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Ex-NFL-Spieler Kasim Edebali: "Es geht ums Geld. Da sind Gefühle egal"


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Vor Bradys Gastspiel in München
Deutscher Ex-NFL-Profi: "Es geht ums Geld. Da sind Gefühle egal"

  • David Digili
InterviewVon David Digili

Aktualisiert am 17.11.2022Lesedauer: 7 Min.
Kasim Edebali 2016 im Dress der New Orleans Saints. Beim Team aus Louisiana spielte der Hamburger zu Beginn seiner Karriere drei Jahre lang.Vergrößern des Bildes
Kasim Edebali 2016 im Dress der New Orleans Saints. Beim Team aus Louisiana spielte der Hamburger zu Beginn seiner Karriere drei Jahre lang. (Quelle: imago sportfotodienst via www.imago-images.de)
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Der ehemalige NFL-Spieler spricht über das erste Ligaspiel der großen Stars in Deutschland, verrät Lehren aus seiner Zeit in der Liga – und erklärt einen Schlüsselmoment.

Los geht es um 15.30 Uhr an diesem Sonntag. In der Münchner Allianz Arena. Aber es spielt nicht der FC Bayern. Es stehen auch zwei ganz andere Tore an den Enden des Spielfelds. Denn das Stadion erlebt eine Premiere. Tampa Bay Buccaneers gegen Seattle Seahawks. Football-Grande Tom Brady in der beschaulichen bayrischen Landeshauptstadt. Das erste NFL-Spiel in Deutschland überhaupt wird an diesem Sonntagnachmittag gleich für mehrere historische Momente sorgen.

Einer, der ganz genau hinschauen wird, ist Kasim Edebali. Der Hamburger spielte von 2014 bis 2019 für mehrere Teams in der besten und populärsten Football-Liga der Welt – als einer der wenigen Deutschen. Setzt nun ein Football-Boom in der Bundesrepublik ein? Die Hoffnungen der NFL sind groß.

Im Interview mit t-online spricht Edebali über die Zukunft des Sports in Deutschland, über ein Imageproblem – und erinnert sich an ein prägendes Erlebnis aus seiner Zeit in den USA.

t-online: Kasim Edebali, Ihre Mutter bezeichnet Sie liebevoll als "gnadenlosen Optimisten"…

Kasim Edebali: (lacht)

Wie stellt sich der gnadenlose Optimist Kasim Edebali denn die Zukunft der NFL in Deutschland vor – nach dem ersten Ligaspiel in München an diesem Sonntag?

Ich würde erst mal sagen: Es ist ein wichtiger erster Schritt. Ich hoffe, dass die NFL-Verantwortlichen dermaßen beeindruckt sein werden, dass sie sagen: Wir brauchen auch Spiele in Berlin, wir brauchen auch Spiele in Düsseldorf, wir brauchen auch Spiele in Frankfurt. Und dann auch Camps in Deutschland, die die NFL federführend organisiert, und die ein Budget zur Talentförderung zur Verfügung stellt. Davon würden gleich mehrere Generationen profitieren: Die neue, die jetzt erst mit Football in Kontakt kommt. Dann die aktuelle, die jetzt gerade schon Football spielt und von der NFL träumt. Und auch die ältere, die sich einfach über mehr Football in Deutschland freuen würde.

Sie sehen großes Potenzial?

Man muss sich ja nur mal das London-Spiel anschauen.

Dort gibt es bereits seit Jahren Saisonspiele der NFL.

Ich habe da das Gefühl, die Hälfte des Londoner Stadions ist aus Deutschland (lacht). Ich bin mir gerade deshalb auch sicher, dass es in Zukunft wie in London auch in Deutschland nicht nur ein Spiel geben wird, sondern mehrere – der Hype wird einfach immer größer und größer.

Man bietet wohl auch nicht ohne Grund einen echten Hochkaräter auf: Quarterback-Grande Tom Brady mit seinen Tampa Bay Buccaneers gegen die Seattle Seahawks.

Wir reden hier über einen der besten Quarterbacks aller Zeiten, wenn nicht sogar den besten, ein Aushängeschild. Wie viele Tom-Brady-Trikots habe ich schon in Deutschland gesehen. Und jetzt spielt er hier, du kannst ihn dir live anschauen. Frank Buschmann (Sportkommentator, Anm. d. Red.) hat mir mal erzählt, er war damals bei einem Spiel der Chicago Bulls dabei und konnte Michael Jordan in Person sehen. Wie viel ihm das bedeutete! Und genauso wird das für die Brady-Fans am Sonntag im Stadion sein.

Wie erklären Sie sich diese wachsende NFL-Begeisterung in Deutschland?

Es ist die immer größere Nähe. Als ich groß geworden bin, da hattest du die NFL auf DSF oder Premiere. Heutzutage ist das ganz anders.

Streaming-Dienste, Social Media ...

Eine persönliche Geschichte: Mein Schwager Cam Jordan (Defensive End der New Orleans Saints, Anm. d. Red.), der sich nach dem Training bei mir meldet. Den kann ich dann einfach fragen: "Wie sieht's denn gerade im Locker Room aus?" Oder Jakob Johnson, der dienstags einen Podcast hat. Er kommt direkt vom Training und macht mit Icke (Ran-Moderator Icke Dommisch, Anm. d. Red.) einen Podcast. Du bist als Fan also wirklich mittendrin, als wärst du dort vor Ort.

Wie haben Sie diese Nähe in den USA erlebt?

Ein Beispiel: Jeden Montag haben die NFL-Teams ihre "Community Service"-Events. Die Spieler kommen mit Leuten in ihren Städten zusammen oder machen was mit Kindern – das Menschliche steht da im Vordergrund, und so entsteht dann auch eine emotionale Verbindung. Und das hat auch auf mich abgefärbt, als ich dort gesehen habe: Die gehen raus und sind engagiert – und nicht, weil es "gute PR" war, sondern weil es von Herzen kam. Da ging es nicht darum, ob Kameras dabei waren, sondern einfach darum, das Leben anderer Menschen besser zu machen.

In Deutschland könnten sich aber auch noch Hürden auftun. Sebastian Vollmer hat bei uns im Interview gesagt, die NFL habe als Kontaktsport in Deutschland einen schlechten Ruf.

Ich weiß genau, was er meint. Als die UFC damals anfing in den USA, wurde gesagt: "Das ist ja barbarisch" – und heute haben die riesige Einschaltquoten. Genauso, wie sich die UFC auch als "Art", also als "Kunst" bezeichnet, würde ich das auch über Football sagen. Es kann zuerst abschreckend wirken, wenn man sieht, wie diese großen Typen auf sich einhauen (lacht). Aber je mehr man sich mit der Materie beschäftigt, dann sieht man auch das Talent und das Können dahinter und hat auch eine Wertschätzung für den Sport.

Gesteigerte Medienpräsenz kann da nur helfen.

Ich erinnere mich noch: Vor zehn Jahren, wenn ich da mal einen Fernsehauftritt hatte, um über Football zu sprechen, da wurde mir oft gesagt: "Kasim, das musst du doch mal kurz erklären. Was ist denn jetzt ein 'First Down'?" (lacht) Mittlerweile aber ist beim Publikum eine viel größere Fachkenntnis da. Und noch etwas …

Ja?

Als ich Jugendlicher war, da hatten wir drei, vier Spieler aus Deutschland, die in den USA an der Highschool waren. Das war schon viel, da dachte man schon: "Wow, die sind an der Highschool." Jetzt siehst du im Grunde, wie jeden Monat ein Deutscher an eine Highschool geht. Es gibt auch viel mehr Deutsche an den Colleges, auch durch das IPP.

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Das "International Player Pathway Program", das die Anzahl internationaler Spieler in der NFL erhöhen soll.

Genau. Und dadurch wird auch der Pool an deutschen Spielern für die NFL immer größer. Wir sind da auf einem sehr guten Weg, nicht nur die Begeisterung der Fans weiter auszubauen, sondern vor allem auch, für Spieler den Pfad in die NFL zu ebnen.

Was hat Sie in Ihrer Zeit in der NFL besonders geprägt?

Mir wurde dort ganz früh mitgegeben: Mit deinem ersten Vertrag hast du noch nicht ausgesorgt, du brauchst danach einen zweiten, um finanziell gesichert zu sein. Und dann sah ich dort die Jungs, die eben schon ihren zweiten Vertrag hatten: gestandene Spieler, die bereits fünf, sechs, sieben Jahre in der Liga waren, und deren Herangehensweise. Immer wieder bekam ich gesagt: Die besten Teams bestehen aus Spielern, die sich erst um alle anderen kümmern und dann erst um sich selbst. "Ich" kommt nie an erster Stelle.

Der viel beschworene Teamspirit …

Und das färbt dann auch auf andere Lebensbereiche ab. Das habe ich aus dem Football mitgenommen.

Ihr biografisches Buch "Dream Chaser: Aus Hamburg in die NFL" durchzieht tatsächlich eine unerschütterlich positive Einstellung. Ihr Freund und früherer NFL-Kollege Björn Werner (u.a. von 2013-2015 Defensive End der Indianapolis Colts, Anm. d. Red.) sagt dort, Sie seien der "Klassenclown" – im besten Sinne des Wortes.

Ich weiß noch, wie ich meiner Mutter dieses Zitat von Björn im Buch gezeigt habe und sie direkt sagte: "Nein, nimm das mal besser raus." (lacht) Im Ernst: Das Wichtigste, was ich in meinem Leben gelernt habe, ist, dass es sehr hart und sehr unfair sein kann – und das auch noch, ohne dabei Sinn zu machen. Wenn ich dann auch noch negativ werden würde, wäre alles noch viel schwieriger. Beispielsweise am College, als mich der Coach nicht spielen ließ. Dich selbst in solchen Fällen als Opfer zu sehen, hilft dir auch nicht dabei, eine Lösung zu finden. Oder als Free Agent in der NFL …

Als vertragsloser Spieler …

… da bist du bei Tryouts (Probetrainings, Anm. d. Red.) immer als Letzter an der Reihe. Es kommen zehn Leute dran, bevor du endlich loslegen darfst. Aber ich habe dann eben immer auf meine Chance gewartet und diese genutzt.

Kasim Edebali schreibt in "Dream Chaser – Aus Hamburg in die NFL" über seinen Werdegang mit allen Höhen und Tiefen. Der Sohn einer Deutsch-Türkin und eines US-amerikanischen Soldaten wagte 2007 mit 18 Jahren den Schritt an eine Highschool in den USA, schaffte es zwei Jahre später von der Kimball Union Academy in New Hampshire ans Boston College. 2014 dann klappte es mit der NFL. Stationen: New Orleans Saints (2014–16), Denver Broncos, Detroit Lions, L.A. Rams, noch einmal New Orleans (alle 2017), Chicago Bears, Cincinnati Bengals (beide 2018), Philadelphia Eagles, Oakland Raiders (2019). Edebali ist oft zu Gast im Podcast "Football Bromance" seines Freundes Björn Werner, dazu Co-Host des Podcasts "Euro Ballers", der sich besonders der neuen European League of Football (ELF) widmet.
Das Buch ist unter anderem direkt beim FinanzBuch Verlag und bei Amazon erhältlich.

Stets auf dem Sprung, sich ständig beweisen müssen, kaum wirklich Sicherheit – stellt man den Sport da auch mal in Frage?

Es ist ein Business, in dem es um viel Geld geht. Da sind Gefühle egal. Es geht ums Geld und es geht ums Gewinnen. Wenn das beides nicht erfüllt ist, dann hilft auch das größte Mitgefühl oder die größte Sympathie nichts, das ist dann sekundär. Natürlich muss man erst einmal lernen, damit klarzukommen.

Wären Sie auch ohne Ihre Positivität damit klargekommen, hätten Sie es auch ohne diesen Charakterzug geschafft?

Ich weiß es nicht. Ich bin aber der festen Überzeugung: Aus Tiefpunkten gewinnst du wieder Kraft, Bestleistung zu bringen. Ich glaube, das hat mir geholfen.

Emotional wird es in Ihrem Buch, wenn es um das enge Verhältnis zu Ihrer Mutter geht, spannend und bewegend, wenn Sie von Ihren Erlebnissen, aber auch von Schicksalsschlägen erzählen. War es auch eine Art Aufarbeitung für Sie?

Auf jeden Fall. Ich hatte mehrfach bei der Arbeit am Buch in verschiedenen Kapiteln Momente, in denen ich meinen eigenen Text las und dachte: "Wow, stimmt, das ist dir wirklich so passiert (lacht)." Für mich war das Berührendste, das mir dabei wieder aufgefallen ist – und das soll auch die Botschaft meines Buchs sein: So unmöglich ein Ziel auch scheint – wenn du dich mit den richtigen Menschen umgibst, dann ist das ganze Leben wie ein Fluss, und diese Menschen halten dich immer auf dem richtigen Weg.

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