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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Serien-Star Michael Kausch "Von der gesetzlichen Rente kann ich kaum leben"

Vor 35 Jahren überlebte Michael Kausch nur knapp einen schweren Unfall, der seine Karriere nachhaltig beeinflusste. Heute sieht er den Schicksalsschlag als Glücksmoment.
Michael Kausch blickt auf eine bewegte Karriere zurück. Ein Sturz aus dem dritten Stock veränderte das Leben des Schauspielers, der in Kultserien wie "Die Schwarzwaldklinik" und "Liebling Kreuzberg" mitspielte, schlagartig – er überlebte nur knapp. Im Interview spricht er über seinen langen Weg zurück, warum er den Unfall heute als Glück im Unglück sieht und welche Pläne er mit einem neuen Hobby verfolgt.
t-online: Herr Kausch, vor 35 Jahren, am 19. Januar 1990, hatten Sie einen schweren Unfall und mussten lange im Krankenhaus behandelt werden. Wie blicken Sie heute darauf zurück?
Michael Kausch: Das ist wie mein zweiter Geburtstag, denn es ist wirklich kaum zu glauben, dass ich das überhaupt überlebt habe. Es war ein Sturz aus dem dritten Stock. So etwas steckt man nicht so einfach weg. Ich war fast ein halbes Jahr im Krankenhaus, hatte ein sehr schweres Schädelhirntrauma mit Hirnblutungen. Ich saß demzufolge ein halbes Jahr im Rollstuhl, musste neu sprechen und laufen lernen. Das volle Programm.
Was genau ist passiert?
Im Rahmen eines Schauspielworkshops in einer Weddinger Fabriketage, mit großen Fenstern, die wir in der Pause öffneten, wollte ich die Pause nutzen, um mit einer Kollegin an einer Improvisation zu arbeiten. In dieser Impro muss ich mit vollem Karacho auf das offene Fenster losgelaufen sein, hatte den Stopp nicht mehr erwischt und dann ging es 15 Meter in den Hinterhof. Also auch Fortbildung kann lebensgefährlich sein!
Als der Unfall passierte, waren Sie gerade auf dem Höhepunkt Ihrer Karriere. Wie hat er diese beeinflusst?
Ja. "Die Schwarzwaldklinik" war zu Ende und die letzte "Liebling Kreuzberg"-Staffel abgedreht. Ich war gerade für "Unser Lehrer Doktor Specht" in Gesprächen, auch für "Freunde fürs Leben". Aber nach dem Unfall war ich erst einmal ein Jahr lang raus. Und als ich zurückkehrte, war es schwierig.
Warum?
Als ich wieder in der Branche Fuß fassen wollte, war die Konkurrenz auf einmal größer. Der Unfall passierte zeitgleich mit dem Mauerfall. Auf einmal waren all die Kollegen aus dem Osten auf den Markt gedrängt – und sie waren zum Teil sehr viel besser ausgebildet als wir.
Tatsächlich?
Ja, die Schauspieler aus der DDR haben eine sehr solide Ausbildung. Im Westen gab es auch staatliche Schauspielschulen, aber im Osten war die Ausbildung Pflicht. Die Schauspieler haben auch ein ganz anderes Selbstbewusstsein als die aus dem Westen.
Und mit denen mussten Sie auf einmal konkurrieren?
Meine Gage war von einem Tag auf den anderen um zwei Drittel niedriger.
Wie haben Sie da den Mut behalten, mit der Schauspielerei weiterzumachen?
Ich musste. Ich habe nichts anderes gelernt, ich konnte nichts anderes und es war auch immer mein Traumberuf. Es war keine Option, zu wechseln. Dann habe ich einfach weitergemacht. Wäre der Unfall nicht passiert, wäre ich heute vielleicht einer der bestbezahlten Fernsehdarsteller Deutschlands. Aber es ist anders gekommen ...
Hadern Sie damit noch?
Nein, überhaupt nicht. Ich empfinde den Fenstersturz im Endeffekt als positiv. Wenn das nicht passiert wäre, hätte ich meine jetzige Frau nicht kennengelernt – und inzwischen sind wir seit 23 Jahren verheiratet. Ich war zwar nicht sofort Hals über Kopf verliebt wie früher manchmal, aber es hat sich sofort richtig angefühlt. Und dieses Gefühl ist bis heute geblieben.
23 Jahre sind eine lange Zeit. Hatten Sie auch mal schwere Zeiten?
Es ist nicht immer alles rosig, das ist ganz klar. Aber gerade in solchen etwas heiklen Situationen ist es wichtig, die Kommunikation nicht abreißen zu lassen, sondern wirklich an dieser Beziehung zu arbeiten. Die Balance zwischen Geben und Nehmen muss ausgeglichen sein. Wenn ich mehr nehme, als ich gebe, kann das nicht funktionieren, und umgekehrt genauso.
Was fällt Ihnen dabei am schwersten?
Na ja ... Normalerweise bin ich ein Mensch, der die Fehler immer zuerst bei sich selbst sucht. Nur beim Essen bin ich seltsamerweise ziemlich egoistisch, was mir meine Frau immer wieder vorwirft. Da schaue ich immer danach, dass ich nicht zu kurz komme. Vielleicht hängt das zusammen mit meiner Kindheit in den mageren Jahren Anfang der Fünfzigerjahre ...
Sie können also gut nehmen. Was haben Sie dann zu geben?
Ich bin zwar nicht allzu geduldig, dafür bleibe ich bei den meisten Problemen ziemlich gelassen. Aber manchmal fehlt mir diese Gelassenheit auch. Dann verzweifle ich und denke, dass alles Mist ist. Ich kann auch sehr aufbrausend sein und schnell laut werden. Und dann stelle ich fest: Das war nicht der richtige Ton.
Und dann entschuldigen Sie sich?
Ja, Entschuldigung ist ein sehr häufig genutztes Wort bei mir. Ebenso wie Danke, das ich schon fast inflationär gebrauche. Aber die Dankbarkeit ist für mich seit meinem Fenstersturz ein zentrales Gefühl geworden.
Wie blicken Sie insgesamt auf Ihre Karriere zurück?
Die Achtzigerjahre waren meine goldenen Jahre. Auch die Arbeit mit Manfred Krug in "Liebling Kreuzberg" war sehr, sehr schön. Ich habe die vier Jahre mit ihm genossen, habe sehr viel von ihm gelernt – auch wenn wir nicht unbedingt Freunde waren. Wir haben uns merkwürdigerweise auch die ganzen vier Jahre immer nur gesiezt. "Die Schwarzwaldklinik" war mehr wie Urlaub. Das habe ich immer sehr genossen.
Sie verdienen auch heute noch an den "Schwarzwaldklinik"-Folgen mit.
Ja, das ist die einzige Sendung, von der ich auch Wiederholungshonorar bekomme. Da bin ich dem Wolfgang Rademann, Gott hab' ihn selig, wirklich sehr dankbar. Das ist schon ein ganz beachtliches Zubrot. Das sind 200 bis 300 Euro im Jahr und das begrüße ich auf das Schärfste.
Als Schauspieler ist man nicht fest angestellt, oder? Was bedeutet das für Ihre Rente?
Bei "Die Schwarzwaldklinik" und "Liebling Kreuzberg" war das, wie auf Lohnsteuerkarte zu arbeiten. Ich bin teilweise auch freischaffend tätig, aber meistens – und auch lieber – auf Lohnsteuerkarte.
Sie beziehen also eine normale gesetzliche Rente?
Ja, genau. Ich bin jetzt seit über zwölf Jahren in Rente. Aber die gesetzliche Rente ist wirklich sehr, sehr erbärmlich. Davon kann ich kaum leben.
Wie hoch ist sie denn?
Darüber schweigt des Sängers Höflichkeit. Unschöner Schauspieler-Aberglaube.
Wie haben Sie sich dann zusätzlich abgesichert?
Seit "Liebling Kreuzberg"-Zeiten war ich in der Pensionskasse der freien Mitarbeiter. Daraus habe ich schon eine ganz beachtliche Rente. Dann gibt es noch eine kleine Rente von der Bühnengenossenschaft und vor allen Dingen auch noch die Verletzten-Rente, die ich seit dem Unfall beziehe. Das ist auch ein ganz beträchtlicher Teil. Weil ich zu dem Zeitpunkt, als der Unfall passierte, doch sehr gut verdient habe, war die Rente auch dementsprechend hoch.
Das heißt, Sie haben vorgesorgt, um die gesetzliche Rente entsprechend aufzustocken?
Ehrlich gesagt, habe ich nicht so sehr bewusst selbst vorgesorgt, sondern es, ohne es zu wissen, getan.
Arbeiten Sie denn aktuell noch?
Die Schauspielerei habe ich hinten angestellt. Das Wichtigste für mich ist im Moment mein Roman. Es ist ein autofiktiver Roman. Wie alle Sachen, die man schreibt, fließt von einem selbst doch sehr viel hinein. Aber hier ist es ganz offensichtlich, dass da auch einige Personen und Figuren aus meinem früheren Leben auftauchen.
Das heißt, Sie verarbeiten in Ihrem Buch auch Dinge, die Sie selbst erlebt haben?
Ja, sicher. Es fließt sehr viel von den eigenen Erlebnissen mit ein, wie zum Beispiel mein Unfall. Vor mehr als 20 Jahren habe ich schon einmal angefangen zu schreiben, um das erste Jahr nach dem Fenstersturz zu verarbeiten. Ich habe das im Laufe der Zeit aber immer wieder geändert und neu thematisiert. Von dem ursprünglichen Ansatz ist heute nicht mehr sehr viel übrig geblieben. Wenn man schreibt, wirkt das zum großen Teil auch therapeutisch. Das ist mir recht.
- Interview mit Michael Kausch