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"Tatort" Stuttgart: Der rote Schatten der Vergangenheit


Meinung
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"Tatort" im Krimi-Check
Schützen die deutschen Staatsorgane Mörder?

Meinungvon Verena Maria Dittrich

Aktualisiert am 16.10.2017Lesedauer: 3 Min.
Terroristin Astrid Frühwein (Heike Trinker) will nicht aufgeben - Kämpfen bis zum Tod.Vergrößern des Bildes
Terroristin Astrid Frühwein (Heike Trinker) will nicht aufgeben - Kämpfen bis zum Tod. (Quelle: SWR/Julia von Vietinghoff)

Eine Leiche im Kofferraum, ein prügelnder Gigolo, eine barbusige Staatsanwältin und staatliche Behörden, die sich gegenseitig Knüppel zwischen die Beine werfen. Aber was hat das alles mit der Todesnacht von Stammheim zu tun?

Der Plot:

Durch einen Verkehrsunfall, bei dem eine Leiche im Kofferraum eines Autos entdeckt wird, stolpern die Kommissare Lannert (Richy Müller) und Bootz (Felix Klare) über den früheren RAF-Sympathisanten Wilhelm Jordan (Hannes Jaenicke). Jordan hat vor vier Jahrzehnten als V-Mann für den Verfassungsschutz gearbeitet und soll angeblich die Waffen, mit denen sich die RAF-Terroristen Andreas Baader und Jan-Carl Raspe selbst töteten, nach Stammheim geschmuggelt haben. Trotz diverser Verbrechen, inklusive Mord, scheinen die deutschen Staatsorgane immer noch ihre schützende Hand über Jordan zu halten.

Kann eine Obduktion vom Staat wirklich verschleiert werden?

Die klinische Autopsie ist die letzte und wichtigste ärztliche Handlung, um die Todesursache festzustellen. Doch können Staatsdiener in unserem Land wirklich die Ergebnisse dieser Untersuchung verschleiern? Sollte ein Rechtsmediziner ein eindeutiges Tötungsdelikt erkennen, kann er dann von den Behörden mundtot gemacht werden? Wie viele Morde in unserer Gesellschaft bleiben dann ungesühnt, nur weil es der herrschenden Klasse so besser in den Kram passt?

Tausende von Morden schlüpfen eh schon durchs System, weil der Bedarf einer Obduktion schon im Ansatz nicht existiert. Wenn der Regierungsapparat aber obendrein auch noch das "Kein Richter, dann auch kein Täter-Spielchen" nach Gutdünken praktiziert, wem kann man dann eigentlich noch glauben? Darüber kann man im Grunde nur theoretisch philosophieren.

Die hochpolitische Brisanz des Themas:

Was geschah wirklich in der Todesnacht von Stammheim im Oktober 1977? Stimmen die offiziellen Angaben? Haben Baader, Ensslin und Raspe unter polizeilicher Aufsicht Suizid begangen oder wurden die Köpfe der Roten Armee Fraktion vorsätzlich vom Staat liquidiert? Viel mehr noch: Lassen unsere Behörden wirklich V-Männer weiter agieren, auch wenn diese sich eines Mordes schuldig gemacht haben? RAF, NSU, wann sagt man uns die ganze Wahrheit? "Der rote Schatten" stellt viele Fragen, gibt aber kaum plausible Antworten.

Die beste Szene:

Kommissar Lannert sinniert über seine Sturm- und Drang-Zeit - damals Anfang der Siebzigerjahre - wo alles möglich schien, wo Revolution in der Luft lag, Anarchie, Aufbruch. Der alte Mief der Nachkriegszeit wurde ausgelüftet. Die Jugend schuf sich ein neues Bewusstsein. Die RAF wirkte wie ein großer Befreiungsschlag. Aber dann kam der Terror auf die Straßen und die Bomben in die Kaufhäuser. Und mit den Morden starben nicht nur die Menschen, sondern auch Träume nach einer neuen, besseren Zeit. Lannert bringt es auf den Punkt und nennt es: "die weggebombte Sehnsucht".

Die überflüssigste Szene:

Staatsanwältin Emilia Álvarez (Carolina Vera) zeigt ihre blanken Brüste. Hübsch anzusehen, aber völlig deplatziert. Wer ist der Initiator solcher Einschübe? Frei nach Schriftsteller Stefan Heym könnte es heißen: Immer machen sich die Weiber nackig! Wann wird endlich Richy Müller im zu engen Badeschlüppi aus dem Neckar steigen?

Die arg konstruierte Inszenierung:

"Der rote Schatten" will zu viel auf einmal. Die gewählten filmischen Stilmittel (aneinandergestopselte Schnittfolgen durch mehrere Zeitebenen, szenenüberlagernde Dialoge und nicht enden wollendes echtes Filmmaterial) sind zu flächig eingesetzt und dienen mehr dem Selbstzweck als dem Strang der eigentlichen Handlung.

Der Realitätsfaktor:

Klar zu erkennen. Die Charaktere wirken authentisch. Die Kommissare agieren hilflos gegenüber einem unaufrichtigen Staat, der getragen durch seine unzähligen namenlosen Handlanger der Meinung ist, alles tun zu dürfen. Der Rechtsstaat existiert nur auf dem Papier und für den Otto Normalverbraucher.

Die Bewertung:

Thema: 10 von 10 Punkten. Inszenierung: 6 von 10 Punkten. Die Macher haben zu wenig auf ihre Schauspieler vertraut. Handlung und Akteure werden von zu vielen filmischen Stilmitteln erschlagen. Fragen über Fragen werden aufgeworfen, deren Antworten alles und nichts beinhalten. Wer mit einem Fragezeichen eingeschaltet hat, wird mit zweien entlassen.

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