Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.DFB wechselt Ausrüster Null Gespür
Der DFB beendet nach über sieben Jahrzehnten die Zusammenarbeit mit Adidas. Fans laufen Sturm. Dabei ist der Aufreger eigentlich etwas ganz anderes.
Es hätte so schön sein können. Die Präsentation der neuen deutschen Trikots für die anstehende Fußball-Europameisterschaft im eigenen Land erhält seit Tagen viel positives Feedback, ebenso die ungewohnte Selbstironie in den begleitenden Werbespots. Schau mal an, die DFB-Elf kann ja doch locker, frisch und sympathisch.
Anstatt aber dieses Momentum – nach Jahren der enttäuschenden Ergebnisse, des internen Chaos und des Fan-Frusts – für sich und die erhoffte EM-Euphorie zu nutzen, verdingt sich der Deutsche Fußball-Bund als Stimmungskiller.
Die Entscheidung des Verbands, die deutschen Nationalmannschaften nach über sieben Jahrzehnten nicht mehr von Adidas, sondern von Nike ausstatten zu lassen, bewegt Deutschland. Tradition werde mit Füßen getreten, unvorstellbar sei der Ausrüsterwechsel, ein Bruch mit der glorreichen deutschen Fußballgeschichte, ein Skandal.
Doch der eigentliche Skandal ist – bei aller verletzter Nostalgie – nicht, dass der viermalige Weltmeister künftig nicht mehr mit drei Streifen, sondern mit Häkchen auf der Brust auflaufen wird. Der eigentliche Skandal ist: Der DFB lernt einfach nicht dazu.
Probleme, wo keine sind
Anders ist nicht zu erklären, wie der größte Einzelsportverband der Welt erneut mit traumwandlerischer Sicherheit das eigene Image torpediert, den Spielverderber spielt wie der Schulhausmeister, der der Mittelstufenparty in der Aula um 22 Uhr den Saft abdreht. In Anlehnung an einen der Spots: Das ist nicht "typisch deutsch", das ist "typisch DFB".
Mitten hinein in die erfreulich zuversichtliche Stimmung nach der Nominierung des Kaders für die anstehenden Testspiele durch Bundestrainer Julian Nagelsmann, dem Launch der neuen Spielkleidung und der damit einhergehenden Werbekampagne: der Nike-Hammer. Eine Mitteilung, die gut und gerne noch bis mindestens nach der Heim-EM hätte warten können.
Erinnern Sie sich noch an vergangenes Jahr, als mitten hinein in den Jubel um den Weltmeistertitel der deutschen Basketballer die Trennung von Bundestrainer Hansi Flick verkündet wurde? Ein Lerneffekt ist ausgeblieben. Stattdessen: Weiterhin null Gespür, null Instinkt für den richtigen Zeitpunkt, für das richtige Zeichen.
Er habe sich "ein Stück mehr Standortpatriotismus gewünscht" bei der Entscheidung, erklärte folgerichtig auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck am Donnerstagabend. Der DFB liefert sich selbst ans Messer, schafft Probleme, wo keine waren. Die Frage drängt sich auf: Was ist mit denen denn bloß los?
Treuer Partner überrumpelt
"Wir sind dankbar, aufgrund des von Nike zugesagten Engagements als Verband wieder in eine wirtschaftlich stabile Zukunft blicken zu können", gab die DFB-Spitze in der Pressemitteilung freimütig zu, und der Anstand gebietet es, zumindest die Offenheit der ansonsten berüchtigt verdrucksten Funktionäre zu würdigen. Mehr Lobenswertes gibt es an dieser insgesamt dem neuen Geldgeber gegenüber entlarvend devot formulierten Erklärung schließlich nicht.
Wie soll die PR-Abteilung künftig Tradition und Verbundenheit zur Nationalmannschaft einfordern können, wenn die eigenen Chefs demonstrieren, dass man sich Tradition und Verbundenheit nur so lange verbunden fühlt, bis ein neuer Geldgeber den Mammon mit dem Rechen rübergabelt – und der langjährige treue Partner am selben Tag mit der Entscheidung zur Trennung überrumpelt wird, ganz nach dem Motto: Danke für nichts?
Und wie verlogen klingt dann die hastig auf X nachgeschobene Erklärung, man verstehe "jede Emotionalität. Auch für uns als Verband ist es ein einschneidendes Ereignis, wenn feststeht, dass eine Partnerschaft, die von vielen besonderen Momenten geprägt war und ist, nach mehr als 70 Jahren zu Ende geht. Das lässt uns nicht kalt"?
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Nach der Basketball-Posse aus dem September 2023 ist es nun schon das zweite Kommunikationsdesaster des DFB innerhalb weniger Monate.
Es hätte so schön sein können. Die Trikots, die Werbespots. Aber die stammten ja auch nicht in erster Linie vom DFB, sondern von der Agentur Jung von Matt Sports – und Adidas.