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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Vom Abstellgleis zum Abwehrduo Diese Entscheidung dürfte Tuchel bitter bereuen
De Ligt und Dier überzeugen im wichtigsten Saisonspiel des FC Bayern. Sie verblüffen Teamkollegen und Gegner nicht nur mit ihrem ähnlichen Look.
Matthijs de Ligt musste laut lachen, als er auf den Spruch von Joshua Kimmich angesprochen wurde. Der hatte wenige Minuten zuvor über de Ligt und Eric Dier gewitzelt: "Eric und Matthijs verstehen sich ganz gut, die beiden Halbgeschwister."
Das war durchaus als großes Lob für das neue Innenverteidigerduo des FC Bayern gemeint. De Ligt nahm es gerne an und spielte bei dem Spaß gleich mit. Es gebe einen Unterschied, wie man ihn und Dier auseinanderhalten könne, verriet er. Dier spiele schließlich mit einem Langarm-Trikot und er selbst mit kurzen Ärmeln. Gut zu wissen. Denn wer den beiden bei ihrer gemeinsamen Arbeit auf dem Platz zusieht, der muss tatsächlich meist zweimal hinschauen, welcher der beiden Abwehrspezialisten gerade in Aktion ist.
Beide haben eine sehr ähnliche Statur: De Ligt ist 1,89 Meter groß und wiegt 89 Kilogramm, Dier ist nur zwei Zentimeter größer und zwei Kilogramm schwerer. Beide sind muskulös, haben blonde Haare und tragen einen sehr ähnlichen Kurzhaarschnitt. Sie könnten tatsächlich Brüder sein: bei der Geburt getrennt und bei Bayern wieder vereint. Dort bilden sie jetzt jedenfalls Bayerns Doppel-D-Defensive. Und das sehr erfolgreich.
De Ligt und Dier verdrängen Upamecano und Kim
Beim 3:0 gegen Lazio verdrängten sie mit Dayot Upamecano und Min-jae Kim das vormalige Innenverteidigerpärchen Nummer eins von Trainer Thomas Tuchel auf die Bank. Dier und de Ligt harmonierten nahezu perfekt, ließen kaum Torchancen zu und waren damit hauptverantwortlich dafür, dass ihre Mannschaft erstmals seit sieben Spielen mal wieder ohne Gegentor blieb.
Für de Ligt war das keine große Überraschung. "Es geht gut, wir reden viel zusammen. Wir verstehen uns gut. Ich glaube, dass wir auch heute eine solide Leistung gezeigt haben", sagte der Niederländer angesprochen auf das Zusammenspiel mit seinem Abwehrpartner zu t-online. Und stellte fest: "Die letzten vier Spiele, die wir gemacht haben, haben wir gewonnen." Schon zuletzt beim 2:1 gegen Leipzig sowie zuvor bei den beiden aufeinanderfolgenden Siegen in Augsburg (3:2) und gegen Gladbach (3:1) bildeten sie ein funktionierendes Abwehrduo.
15. Spieltag
Freitag, 20.12.
Samstag, 21.12.
Gut möglich, dass Tuchel seine Entscheidung mittlerweile bitter bereut, das schon damals gut harmonierende Pärchen im anschließenden direkten Meisterschaftsduell in Leverkusen (0:3) getrennt und stattdessen auf Upamecano und Kim gesetzt zu haben, obwohl beide nicht wirklich fit waren. Mit seiner neu formierten Dreierkette, in deren Zentrum Dier agierte, erlebte er jedenfalls ein Debakel. Nicht zuletzt, weil sowohl Kim als auch Upamecano sich jeweils folgenschwere individuelle Patzer leisteten.
Damit überzeugen de Ligt und Dier
De Ligt, der sich eigentlich durchaus in der Rolle des Abwehrchefs sieht, in diesem Moment von Tuchel aber zur Nummer vier degradiert worden war, musste das Abwehrdrama damals tatenlos von der Bank aus mitansehen. Nachdem er in der Hinrunde mit mehreren Muskelverletzungen zu kämpfen hatte, hatte er unter Tuchel ohnehin bislang einen schweren Stand. Der gilt nämlich als nicht allzu großer Fan des 24-Jährigen. Tuchel bevorzugt eigentlich Verteidiger mit Geschwindigkeit, die ihre Stärke im Aufbau haben. Sowohl Kim (34,32 km/h) als auch Upamecano (35,02 km/h) sind zumindest deutlich schneller als de Ligt (32,69 km/h) und Dier (31,77 km/h).
Der englische Nationalspieler, der im Winter von Tottenham Hotspur kam und auch im zentralen Mittelfeld spielen kann, ist allerdings auf Anhieb Bayerns mit Abstand bester Aufbauspieler. Mit seinem punktgenauen langen Ball, den er übers halbe Feld spielte, bereitete er unter anderem den 2:1-Siegtreffer durch seinen Kumpel Harry Kane in der Nachspielzeit gegen Leipzig vor.
De Ligt dagegen ist keiner, der mit Diagonalbällen glänzt. Sondern eher jemand, der die einfachen Dinge erledigt und dabei über seine Mentalität sowie die kämpferische Komponente punktet. Beim Publikum kommt er damit bestens an. Für eine kompromisslose Grätsche an der Seitenlinie bekam er in der zweiten Halbzeit gegen Lazio Szenenapplaus.
Müller scherzt über de Ligt: "Ob das noch menschliche Züge sind?"
Das galt auch für seinen artistischen Volleyschuss nach einer Ecke, den Thomas Müller per Kopf zum 2:0 über die Torlinie drückte. "Manchmal kann ich Sachen wie ein Stürmer machen", sagte de Ligt mit einem Schmunzeln. "Mit Abstand schießen und den Ball volley nehmen – das lernen wir in den Niederlanden."
Torschütze Müller witzelte über de Ligts furiose Direktabnahme: "Ich weiß nicht, ob das noch menschliche Züge sind, wenn der Matta mit seinen dicken Oberschenkeln durchzieht." Möglicherweise wäre der Gewaltschuss auch ohne Müllers Mitmischen im Tor gelandet. Dessen süffisante Devise lautete aber: "Auf keinen Fall wegbleiben, wenn der Matta schon mal so einen butterweichen Ball reinlegt."
Dass Tuchel ihm im wichtigsten Saisonspiel vertraute, sei für ihn "natürlich sehr wichtig", sagte de Ligt und betonte: "Gegen Leipzig habe ich auch gespielt. Du musst immer auf deine Chance warten. Seit der Winterpause bin ich in einer guten Form." Gegen Lazio "haben wir das zusammen mit der ganzen Mannschaft gut gemacht". Auch die gute Kommunikation mit den defensiven Mittelfeldspielern Aleksandar Pavlović und Leon Goretzka lobte de Ligt. "Hoffentlich kann ich das so weitermachen."
Tuchels taktischer Kniff mit Goretzka
Gegen Lazio war er der auffälligste Abwehrspieler, hatte mit 118 Ballkontakten sogar die meisten und eine Passquote von 94 Prozent. Dier kam auf 95 Ballkontakte und eine Passsicherheit von 96 Prozent. Zudem kamen sechs seiner insgesamt acht langen Bälle beim Mitspieler an. Im Aufbau rückte Goretzka darüber hinaus aus dem Mittelfeld nach links hinten zurück und bildete dort gemeinsam mit Dier und de Ligt eine Dreierkette. Er kam auf 101 Ballaktionen und sogar eine 99-prozentige Passquote, 80, seiner 81 Pässe erreichten das Ziel. Schon in der zweiten Halbzeit in Freiburg (2:2) war genau das Tuchels taktischer Schlüssel zum Erfolg. Gegen Lazio war der Spielaufbau der Bayern ebenfalls wieder sehr breit und damit unberechenbarer als zuvor ausgelegt.
Ein ganz wichtiger Faktor ist dabei auch Dier. "Er ist der beste Bayern-Spieler in den letzten Wochen – und das ist unüblich", sagte t-online-Kolumnist Stefan Effenberg bereits am Sonntag im "Doppelpass". Und wunderte sich selbst ein wenig darüber: "Denn den holst du im Winter und man hatte sich gefragt: Ist das überhaupt der richtige Mann?" Doch der 30 Jahre alte Dier sei "einer, der extrem stabil ist und der versucht, die Mannschaft wachzurütteln. Das ist nicht normal."
Diers Vertrag hat sich automatisch verlängert
Dier, der in der Hinrunde bei Tottenham Hotspur kaum spielte, ist die positive Überraschung der Wintertransfers der Bayern. Als einziger Feldspieler der gesamten Bundesliga, der in dieser Saison mindestens 500 Spielminuten bestritt, ist er noch kein einziges Mal ausgedribbelt worden. Aufgrund seiner sechs Startelfeinsätze hat sich sein Vertrag bereits automatisch bis Sommer 2025 verlängert. Das bestätigte Max Eberl zuletzt.
"Ich habe mich wirklich gut eingelebt: Der Verein, die Stadt, die Fans haben mich alle so aufgenommen, dass mir das leichtgefallen ist", sagte der Winterneuzugang. "Und ich genieße einfach meinen Fußball, es macht mir wirklich Spaß, für diesen Verein zu spielen." Das gilt vor allem für das Zusammenspiel mit seinem langjährigen Kumpel Kane.
"Eric war bislang unglaublich. Es war keine einfache Situation für ihn, in der er nach München gekommen ist, wenn man bedenkt, wo er bei den Spurs herkam", sagte Kane über seinen Landsmann. "Aber er hat gegen Lazio einmal mehr eine Topleistung abgeliefert." Wohin das noch führen kann, ist für den Kapitän der englischen Nationalelf jedenfalls klar.
"Er hat seine Qualität mit dem Ball und die als Leader gezeigt. Gareth Southgate weiß, wozu er fähig ist und wird sich mit Sicherheit freuen, mit ihm einen weiteren englischen Spieler auf höchstem Level spielen zu sehen." Macht Dier so weiter, hat er jedenfalls gute Chancen auf einen baldigen Anruf des englischen Nationaltrainers und einen Kaderplatz bei der EM im Sommer in Deutschland.
Dier kommentierte dieses Thema folgendermaßen: "Wenn ich für einen Klub wie Bayern gut spiele, sollte ich gute Chancen haben. Warum nicht?" Das harmonische Zusammenspiel mit seinem verlorenen Halbbruder wird ihm mit Sicherheit dabei helfen. Für Tuchel gibt es bei Bayern momentan jedenfalls überhaupt keinen Grund, die beiden Abwehr-Zwillinge wieder zu trennen.
- Mixed-Zone-Gespräche mit Mattijs de Ligt, Eric Dier und Harry Kane.
- sofascore.com: "Daten zu FC Bayern - Lazio Rom"