Fall um entführtes Mädchen So düster und verstörend wird der vorletzte Bodensee-"Tatort"
Ein Mädchen wird als Zweijährige entführt und 15 Jahre lang festgehalten, missbraucht und gequält. Erst durch den Tod ihres Peinigers kommt sie frei. So beginnt der "Tatort: Rebecca" (ARD, 10. Januar, 20.15 Uhr), der vorletzte Fall von Klara Blum (Eva Mattes) und Kai Perlmann (Sebastian Bezzel).
Mit der üblichen Bedächtigkeit der Konstanzer "Tatorte" hat dieser Krimi wenig zu tun. Stattdessen bietet er einen verstörenden Fall, der an die Entführung von Natascha Kampusch erinnert, aber noch einen Schritt darüber hinausgeht. Die Ermittler bringt der Krimi an die Grenzen ihrer Belastung - vor allem Perlmann, dem in seinem vorletzten Fall endlich einmal aus Blums Schatten heraustreten darf.
Nur Perlmann hat zum Mädchen einen Draht
Denn das traumatisierte Mädchen Rebecca (Gro Swantje Kohlhof) wurde von ihrem Entführer zu einem sektenähnlichen Glauben erzogen. Sie folgte ihm aufs Wort, zur Kommunikation mit anderen ist sie unfähig. Nur Perlmann erkennt sie als ihren neuen Erzieher an - und der fühlt sich von dieser Rolle bald überfordert, aber auch verantwortlich für das Mädchen. Zugleich steht er unter Druck: Denn die Kommissare haben die Befürchtung, dass es noch ein zweites entführtes Kind gibt - und nur Rebecca kann sie zu ihm führen.
Das "Gefängnis im Kopf"
Doch die 17-Jährige kann sich nur schwer von den Regeln befreien, die ihr Entführer ihr auferlegt hat. Zu sehr hat er ihr gesamtes Weltbild geprägt. "Wie ist das, wenn man sein ganzes Leben in so einen Keller eingesperrt ist?", fragt Rebeccas Mutter in einer Szene den Ermittler Perlmann. "Wissen Sie, ich glaube, manchmal ist das Gefängnis im Kopf das größere Problem", antwortet er. "Hoffentlich kann sie sich daraus auch befreien."
Gro Swantje Kohlhof stellt die entführte Rebecca überzeugend und intensiv dar. Noch deutlich mehr als Perlmann steht das verstörte und verstörende Mädchen im Mittelpunkt des Films und sorgt für beklemmende Szenen. Von dem tatsächlichen Leid der Entführungsjahre sieht der Zuschauer wenig - stattdessen spielt sich die Handlung vorwiegend auf einem idyllisch wirkenden alten Hof ab, in dem Rebecca psychologisch betreut wird. Doch Kohlhofs Spiel lässt das Furchtbare durchscheinen, das das Mädchen erlebt hat. Rebecca hat nicht nur ein Gefängnis im Kopf, sondern sorgt beim Zuschauer auch für Horror im Kopf.
Das Einschalten lohnt
Trotz einiger unglaubwürdiger Entwicklungen und Situationen: Der vorletzte "Tatort" vom Bodensee überzeugt, vor allem dank der jungen Hauptdarstellerin. Das Einschalten lohnt. Mit seinem leisen Grauen bildet er einen echten Kontrast zu den actiongeladenen, lauten Schweiger-Krimis vom Jahresanfang.
Harald Schmidt folgt auf Eva Mattes
Im Herbst heißt es dann endgültig Abschied nehmen von Perlmann und Blum. Dann läuft mit "Wofür es sich zu leben lohnt" der letzte Bodensee-Krimi.Zukünftig lässt der SWR im Schwarzwald ermitteln - unter der Leitung von Polizeichef Harald Schmidt.