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WM-Debakel und Abstieg: Warum die Weltmeister-Generation 2018 abgestürzt ist


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WM-Debakel und Abstieg
Warum die Weltmeister-Generation 2018 abgestürzt ist


Aktualisiert am 27.12.2018Lesedauer: 6 Min.
Der bittere Moment des Ausscheidens: Thomas Müller und Mitspieler nach dem 0:2 gegen Südkorea.Vergrößern des Bildes
Der bittere Moment des Ausscheidens: Thomas Müller und Mitspieler nach dem 0:2 gegen Südkorea. (Quelle: Sven Simon/imago-images-bilder)
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Sechs Niederlagen – das Kalenderjahr 2018 ist das schlechteste in der Geschichte der Fußball-Nationalmannschaft gewesen. Die Probleme wurden verdrängt und verschleppt.

Die Nationalelf hat in diesem Jahr Geschichte geschrieben. Nicht aber mit der historischen Titelverteidigung bei der WM, wie sie der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und Bundestrainer Joachim Löw geplant hatten. Sondern mit dem ersten Vorrunden-Aus einer deutschen Mannschaft.

Was waren die Gründe? Und was können die Verantwortlichen des DFB daraus für die Zukunft lernen? Der Absturz der Weltmeistergeneration von 2014 in vier Kapiteln.

Kapitel 1: Die große Warnung

Das Länderspieljahr 2018 begann im März mit zwei harten Testspielen. Gegen Spanien war das deutsche Team lange Zeit hoffnungslos unterlegen, konterte die Iberer aber mit zunehmender Spielzeit eiskalt aus und erreichte noch ein 1:1. Doch der Test im Berliner Olympiastadion wenige Tage später gegen Brasilien legte alle Probleme schonungslos offen: Gegen die defensiv ausgerichtete "Seleção" konnte sich die DFB-Elf kaum eine Torchance erspielen und verlor am Ende mit 0:1.

Löw hatte rotiert und einigen jungen Spielern wie Leroy Sané eine Chance in der Startelf gegeben. Sie ließen sie ungenutzt. Mittelfeld-Boss Toni Kroos schimpfte anschließend vor laufender Kamera im ZDF: "Wenn man in so einem Spiel die Möglichkeit bekommt, kann man eine andere Körpersprache erwarten. Einige hatten die Chance, sich zu zeigen, aber das haben sie nicht getan."

Dieser Satz hätte eine Warnung an den Bundestrainer sein können, dass es in der Mannschaft zwischen der Generation der Weltmeister von 2014 und den jüngeren Talenten nicht stimmt. Die erschreckend harmlose Offensivleistung hätte zudem Anlass sein können, die eigene Taktik zu überdenken. Warum überragt ein Spieler wie Leroy Sané im Klub, nicht aber im DFB-Trikot? Doch eine große Debatte über den teilweise einschläfernden Ballbesitz-Fußball gab es nicht. Die Unterlegenheit in beiden Testspielen wurde als Ausrutscher abgetan.

Löw sagte: "Jede Mannschaft hat ja mal einen Tag, an dem es nicht so läuft."

Kapitel 2: Der Sport als Nebensache

Auf die Mission Titelverteidigung bereitete sich das DFB-Team ab dem 23. Mai in einer Wohlfühloase in Eppan (Südtirol) vor. Eine halb-öffentliche Trainingseinheit gab es dort, die Tickets wurden an Sponsoren und Nachwuchsmannschaften aus der Region verteilt. Ansonsten blieb der DFB-Tross unter sich. Löw verbreitete Zuversicht, auch nach der erschreckenden 1:2-Niederlage im Testspiel gegen Österreich. Wieder hatte seine Mannschaft erhebliche Probleme mit eigenem Ballbesitz.

Doch um die sportlichen Probleme ging es in der WM-Vorbereitung nur am Rande. Mit Mesut Özil und Ilkay Gündogan hatten sich zwei der größten deutschen Stars zwei Wochen vor Beginn des WM-Trainingslagers in London mit dem türkischen Präsidenten Erdogan fotografieren lassen. In Deutschland gab es einen heftigen Aufschrei, schließlich waren und sind in Erdogans Türkei immer noch viele Regierungskritiker und Journalisten – darunter auch einige deutsche Staatsbürger – unter fadenscheinigen Gründen in Haft. Und dann stellt sich auch noch die grundsätzliche Frage: Darf sich ein deutscher Nationalspieler mitten im Wahlkampf mit einem ausländischen Staatsoberhaupt ablichten lassen?

Parallel wurde auch über Kapitän Manuel Neuer diskutiert. Er hatte seit neun Monaten aufgrund einer komplizierten Fußverletzung kein Pflichtspiel mehr für den FC Bayern absolviert. Doch Bundestrainer Löw hinterfragte weder sein Kapitänsamt noch seinen Stammplatz im deutschen Tor – obwohl mit Marc-André ter Stegen ein anderer deutscher Keeper seit Monaten Weltklasse-Leistungen beim FC Barcelona gezeigt hatte.

Angesichts dieser brisanten Debatten ging fast unter, dass sich die Nationalelf auch bei der WM-Generalprobe gegen Saudi-Arabien nur zu einem 2:1-Sieg mühte. Selbst dem international drittklassigen Gegner gelang es immer wieder, die deutsche Abwehr gefährlich auszukontern. Am Ende war sogar der Sieg in Gefahr. Ein größeres Thema waren in den kommenden Tagen aber die Pfiffe gegen Ilkay Gündogan von den eigenen Fans.

Kapitel 3: Die Bruchlandung

Zum Auftakt der WM kassierten Löw und sein Team die Quittung. Brutal und schonungslos legten die Mexikaner alle Probleme des DFB-Teams offen. Sie verteidigten das harmlose Ballbesitz-Spiel der deutschen Elf ohne größere Probleme und konterten die überforderte deutsche Abwehr um die im Stich gelassenen Mats Hummels und Jérome Boateng immer wieder aus.
Doch noch etwas anderes hatten die Mexikaner den Deutschen voraus: Teamgeist.

Nach dem Spiel schimpfte Mats Hummels über seine Vorderleute: "In der Rückwärtsbewegung werden Jérome und ich oft allein gelassen. Wir lassen Dinge zu, die wir nicht zulassen dürfen und ich verstehe nicht ganz, warum wir das heute so gespielt haben. Wenn wir wieder so auftreten, dann mache ich mir Sorgen." Zudem monierte er, exakt diese Fehler seien schon in den Tagen zuvor mehrfach angesprochen worden.

Mit seiner Kritik hatte Hummels durchaus recht. So öffentlich Teamkollegen zu kritisieren, ist aber in einer Mannschaftssportart eher ungewöhnlich. Es folgte eine Krisensitzung, von der bis heute nur wenige Details bekannt geworden sind. Der "Spiegel" berichtete vor allem von einer Konfrontation zwischen jungen und alten Spielern. Die Weltmeister von 2014 warfen den Jüngeren mangelnde Einstellung vor. Die sollen auf die ebenfalls mangelhafte Leistung der vermeintlichen Führungsspieler gezeigt haben.

Ein Scherbenhaufen.

Nicht einmal der glückliche 2:1-Sieg gegen Schweden konnte die Stimmung im Team wirklich verbessern. Löw beging vor dem entscheidenden dritten Gruppenspiel gegen Südkorea (0:2) aber auch einen entscheidenden Fehler: Er brachte Sami Khedira und Mesut Özil, auf die er gegen Schweden verzichtet hatte, zurück in die Startformation – obwohl beide nicht in Topform waren. Er stellte vergangene Verdienste über Leistung.

Khedira spielte nach einer starken Saison für Juventus Turin im Nationaltrikot plötzlich haarsträubende Fehlpässe. Özil kreierte zwar wie gewohnt einige Chancen, wirkte aber nach Verletzungsproblemen in den Wochen zuvor gehemmt. Für die Spieler, die gegen Schweden einen Sieg errungen hatten wie Antonio Rüdiger, Julian Draxler oder Ilkay Gündogan, war die Aufstellung teilweise ein Schlag ins Gesicht. So zerfiel die ohnehin fragile deutsche Elf unter Druck in ihre Einzelteile.

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Schon kurz nach der Rückkehr nach Deutschland legte sich DFB-Präsident Reinhard Grindel fest: Löw sollte bleiben und die Chance zu einem Umbruch bekommen. Vor dem Turnier war der Vertrag mit dem Weltmeistertrainer bis 2022 verlängert worden, ein Rauswurf wäre nun einem öffentlichen Fehlereingeständnis gleichgekommen. Zudem mangelte es dem vom frühen Ausscheiden ebenso überraschten DFB-Präsidium an ernsthaften Alternativen zu Löw.

Kapitel 4: Den Umbruch verschleppt

Nur einer äußerte sich in der wochenlangen Aufregung nicht: Joachim Löw. Mehr als einen Monat lang lieferte er keine Erklärung zur historisch schlechten Leistung seiner Mannschaft. Dann gestand er ein, mit seiner Mannschaft die aktuellen Trends im Weltfußball verschlafen zu haben. Zu viel Ballbesitz, zu wenig Tempo, dazu eine Fehleinschätzung über die eigene Stärke und die der Gruppengegner. Sein Fazit: "Das war fast schon arrogant."

Wer nun aber für die anstehende Nations League einen radikalen Umbruch erwartet hatte, wurde enttäuscht. Einzig Sami Khedira ist bis heute nicht wieder nominiert worden. Stattdessen nahm Löw nur kleinere Korrekturen vor. Er schob Joshua Kimmich ins Mittelfeld und ließ seine Mannschaft etwas defensiver agieren. Doch die Probleme blieben.

Mit dem peinlichen 0:3 in den Niederlanden folgte im Oktober der nächste Tiefpunkt. Anfangs noch überlegen, ließ sich seine erneut im Ballbesitz viel zu behäbige Mannschaft auskontern. "Ist denn schon wieder WM?", fragte die "Bild"-Zeitung. Nun wackelte Löws Job so sehr wie nie zuvor.

Erst jetzt, im Endspiel um seinen eigenen Posten gegen Frankreich, brachte Löw den Mut zu ernsthaften Veränderungen auf. Erst jetzt gab er Leroy Sané und Serge Gnabry eine Chance in der Offensive, ließ er den flinken Linksverteidiger Nico Schulz auch in einem Pflichtspiel ran, durften in der Abwehr Thilo Kehrer und Niklas Süle mehr Verantwortung übernehmen. Nicht alles wurde in den letzten Länderspielen dieses Jahres sofort besser, doch die Mannschaft wurde vor allem offensiv wieder gefährlicher, mit mehr Tempo und Unbekümmertheit.

Der Abstieg aus der höchsten Spielklasse der Nations League ließ sich dennoch nicht mehr vermeiden. Erneut war es zu spät für einen Umschwung.

Fazit

Im Nachhinein betrachtet haben sich die Schwachstellen und Probleme des DFB-Teams schon seit Monaten angedeutet. Doch geblendet vom eigenen Erfolg haben Löw und die DFB-Führung zu lange auf Altbewährtes gesetzt. Alle großen Mannschaften des Fußballs haben diesen Fehler irgendwann begangen. Entscheidend ist, ob und wie schnell sie sich erneuern können. Der DFB hat dabei lange nicht überzeugt.


Nun warten in der EM-Qualifikation überwiegend leichte Gegner. Spiele, die wohl unabhängig von Personal und Formation gewonnen werden können. Jetzt wird sich zeigen, wie ernst Joachim Löw es mit seinen Veränderungen wirklich meint. Oder ob er nur seinen Job retten wollte.

Verwendete Quellen
  • eigene Beobachtungen
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