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Tatort: Sexismus, Hass und Abgründe - "Der Fall Holdt"


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"Tatort" mit Furtwängler
Sexismus, Hass und Abgründe - "Der Fall Holdt"

Meinungvon Verena Maria Dittrich

Aktualisiert am 06.11.2017Lesedauer: 3 Min.
Maria Furtwängler in "Der Fall Holdt".Vergrößern des Bildes
Maria Furtwängler in "Der Fall Holdt". (Quelle: NDR/Marion von der Mehden)

Der "Tatort: Der Fall Holdt" ist eine freie TV-Adaption basierend auf dem echten Kriminalfall "Maria Bögerl", die 2010 entführt und brutal ermordet wurde. Aber er zeichnet auch das Bild einer Ermittlerin, die an ihre Grenzen stößt.

Die Anfangsszenen des neuen Niedersachsen-"Tatort" sind so brutal wie verstörend. Dabei haben sie mit dem eigentlichen Verbrechen auf den ersten Blick überhaupt nichts zu tun. Kommissarin Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) ist bei einem Clubbesuch von der langen Warteschlange vor dem Damenklo genervt und huscht schnell auf den nahgelegenen dunklen Parkplatz, um sich zwischen zwei Autos zu erleichtern.

Wie aus dem Nichts sind sie plötzlich da, diese widerlich geifernden Typen, sie lachen, sie grölen und filmen die Ermittlerin beim Pinkeln. Am besten gleich bei Facebook posten, sie ist wirklich zu lustig, diese fremde Frau, der die Blase drückt. Lindholm wehrt sich, bittet die Kerle, den Film zu löschen und wird daraufhin von dem zutiefst frauenfeindlichen Gesocks brutal zusammengeschlagen. Blutend und erniedrigt bleibt sie auf dem Asphalt liegen. Doch anstatt die Kollegen zu rufen, schleppt sie sich nachhause.

Lindholm - die gedemütigte Frau, Lindholm, die Ermittlerin, die aus Scham schweigt und die, statt sich ärztlich behandeln zu lassen, lieber ihren nächsten Fall aufnimmt - einen Entführungsfall. Auch hier ist das Opfer weiblich. Die Bankiersfrau Julia Holdt (Annika Martens) ist verschwunden. Bei der Entführung schlagen die Täter der Frau mehrfach ins Gesicht, treten sie, als sie schon am Boden liegt. Auch der leidende Ehemann (Aljoscha Stadelmann) hat seine Gattin schon verprügelt, obschon ihm wichtig ist, klarzustellen: "Aber ich liebe sie so sehr".

Niemand ist verantwortlich

"Der Fall Holdt" ist zwar fiktiv, basiert aber in großen Teilen auf der Entführung und Ermordung der Bankiersfrau Maria Bögerl im Jahre 2010. Bis heute sind die Ereignisse ungeklärt und zählen zu den mysteriösesten der deutschen Kriminalgeschichte.

Damals hatten der Ehemann und die beteiligten Polizisten unterschiedliche Angaben zur Faktenlage gemacht. Fehler wurden begangen, Fehler, für die sich bis heute niemand in der Verantwortung sieht.

Maria Bögerl ist tot, ihr Witwer hat sich erhängt und der oder die Mörder sind vermutlich noch immer da draußen. Nach wie vor gibt es jede Menge wilde Spekulationen und hitzige Verschwörungstheorien. Hobbykriminologen füllen ganze Foren mit ihren Ergüssen. Eines aber fällt bei der Analyse der Kommentare immer wieder auf: Die weit verbreitete Meinung, dass viel vertuscht worden ist und dass es mit dem Tod einer "reichen, wohlhabenden Bankiersgattin, deren Mann als Banker dem kleinen Mann das Geld aus der Tasche zieht", endlich mal die traf, die es verdient haben.

Auch im "Fall Holdt" bleiben viele Fragen ungeklärt. Und Lindholm, die in ihren Träumen ihr Martyrium immer und immer wieder durchläuft, wird zusehends verbissener bei der Tätersuche. Der seine Frau schlagende Ehemann gibt für die traumatisierte Ermittlerin ein willkommenes Feindbild ab. Für die Kommissarin scheint klar zu sein: Er ist schuldig. An der Entführung. An dem Tod seiner Frau. An allem.

"Einfach zu nah dran"

Lindholm, zutiefst gedemütigt, treibt den Witwer in die Enge. Am Ende sieht er keinen anderen Ausweg, als sich das Leben zu nehmen. Wie im echten Fall bleibt offen, ob der Ehemann seinen Freitod aus tiefer Verzweiflung oder Schuld wählt.

Als LKA-Chef Kohl (Stephan Grossmann) die Beamtin mit den Worten: "Gehen Sie nach Hause. Sie haben es einfach zu nahe an sich herangelassen", verabschiedet, klingt es beinahe so, als müsste Lindholm sich rechtfertigen. Rechtfertigen, eine Frau zu sein, die brutal verprügelt wurde. Eine Frau, die die Wahrheit, was mit ihr geschehen ist, für sich behält. Eine Frau, die sich schämt. Eine Frau, die stark und kein Opfer sein will. Manchmal ist es aber doch besser, die Dinge nah an sich heranzulassen, um nicht länger zu schweigen.

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