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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Harald Krassnitzer über Corona "Ich kenne viele Leute, die Angehörige verloren haben"
Das Wiener "Tatort"-Team ist am Sonntag in einem neuen Fall zu sehen. Vorab sprach Hauptdarsteller Harald Krassnitzer mit t-online – und urteilte scharf über Corona-Leugner.
Harald Krassnitzer und Adele Neuhauser ermitteln wenige Woche nachdem sie im ersten "Tatort" der neuen Saison zu sehen waren, in einem neuen Fall. Der Titel: "Krank". Das Wiener Duo befindet sich dabei in einem regelrechten Glaubenskrieg zwischen Schulmedizin und alternativen Heilmethoden.
Im Interview mit t-online spricht Harald Krassnitzer über Ängste und sagt Corona-Leugnern und Menschen, die die Pandemie verharmlosen, ganz klar seine Meinung. Viele Bekannte des Schauspielers waren an Covid-19 erkrankt. Ein Freund hat durch die Lungenkrankheit seine Eltern verloren.
t-online: Der neue Wiener "Tatort" trägt den Titel "Krank". Was finden Sie krank?
Harald Krassnitzer: Eine schwierige Frage. Ich finde bestimmte Entgleisungen oder Entwicklungen krank, wie sie gerade in Amerika zu beobachten sind. Auch was den Rechtsradikalismus betrifft oder Dinge, die sich in einer dummen und boshaften Art und Weise gegen andere Menschen richten.
Und fühlen Sie sich selbst schnell krank?
Ich glaube, dass ich ein sehr resilienter Mensch bin. Ich bin nicht hypochondrisch veranlagt, sondern habe eher das Empfinden, eine gesunde Konstitution zu haben. Ich muss nicht wegen jedem Wehwehchen irgendwohin laufen und das abchecken lassen.
Dann hatten Sie jetzt in der Corona-Zeit sicher auch keine Probleme dahingehend?
Nein, Gott sei Dank neige ich dazu gar nicht. Plötzlich alles auf sich selbst zu beziehen – das kann ich nicht und das habe ich nie gemacht. Ich bin dankbar, dass ich keine Corona-Symptome hatte und dass ich mich die ganze Zeit sehr gesund gefühlt habe. Ich möchte nicht in der Haut von jemandem stecken, der oder die sich das Virus eingefangen hat.
Doch Sie kennen jemanden, der sich das Virus eingefangen hatte, wie Sie sagen. Der Bruder Ihrer Frau war an Covid-19 erkrankt. Wie geht es Ihnen, wenn Sie von Corona-Leugnern lesen?
Dass es allen Ernstes Leute gibt, die so tun, als gäbe es diese Krankheit nicht, macht mich wütend und irritiert mich wirklich. Ich kann einfach nicht verstehen, wie man so weit von der Realität entfernt sein und so denken kann. Corona hat in meinem Umfeld zu oft stattgefunden – ich kenne viele Leute, die Angehörige verloren haben, selbst erkrankt sind oder in ihren Familien Erkrankungen hatten. Bei manchen war es verhältnismäßig harmlos, die hatten keine Symptome, andere hingegen hatten einen sehr, sehr schweren Verlauf und mussten richtig kämpfen. Bei einem meiner Bekannten sind die Eltern daran gestorben. Es ist die volle Bandbreite. Insofern nehme ich das Coronavirus selbstverständlich als real wahr. Es ist da, es ist eine Bedrohung.
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Schlimm, dass viele Ihrer Bekannten direkt davon betroffen sind oder waren. Wie haben Sie die die Corona-Zeit verbracht – was haben Sie gemacht?
Ich gehöre zu den privilegierten Menschen mit einem Garten in unmittelbarer Nähe des Hauses. In der Phase, als das Weggehen, der Bewegungsraum sehr eingeschränkt war, konnte man zumindest in den Garten gehen. Insofern war das eine Erleichterung.
So gut ging es ja leider nicht allen …
Ja, mir war schon sehr bewusst, dass viele Menschen das nicht haben, die dann in einer kleinen Wohnung rumsitzen, die sie sich womöglich noch mit zwei anderen Leuten teilen müssen. Das war wirklich eine große Herausforderung. Unabhängig davon, dass für viele oft auch noch die Existenzfrage im Raum steht, also der Verlust des Arbeitsplatzes oder des Einkommens. Das ist schon für viele Menschen eine wirkliche Bedrohung gewesen.
Zum Thema Existenz. Wie sah das bei Ihnen aus? Viele Drehs konnten nicht stattfinden. Wurden die allesamt verschoben oder gibt es auch Projekte, die nun tatsächlich komplett flachfallen?
Ein paar Dinge sind ausgefallen, weil sich das zeitlich nicht koordinieren ließ. Aber viele Projekte, die abgebrochen oder zum Teil verschoben wurden, sind halt später auf den Plan gekommen. Über den Sommer und jetzt in den Herbst hinein kulminiert das an vielen Stellen. Aber es war machbar und wurde aufgeholt. Wir waren einfach dankbar, dass wir die Möglichkeit hatten, Pläne für die Sicherheit am Set auszuarbeiten. Es gibt jetzt ein gutes, sehr sicheres Modell, das es uns ermöglicht zu arbeiten.
Wie sieht dieses Modell aus? Wie arbeiten Sie unter Corona-Bedingungen?
Ich glaube, das ist ein Modell, das auch in anderen Bereichen angewandt wird. Es gibt am Set zweimal in der Woche Testungen. Es werden verschiedene Zonen eingeteilt. Es gibt eine Kernzone, in die nur Schauspieler, Regie, Kamera, Ton und ein paar Leute vom Licht reindürfen. Dazu noch Maske und Garderobe. Dann gibt es Zone zwei. Für die Leute, die unter anderem für den Auf- und Abbau der Technik zuständig sind. In Zone drei befindet sich letztlich alles, was mit Administration zu tun hat. Man versucht, die Durchmischung der einzelnen Zonen so gering wie möglich zu halten, um die Gefahr, sich gegenseitig zu infizieren, zu minimieren. Das hat bis jetzt sehr gut funktioniert. Innerhalb dieser Teams gibt es noch einzelne Pools, wo jeweils fünf Leute zusammengepackt sind, die gemeinsam getestet werden – sodass man die dann auch wieder extra isolieren kann. Man kann so relativ einfach und schnell infizierte Leute rausholen und direkt diejenigen überprüfen, die eng mit ihnen zusammenarbeiten. So kommt es in der Regel nur zu kurzfristigen Unterbrechungen. Das ist schon sehr von Vorteil.
Aber auch außerhalb der Drehorte müssen wohl Regeln eingehalten werden?
Ja, während der Drehzeit werden auch die Sozialkontakte sehr eingeschränkt. Wir fahren vom Hotel direkt zum Drehort und von dort wieder ins Hotel oder eben nach Hause. Dazwischen und an den Wochenenden gibt es keine Restaurantbesuche, keinen Gang ins Kino, Theater oder in eine Bar. Wenn es hoch kommt, ist es ein Spaziergang, den man unter Beachtung der Abstandsregeln machen kann. Aber sobald eine Gruppe von mehreren Menschen auf einen zukommt, setzt man automatisch die Maske auf. Das ist schon sehr klar geregelt und wir halten uns daran. Immerhin ist das die Grundlage für unsere Arbeit.
Besonders das Sicherheitsmodell scheint sehr durchdacht. Hält man vor der Kamera trotzdem Abstand? Bei einigen Serien merkt man als Zuschauerin beispielsweise, dass auf Abstand gegangen wird und es keinen Körperkontakt gibt.
Das wird sehr unterschiedlich gehandhabt. Beim "Tatort"-Dreh haben wir aber nicht das Problem, dass wir mit einem überbordenden Portfolio von Liebesszenen aufwarten müssen. Manche Distanzen kann die Kamera zudem näher rücken als sie tatsächlich waren.
Ihre Figur Moritz Eisner hat im "Tatort" einen MRT-Termin und hat Platzangst in der Röhre. Kennen Sie dieses Gefühl?
Gottseidank nicht. Ich habe bis jetzt noch nie das Gefühl erlebt, dass ich irgendwo Platzangst bekommen hätte. Ich muss aber nicht zwingend in einer engen Kiste liegen oder in einem riesigen Menschenauflauf stehen. Das wäre schon ein unangenehmes Gefühl, aber wahrscheinlich für jeden. Aber ein MRT oder ein Lift, das sind Dinge, die sind schon einfach zu bewältigen für mich.
Gibt es andere Situationen, die Ihnen tatsächlich Angst machen?
Ich wurde bis jetzt vor solchen Geschichten verschont. Aber wenn ich jetzt in Richtung Amerika schaue und sehe, wie dort Menschen mit Waffen auf der Straße rumlaufen und quasi ihr Recht in die Hand nehmen mit Waffengewalt, ist das etwas, das mich sehr beunruhigt. Oder wenn man sieht, welche Herausforderungen uns hier noch bevorstehen. Mit welcher Aggression Leute manchmal vorgehen, die zu Corona-Leugnern werden oder wenn ich Nachrichten über rechtsradikale Angriffe höre. So etwas braucht unsere Gesellschaft nicht. Aber das ist etwas, wo man nicht einfach daneben steht und sagt: "Das geht mich nichts an, das ist weit weg." Man muss sich dazu einfach äußern, sich positionieren.
Warum äußern Sie sich eigentlich nicht über Social Media zu solchen Themen?
Dafür habe ich nicht die Zeit. Zudem sind mir diese digitalen Techniken noch etwas fremd und greifen auch zu kurz. Ich bin ein sehr leidenschaftlicher Verfechter von persönlichem Austausch. Mit jemandem ein Gespräch zu führen oder jemandem zuzuhören. Instagram, Facebook, Twitter und solche Plattformen sind kurze stakkatoartige Hülsen, wo man mal kurz was reinschießt und direkt ein Echo hat. Alles geht sehr schnell, ist sehr schnelllebig. Man hat häufig keinen richtigen Diskurs mehr. Es ist immer nur Daumen rauf, Daumen runter, eine sehr minimale Auseinandersetzungsform. Und erstens: Ich kann sie nicht. Und zweitens: Ich führe einfach gerne Gespräche, höre zu und finde heraus, was eigentlich der Hintergrund ist. Es ist für mich auch spannender, jemanden dadurch womöglich noch mal anders kennenzulernen und wahrzunehmen, eine Person nicht auf so und so viele Zeichen in einem Tweet oder ein Foto auf Instagram zu reduzieren.
Sie würden also eher zehnmal in eine Talkshow gehen, als sich bei Instagram anzumelden?
Nein, ich würde mich eher zehnmal mit Leuten treffen und mit denen reden, und wenn es sein muss, auch noch öfter. Ich glaube, dass das Diskutieren und das Miteinanderreden nach wie vor die beste und spannendste Art ist, Dinge aus der Welt zu schaffen.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Krassnitzer.
Der neue "Tatort: Krank" mit Harald Krassnitzer als Kommissar Moritz Eisner und Adele Neuhauser als Kommissarin Bibi Fellner läuft am Sonntag, den 25. Oktober 2020 um 20.15 Uhr im Ersten. Gedreht wurde der Film bereits Monate vor der Corona-Pandemie: vom 21. August bis zum 18. September 2019 in Wien und Umgebung. Auch das Gespräch mit t-online führte Harald Krassnitzer, bevor es zu den zuletzt explosionsartigen Corona-Anstiegen überall in Deutschland kam. Das Interview fand Anfang Oktober 2020 statt.
- Telefongespräch mit Harald Krassnitzer
- Pressematerial vom Ersten
- Vorabsichtung von "Tatort: Krank"
- Instagram: Profil von Ann-Kathrin Kramer
- eigene Recherchen