnachweis löst Schub für die Apps aus
Bei der Bewertung der Zahlen muss allerdings auch berücksichtigt werden, dass es sich bei den nicht geteilten Ergebnissen teilweise um Tests gehandelt hat, die CWA-Nutzer für andere Personen, etwa ihre Kinder oder andere Angehörige, in ihrer App registriert haben, erläutert ein RKI-Sprecher. In diesen Fällen gibt es also einen guten Grund, den negativen Test in der App nicht zu teilen, weil sonst teilweise die falschen Kontaktpersonen gewarnt worden wären.
Einen Anstieg in der Nutzung der Corona-Apps hat der digitale Impfnachweis ausgelöst. Er kann in der speziellen App CovPass gespeichert werden, die sonst keine weiteren Funktionen hat, oder aber auch in der CWA und Luca. Da aber schon die gelben Impfheftchen nicht fälschungssicher angelegt sind, kann man sich nicht komplett darauf verlassen, dass die digitalen Abbilder des Impfnachweises zu Recht ausgestellt wurden.
Dazu kommt, dass kaum überprüft wird, ob der vorgezeigte QR-Code auch zu der Person gehört, die das Smartphone in der Hand hält. Das hat aber weniger mit den Apps selbst zu tun als mit dem Umgang mit ihnen.
Apps an mancher Stelle verwirrend
An anderer Stelle sind die Apps aber selbst für manche Benutzerinnen und Benutzer verwirrend: So bieten sowohl die Corona-Warn-App als auch die Luca-App einen "Check-in" an, was aber unterschiedliche Auswirkungen hat. Bei der CWA des RKI wird durch einen Check-in lediglich die Abstandsmessung im Raum nach einer unterschiedlichen Formel berechnet.
Dabei werden dann auch beispielsweise bereits ausgecheckte Besucher berücksichtigt, die vor wenigen Minuten bereits das Event verlassen haben, deren Aerosole aber noch immer in der Luft schweben könnten. Im Gegensatz zur Luca-App werden bei der CWA aber keine Kontaktdaten übertragen. Bei Luca werden dagegen der Ort, die Zeit des Aufenthaltes und die Kontakte der Beteiligten erfasst.
In 14 von 16 Bundesländern ist bislang noch in den jeweiligen Landesinfektionsverordnungen vorgeschrieben, dass Gastwirte und Veranstalter die Kontakte entweder mit Luca, einer vergleichbaren App oder analog auf Papier erfassen müssen. Nur Sachsen und seit Mitte Oktober auch Baden-Württemberg ermöglichen auch einen Check-in mit der Corona-Warn-App, ohne dabei Kontaktinformationen zu erfassen. Das könnte nun Schule machen.
Neues Gesetz nennt Corona-Warn-App exklusiv
Der Bundestag hat am Donnerstag eine Reform des Infektionsschutzgesetzes beschlossen, in der die Corona-Warn-App explizit als Möglichkeit zur Kontaktnachverfolgung genannt wird. In dem Gesetz heißt es, es könne alternativ zur Erfassung von Kontaktdaten "auch angeordnet werden, dass die Nachverfolgung und Unterbrechung von Infektionsketten vorrangig durch die Bereitstellung der QR-Code-Registrierung für die Corona-Warn-App erfolgen".
Für Länder wie für Bürger hat diese Neuerung einige Vorteile: Die Luca-App ist für die Länder kostenpflichtig – und ist für eine warnende Funktion überdies auf die Zusammenarbeit mit den jeweiligen Gesundheitsämtern angewiesen. Hapert es hier, werden Gäste mit einer über Luca aufgezeichneten Risikobegegnung auch nicht gewarnt.
Die CWA informiert dagegen ohne Umweg über das Gesundheitsamt jeden Betroffenen individuell – was überdies auch eine Entlastung der Gesundheitsämter bedeutet.
Ein weiterer wichtiger Punkt: Bürger können gewarnt werden, müssen dafür aber nicht ihre Daten preisgeben. Denn die CWA kommt ohne persönliche Daten aus – die Luca-App nicht, schließlich wurde sie explizit zur Weitergabe der Kontaktdaten an die Gesundheitsämter entwickelt.
Zudem wurden in der Vergangenheit mehrfach Sicherheitslücken bei der Luca-App nachgewiesen, was viele Nutzer verunsichert haben dürfte. Mit dem neuen Gesetz kann bei Bedarf nun auch auf die CWA als Alternative zu Luca zurückgegriffen werden.
Bundesländer mit einer intensiven Luca-Nutzung wie Hamburg werden künftig voraussichtlich auf den parallelen Einsatz von CWA und Luca setzen. In anderen Ländern wie Brandenburg wird dagegen diskutiert, den bestehenden Luca-Vertrag zum Jahresende nicht zu verlängern.
- Nachrichtenagentur dpa
- Eigene Recherche