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Wimbledon: "Zverevs Minimalziel ist das Halbfinale" – Michael Stich


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"Vielleicht liegt da der Schlüssel"
Diesen Rat hat Tennis-Legende Stich für Alexander Zverev

  • David Digili
InterviewVon David Digili

Aktualisiert am 02.07.2024Lesedauer: 5 Min.
Kommt als Finalteilnehmer von Paris nach Wimbledon: Alexander Zverev.Vergrößern des Bildes
Kommt als Finalteilnehmer von Paris nach Wimbledon: Alexander Zverev. (Quelle: IMAGO/Claus Bergmann)

Klappt es in London mit dem ersten Grand-Slam-Titel für den Deutschen? Tennis-Legende Michael Stich analysiert die Chancen – und erklärt, worauf es ankommt.

Ab Dienstag gilt es für Alexander Zverev in Wimbledon. Deutschlands bester Tennisspieler startet gegen den Spanier Roberto Carballés Baena ins traditionsreichste Turnier der Welt – und startet damit einen neuen Anlauf, zum ersten Mal in seiner Karriere einen Grand-Slam-Titel zu gewinnen. Erst vor wenigen Wochen im Juni unterlag der 27-Jährige im Finale der French Open in Paris nur knapp dem spanischen Superstar Carlos Alcaraz, schrammte erneut haarscharf am langersehnten Major-Titel vorbei. Klappt es nun in London?

Michael Stich wird dann ganz genau hinschauen: Der 55-Jährige ist nicht nur der letzte deutsche Wimbledon-Sieger bei den Herren – Stich gewann 1991 –, er ist auch im Einsatz als Experte für Prime Video, das 2024 erstmals exklusiv die Übertragungsrechte in Deutschland und Österreich hält. Der Streamingdienst überträgt das Turnier jeden Tag mit umfangreichen Live- und Studiosendungen.

Zum Experten-Team des Streamingdienstes gehören neben Stich auch Andrea Petković, Alexander Zverevs älterer Bruder Mischa, Dustin Brown, Barbara Rittner und Sabine Lisicki, die 2011 das Finale an der Church Road erreicht hatte. Moderiert wird die Übertragung vom ältesten Tennisturnier der Welt von Katharina Kleinfeldt und Alex Schlüter.

Im Interview spricht Stich über die große Frage, die sich bei Zverev stellt, über den möglichen Schlüssel zum Erfolg, über die Lage bei Novak Djokovic – und über Angelique Kerber.

t-online: Michael Stich, Wimbledon ist der einzige Grand Slam, in dem Alexander Zverev noch nicht mindestens das Halbfinale erreicht hat. Was erwarten Sie vom besten deutschen Tennisspieler in diesem Jahr?

Michael Stich: Nach seinem tollen Erfolg in Paris sollte Alexander mit viel Selbstvertrauen anreisen. Wenn alles passt, kann er sehr weit kommen.

Zverev kommt als French-Open-Finalist, war zuvor bereits in Australien unter den letzten vier, wirkt stabiler, fokussierter. Hat er in diesem Jahr noch mal einen Schritt nach vorn gemacht?

Auf jeden Fall hat er seine Verletzung gut überwunden und zu alter Stärke zurückgefunden. Und dass er ein großartiger Spieler ist, wissen wir alle.

Er wartet weiter auf seinen ersten Titel auf Rasen. Im vergangenen Jahr kam das Aus bereits in der 3. Runde gegen Matteo Berrettini. Was muss dieses Jahr anders laufen?

Man braucht erst mal ein wenig Glück bei der Auslosung. Er mag Rasen nicht so gerne, und es wird die Frage sein, wie er sich mental auf diesen Belag und die zwei Wochen einstellt. Ich denke, das Minimalziel ist sicherlich das Halbfinale.

Carlos Alcaraz kommt als Titelverteidiger und French-Open-Sieger nach London, gewann sein Auftaktmatch gegen den Esten Mark Lajal am Montag glatt in drei Sätzen – ist er der große Favorit?

Alcaraz gehört zwar zu den Favoriten, aber für mich ist er nicht der Topfavorit. Jannik Sinner hat in Halle hervorragend gespielt und es gibt sicher drei bis vier Spieler, die sich auf Rasen wohlfühlen.

Alcaraz und Jannik Sinner – der am Montag in der ersten Runde den Deutschen Yannick Hanfmann geschlagen hat – haben zuletzt in Paris Fans und Experten begeistert. Ist es auch für Sie das Duell der Zukunft?

Das ist schwer zu sagen, denn man weiß nicht, wie sie dauerhaft mit der Belastung auf und außerhalb des Platzes umgehen. Ich würde mir wünschen, dass es mehrere Spieler gibt, die in den nächsten Jahren Grand-Slam-Turniere gewinnen.

Zusammen haben die beiden bisher insgesamt vier Grand Slams gewonnen – und die eigentliche "Nachfolgegeneration" der Phalanx aus Roger Federer, Rafael Nadal und Novak Djokovic um Zverev, Stefanos Tsitsipas oder Daniil Medwedew überflügelt. Warum tun sich die 90er-Jahrgänge anscheinend so schwer?

Ich denke, das müssen Sie diese Spieler selbst fragen. Aber bei Zverev und Tsitsipas ist vielleicht einer der Gründe, dass sie immer noch mit den gleichen Trainern arbeiten.

Das müssen Sie erklären.

Ich bin der Meinung, dass man sich neuen Input, einen neuen Reiz holen sollte, um sich weiterzuentwickeln. Vielleicht liegt da der Schlüssel.

Von den drei Großen ist nur noch Djokovic voll dabei, musste sich in Paris aber verletzt zurückziehen. Nun will er ein erfolgreiches Blitz-Comeback schaffen. Wie sehen Sie den "Djoker" an diesem Punkt seiner Karriere?

Er wird älter, er wird verletzlicher und die Jungen drücken. Nur er selbst weiß, wie stark er mental sein muss, um dagegenzuhalten.

Bei den Damen gab es bei den letzten zehn Austragungen neun verschiedene Siegerinnen …

Das mögen manche als schlecht bewerten. Ich finde es gut, weil es zeigt, wie groß die Dichte im Frauentennis ist und auch wie schwierig es ist, auf Rasen zu spielen. Denn einen Erfolg dort zu wiederholen, ist eine echte Herausforderung.

Gras ist bekanntermaßen nicht der Lieblingsbelag der Weltranglistenersten, Iga Świątek. Was fehlt ihr auf Rasen?

Ich denke, sie müsste ihr Spiel etwas anpassen. Auf Rasen ist es oft nicht möglich, einen Punktgewinn mit drei oder vier Schlägen vorzubereiten, sondern manchmal ist schon der erste Schlag entscheidend. Aber auch hier glaube ich, dass es hauptsächlich an der mentalen Einstellung liegt. Wenn ich mir nur kurz einrede, dass Rasen nicht mein Lieblingsbelag ist, werde ich nicht mein bestes Tennis spielen.

Ist sie trotzdem die Top-Favoritin?

Auf jeden Fall gehört sie mit zum Favoritenkreis.

Angelique Kerbers Triumph in Wimbledon ist sechs Jahre her, seitdem ist viel passiert. Sie geht ohne Erfolgserlebnis ins Turnier. Ist trotzdem eine Überraschung möglich?

Ich wünsche es ihr sehr, denn sie hat eine großartige Karriere bis hierher. Aber ehrlicherweise glaube ich nicht, dass sie eine Überraschung schaffen kann. Die junge Generation spielt noch mal auf einem anderen Level, als Angelique es zurzeit tut.

Wimbledon 2024 ist indes der Grand-Slam-Einstand für Prime Video. Sie sind dabei, in einem hochkarätig besetzten Team. Worauf freuen Sie sich besonders?

Ich freue mich besonders darauf, die Atmosphäre von Wimbledon wieder als Kommentator zu spüren. In der Prime-Video-Kommentatoren-Box zu sitzen und ganz dicht dran zu sein, ist sehr besonders.

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Was genau wird Ihre Aufgabe für Prime Video sein?

Ich bin natürlich in erster Linie als Experte dabei. Als ehemaliger Sieger des Turniers habe ich sicherlich einige Insights, die für unsere Zuschauer interessant sein können. Auch im Studio den Tag zu analysieren, wird Teil meiner Aufgabe sein. Und den einen oder anderen Blick hinter die Kulissen werden wir sicher auch werfen.

Sie sind bis heute der letzte deutsche Spieler, der auf dem Centre Court gewinnen konnte. Spricht man so noch mal mit einem ganz anderen Blick auf das Turnier – und wie hat sich Wimbledon seitdem verändert?

Natürlich versuche ich, den Zuschauern die Erfahrungen aus meiner aktiven Zeit zu vermitteln. Das macht es hoffentlich interessanter. Wimbledon hat sich als Event enorm weiterentwickelt und sich den technischen Herausforderungen bravourös gestellt. Dennoch hat es der Club (der Wimbledon-Veranstalter "All England Lawn Tennis and Croquet Club", Anm. d. Red.) geschafft, seine Klasse und seine Traditionen zu bewahren. In meinen Augen ist dies ein echtes Meisterstück und macht das Turnier einmal mehr zu etwas ganz Besonderem.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Michael Stich
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