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Barcelona-Legende Hristo Stoichkov: "Ich habe mir viele Feinde gemacht"


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DFB-Schreck Stoichkov
"Das war mein Bild, das ich von den Deutschen hatte"

  • Dominik Sliskovic
InterviewVon Dominik Sliskovic

Aktualisiert am 24.03.2022Lesedauer: 7 Min.
Hristo Stoichkov (li.): Auch DFB-Manndecker Jürgen Kohler (re.) konnte Bulgariens Superstars im WM-Viertelfinale 1994 nicht aus dem Spiel nehmen.Vergrößern des Bildes
Hristo Stoichkov (li.): Auch DFB-Manndecker Jürgen Kohler (re.) konnte Bulgariens Superstars im WM-Viertelfinale 1994 nicht aus dem Spiel nehmen. (Quelle: Allstar/imago-images-bilder)

Hristo Stoichkov war Europas Fußballer des Jahres, WM-Halbfinalist, Barça-Star. Im t-online-Interview erinnert er sich an den legendären WM-Sieg über die DFB-Elf und warum er vor dem Spiel arrogant auftrat.

Er war einer der prägendsten Fußballer der 1990er-Jahre: Hristo Stoichkov. Sieben Jahre ging der bulgarische Stürmer für den FC Barcelona auf Torejagd, errang in der goldenen Ära unter Trainer Johan Cruyff vier spanische Meisterschaften und den Europapokal der Landesmeister. Deutsche Fußballfans dürften mit ihm besonders eine Partie verbinden: das WM-Viertelfinale 1994 zwischen Deutschland und Bulgarien.

Im t-online-Interview erinnert sich Stoichkov an den legendären Sieg gegen den amtierenden Weltmeister und berichtet von den Fehlern, die nach dem historischen Erfolg begangen wurden. Zudem blickt er auf seinen im Umbruch befindlichen Ex-Klub Barça und verrät, ob und welche Zukunft er für Erling Haaland beim katalonischen Traditionsklub sieht.

t-online: Herr Stoichkov, 1994 wurden Sie als Europas Fußballer des Jahres ausgezeichnet. Vorausgegangen war unter anderem der 4. Platz bei der WM in den USA mit der Nationalmannschaft Bulgariens. Im Viertelfinale schlugen Sie, auch dank eines Treffers von Ihnen, als glasklarer Außenseiter Weltmeister Deutschland. Wie gingen Sie die Partie damals an?

Hristo Stoichkov (56): Sehr, sehr gelassen. Wir glaubten an uns. Wir wussten zwar, wie stark die DFB-Elf war, aber wir wussten auch: Wir sind kein Deut schwächer. Wir hatten doch auch nichts zu verlieren, schließlich spielten wir gegen den amtierenden Weltmeister!

Ich erinnere mich noch an ein Interview, das ich vor der Partie gab. Ich sagte auf Deutsch: „Eins zu zwei zu drei.” Und so kam es am Ende ja auch fast. Wenn ich mir das Interview heute anschaue, sah ich so arrogant aus, dabei war ich nur am herumscherzen. Ich hatte Riesenrespekt vor Deutschland und seinem Fußball. "Eiserne Männer mit eiserner Disziplin", das war das Bild, das ich von dieser Mannschaft hatte. Bis heute habe ich viele gute Freunde aus dieser Generation. Lothar Matthäus, Rudi Völler, Jürgen Klinsmann – auch dank dieses Julitags in New York 1994.

Änderte sich nach dem Sieg die Wahrnehmung Ihrer Person und des bulgarischen Fußballs in Deutschland? Traten etwa Bundesligaklubs mit Angeboten an Sie heran?

Es gab keinen deutschen Klub, der meine Ablöse hätte zahlen können. Zudem wollte ich dem FC Barcelona treu bleiben. Ich wollte nicht einmal an einen möglichen Transfer denken. Ein paar Beispiele: Manchester United und Newcastle wollten mich nach der WM verpflichten, Paris Saint-Germain legte mir einen Vertrag vor, der mich zum bestbezahlten Fußballer der Welt gemacht hätte. Aber jeder hat nun einmal seinen Platz.

Bundesliga-Fans erinnern sich noch gut an Ihre Landsmänner Krassimir Balakov und Dimitar Berbatov. Fußballer dieser Klasse hat Bulgarien jedoch seit einigen Jahren nicht mehr hervorgebracht. Womit erklären Sie sich das?

Bulgarien hat es verpasst, auf den Erfolg von 1994 weiter aufzubauen. Ich habe diesen Standpunkt in den vergangenen Jahren wiederholt vertreten und mir damit viele Feinde gemacht. Irgendwann entschied ich mich, mich nicht weiter zu dieser Thematik zu äußern. Fakt ist: Jede einzelne Person, die in den vergangenen 30 Jahren im bulgarischen Fußball tätig war – mich eingeschlossen – ist an diesem Versagen mitschuldig.

2022 jährt sich zum 30. Mal Ihr größter Erfolg als Fußballer: Barcelonas erster Triumph im Europapokal der Landesmeister, der späteren Champions League. Wie werden Sie das Jubiläum begehen?

Sind wirklich schon 30 Jahre vergangen? Für mich fühlt es sich wie gestern an. Dieser 20. Mai wird auf ewig in goldenen Lettern in der Geschichte meines geliebten FC Barcelona niedergeschrieben sein, er war der Beginn der ruhmreichsten Jahre des Vereins. Natürlich werde ich dieses Jubiläum begehen. Ich werde mit meinen alten Freunden telefonieren: José Mari Bakero, Txiki Begiristain, Pep Guardiola, Julio Salinas, Ronald Koeman – ich könnte sie alle auf der Stelle aufzählen.

Der Triumph gegen Sampdoria Genua im Wembley-Stadion gilt als der Höhepunkt des sogenannten "Dream Team", das Trainer Johan Cruyff um Sie, Pep Guardiola und Ronald Koeman aufgebaut hatte. Was macht dieses Team bis heute zu einer solchen Ausnahmeerscheinung?

Johan Cruyff ist wohl das größte Genie der Fußballgeschichte. Sowohl als Spieler als auch Trainer. Bevor er mich verpflichtete, machte er sich viele Gedanken über mich – bis er alles wusste: über meine Familie, meine Probleme, meine Stärken. Er wusste, wie er das Beste aus mir kitzelt. So wie bei allen anderen Spielern, die er trainierte. Denn er wusste: Das "Dream Team" sind nicht nur Pep, Ronald und ich, sondern jeder einzelne Spieler in der Mannschaft.

Die Vorzeichen waren himmlisch, Barça beherrschte die spanische Liga, holte vier Titel in Folge. Warum blieb es am Ende trotzdem nur bei dieser einen Europapokal-Trophäe?

Natürlich hätten wir liebend gern noch mehr Titel gesammelt. Aber so ist der Fußball: Du kannst besser sein und doch am Ende verlieren. Wir sind stolz darauf, das erste Team gewesen zu sein, dass die wichtigste Trophäe im europäischen Vereinsfußball nach Barcelona brachte. Wir waren der Anfang einer strahlenden Zukunft, die sich im neuen Jahrhundert mit Lionel Messi offenbarte.

Johan Cruyff wäre dieses Jahr 75 Jahre alt geworden. Rückblickend gilt er als visionär, aber auch als streitlustig. Wie haben Sie den Trainer, aber auch den Menschen Cruyff in Erinnerung behalten?

Cruyff ist eine der Personen, die den Fußball überhaupt erst zum populärsten Sport der Welt machte. Und Cruyff war es auch, der mir meine Weltkarriere erst ermöglichte. Er entschied sich, mich zu verpflichten, nachdem ich für CSKA Sofia im Halbfinale des Europapokals der Pokalsieger 1989 drei Tore gegen Barcelona schoss. Wäre Cruyff nicht so überzeugt von mir gewesen, hätte ich mir den Schritt damals noch nicht zugetraut.

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Er konnte so viele Facetten in mir wecken: Wut, Ruhe, Motivation. Er hatte immer nur mein Bestes im Sinn. Auch außerhalb des Platzes. Wir waren eng befreundet, liebten es, gemeinsam Golf zu spielen. Ich vermisse Johan Cruyff. So sehr.

Eine Person, die Barcelona ähnlich stark geprägt hat wie Cruyff, ist Lionel Messi. Erkennen Sie bereits heute, in welche Richtung sich der Klub sportlich ohne ihn entwickeln dürfte?

Leo ist der größte Spieler in der Geschichte Barcelonas. Aber er ist auch der Beweis, dass der Klub nicht abhängig von Einzelpersonen ist. Die aktuellen Ergebnisse beweisen das. Barça durchlebt gerade eine schwierige Zeit, aber wird schon bald zu alter Größe zurückkehren. So war es doch schon, nachdem das "Dream Team" auseinanderbrach. Der Klub litt – und brachte Xavi, Iniesta und Messi hervor. Die Nachwuchsakademie La Masia ist ein endloser Quell an Talent. Ich kann Barcelona-Fans nur zurufen: Habt Geduld!

Zuletzt häuften sich die Gerüchte, wonach Barcelona an einer Verpflichtung Erling Haalands arbeite. Vom Spielertyp dürfte Haaland Ihnen ähnlicher sein als Messi. Könnte diese Beziehung fruchtbar werden?

Barça hat einen tollen Trainer: Xavi. Und es ist sein Job, die Transferpolitik des Klubs zu kommentieren, nicht meiner. Haaland ist noch sehr jung, beweist aber bereits, dass er einen einmaligen Torriecher hat. Ich denke, es gibt keinen Klub auf der Welt, der ihn nicht in seinen Reihen haben will. Nun ist es an Xavi zu beantworten, ob Haaland in seine Vision passt.

Da wir von Haaland sprechen: Worauf wird in der Nachwuchsarbeit in Bulgarien besonders Wert gelegt? Technik, Taktik, Zweikampfverhalten?

Unser größtes Problem ist: Wir kreieren nicht genügend Talente. Wir kriegen es nicht hin, in den Kindern das Feuer für das Spiel zu entfachen. Früher waren wir Bulgaren immer berühmt für unsere Technik – uns fehlt es nämlich an Schnelligkeit (schmunzelt).

Gibt es das eine bulgarische Talent, dem Sie zeitnah den Durchbruch beispielsweise in der Bundesliga zutrauen?

Leider sehe ich einen solchen Spieler nicht. Nach der WM 1994 hatte nahezu jedes Bundesligateam einen Bulgaren im Kader. Balakov in Stuttgart, Kostadinov bei den Bayern, Letchkov und Hubchev beim HSV, Yankov in Uerdingen, Tsvetanov in Cottbus. Später kamen noch Berbatov in Leverkusen, Petrov in Wolfsburg, Hristov in Kaiserslautern dazu. Ihr habt uns echt gemocht (schmunzelt).

Aktuell gibt es in den Top-5-Ligen Europas nur einen Bulgaren: Petko Hristov beim italienischen Erstligisten Spezia Calcio. Und der ist nicht einmal Stammspieler. Das allein beweist, dass etwas schiefläuft.

Sie sind als Besitzer Ihres Ex-Klubs CSKA Sofia dem bulgarischen Fußball verbunden geblieben. Wie wirken Sie in Ihrer Rolle auf das Tagesgeschäft des Vereins ein?

Da ich im Ausland lebe, kann ich bei den alltäglichen Problemen nicht helfen. Meine größte Stärke ist, dass ich CSKA in- und auswendig kenne. Und was der Klub aktuell am dringendsten braucht, ist ein neues Stadion. Mit dem Unternehmer Grisha Ganchev an der Spitze entwickelt sich der Verein in eine richtige Richtung, sodass ich davon überzeugt bin, dass wir dieses Ziel bald erreichen können.

CSKA stand 1982 gegen den FC Bayern im Landesmeister-Halbfinale, 1989 mit Ihnen im Pokalsieger-Halbfinale gegen Barcelona, in der aktuellen Saison war in der drittklassigen Conference-League nur der letzte Platz in der Gruppenphase drin. Was muss sich tun, damit solche früheren Großklubs aus Osteuropa wieder beständig Fuß fassen können im Europapokal? Inwiefern nehmen Sie da auch die Uefa in die Pflicht?

Das Geld hat den Fußball stark verändert. Die Klubs aus den reichsten Ländern haben auch das meiste Geld und haben deshalb die besten Teams. Bevor der Eiserne Vorhang fiel, waren die Bedingungen noch deutlich ausgeglichener. Doch nun ist die Kluft einfach zu groß geworden. Darunter leiden viele großartige Klubs – nicht nur CSKA. Sobald ein Spieler eines osteuropäischen Klubs eine gute Saison spielt, wechselt er. Finanziell ist das natürlich gut für ihn und den Klub. Doch so wachsen keine Mannschaften mehr zusammen.

Heutzutage wäre es beispielsweise für CSKA unmöglich, mich, Luboslav Penev (spanischer Meister 1996 mit Atletico Madrid), Emil Kostadinov (Uefa-Pokalsieger 1996 mit dem FC Bayern) und Trifon Ivanov (stand 1996 mit Rapid Wien im Finale des Europapokal der Pokalsieger, starb 2016 im Alter von 50 Jahren) fünf Jahre gemeinsam im Klub zu halten. Ich bin mir sicher: Wir vier und unsere frühere CSKA-Mannschaft könnten heute jedes Team der Welt schlagen.

Sie leben bereits seit mehreren Jahren überwiegend in den USA, arbeiten dort als TV-Kommentator. Weshalb liegt Ihnen das Land und dieser Job so sehr?

Ich habe meine Karriere 2003 in den USA beendet (beim MLS-Klub D.C. United, Anm. d. Red.) und habe den größten Respekt für dieses Land. Ich lebe in Miami und arbeite seit nun schon zehn Jahren als Reporter für TUDN (spanischsprachiger Sportsender in den USA, Anm. d. Red.). Der Job ist eine einzige Freude. All die Spiele, die ich kommentieren darf, all die Interviews, die ich rund um die Welt führen darf. In den vergangenen sechs Monaten ermöglichte mir der Job etwa meine Freunde Roberto Mancini, Didier Deschamps, Gigi Buffon, Txiki Begiristain und Pep Guardiola wiederzusehen. Diese Momente bleiben für immer.

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