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Interview mit dem ersten deutschen Konzepttrainer Uwe Rapolder


Champions League
Uwe Rapolder: "Jürgen Klopp ist wie eine dunkle Materie"

Von t-online
18.04.2013Lesedauer: 5 Min.
Uwe Rapolder bei seinem letzten Verein, dem Karlsruher SCVergrößern des Bildes
Uwe Rapolder bei seinem letzten Verein, dem Karlsruher SC (Quelle: Christoph Reichwein/imago-images-bilder)

Das Interview führte Thomas Tamberg

Uwe Rapolder war noch vor wenigen Jahren die heißeste Trainer-Aktie im deutschen Fußball-Geschäft und gilt als erster Konzepttrainer des Landes, lange bevor die Klopps, Tuchels und Co. ins Rampenlicht rückten. Rapolder hat ein abgeschlossenes Wirtschaftsstudium, spricht vier Sprachen und tauschte sich zuletzt mit den Trainergrößen Erkisson, Mancini, Hitzfeld und Ferguson über die neuesten Entwicklungen im Fußball aus. Im Interview mit t-online.de spricht der 54-Jährige über die taktische Ausrichtung von Real Madrid, Barcelona, warum Dortmund eher letztes Jahr die Königsklasse hätte gewinnen können und erklärt, was Jürgen Klopp mit dunkler Materie zu tun hat.

Herr Rapolder, das Wort Konzepttrainer ist heute in aller Munde. Was viele nicht wissen: Sie waren der Erste, der in Deutschland so genannt wurde.
Das war im Jahr 2004, als ich Trainer bei Arminia Bielefeld war. Jürgen Klopp, Ralf Rangnick und ich waren etwas später die drei Protagonisten des Konzepttrainers. Wir waren die Modernisierer des deutschen Fußballs, wenn man so will. Jürgen Klinsmann und Joachim Löw haben das später national salonfähig gemacht. Dann hat diese Art zu Arbeiten eine viel größere Aufmerksamkeit bekommen, weil die Nationalmannschaft auch so gearbeitet hat.

Worauf basiert die Arbeit eines Konzepttrainers?
Hier geht es vor allem um das Spiel gegen den Ball. Forechecking, Pressing, das Spiel vom eigenen Strafraum fernhalten. Das muss mit der gesamten Mannschaft organisiert stattfinden. Auch das Spiel mit Ball läuft nach festen Prinzipien ab und wird methodisch einstudiert. Ralf Rangnick und die Stuttgarter Schule verfolgten ebenfalls diese Philosophie.

Was war das Neue, das Sie diesem System hinzugefügt haben?
Ich habe verstärkt das Eintrainieren von Automatismen vorangetrieben. Also zusätzlich zum Spiel gegen den Ball das Spiel mit dem Ball weiterentwickelt. So dass bei Ballgewinn sofort bestimmte Spielzüge eingeleitet wurden und blind abgelaufen sind. Das trug vor allen Dingen der Entwicklung des Spiels Rechnung, das immer schneller wurde, weil die Spielräume durch taktisches Verhalten verkürzt wurden. Die Zeiten, in denen sich ein Spielmacher in alle Ruhe orientieren konnte, waren damals eigentlich schon vorbei.

Wie hat sich das Spiel seitdem weiterentwickelt?
Jetzt läuft es im Prinzip durch Kombinationen im Verbund ab. Das muss nicht immer das schnelle Spiel in die Spitze sein. Das können auch Dreiecke sein, die immer wieder gebaut werden müssen. Und das berühmte Tiki-Taka der Spanier ist schon wieder eine Weiterentwicklung.

Wie würden Sie diesen Spielstil der spanischen Nationalmannschaft und des FC Barcelona genau beschreiben?
Sie spielen den Ball zwar auch oft vertikal, also in Richtung des gegnerischen Tors, aber es ist nicht mehr so, dass sie mit fünf, sechs Ballkontakten vor dem gegnerischen Tor auftauchen wollen. Sie wollen vielmehr über Ballbesitz zum Erfolg kommen. Eigentlich spielen Spanien mehr und Barcelona eher weniger einen Verteidigungsfußball. Sie sagen sich: Solange wir den Ball haben, kann der Gegner kein Tor schießen. Sie spielen also für den Ballbesitz und kommen immer auf Werte von 60 oder 70 Prozent, aber sie spielen deswegen auch relativ wenige Torchancen heraus. Die müssen sie dann aber auch verwandeln. Das fällt Barcelona mit Messi allerdings leichter, als der spanischen Nationalmannschaft.

Das klingt danach, als ob Sie das Spiel von Barcelona, dem Bayern-Gegner im Champions-League-Halbfinale, nicht unbedingt als das Nonplusultra betrachten würden.
Es gibt Untersuchungen in Ländern von acht Weltmeistern. Da stellte sich heraus, dass mehr als 80 Prozent der Tore nach weniger als fünf Pässen erzielt werden. Das heißt im Prinzip: Je schneller man vor das gegnerische Tor kommt, desto besser. Und genau das macht Barcelona eben nicht. Die halten den Ball über 20, 30 Ballkontakte lang. Dann ist es in der Regel schwerer zum Abschluss zu kommen, weil der Gegner viel mehr Zeit hat, sich massiert zu organisieren. Barca beherrscht dies trotzdem und ist deshalb die weltbeste Klubmannschaft. Nachahmen aber ist schwer.

Wie unterscheidet sich das Spiel Barcelonas von Real Madrid, auf das Borussia Dortmund im Champions-League-Halbfinale trifft.
Mourinho praktiziert mit Real Madrid auch dieses Vertikalspiel, aber anders. Auf einer massierten Abwehr aufbauend lässt er schnell und vor allem gezielt in die Spitze spielen. Dort wird der Ball gesichert und gehalten, die anderen Mannschaftsteile rücken schnell nach und dann wird der Abschluss gesucht. Er praktiziert effizienten Fußball, das Ergebnis steht über allem, der Erfolg gibt ihm recht.

Von der Spielanlage sind sich Real Madrid und Dortmund ziemlich ähnlich oder?
Jein, Dortmund praktiziert im Prinzip auch ein Vertikalspiel, aber wenig mit langen Bällen. Sie kommen auch über Kurzpässe, lassen den Ball klatschen und bauen ständig Dreiecke. Der BVB kann über die Flügel aber auch durch die Mitte kombinieren. Sie haben mit Reus und Götze sehr spielstarke, schnelle, wendige Spieler. Sie geben dem ganzen noch eine individuelle Variationsmöglichkeit, erinnern auch an Barcelona.

Wie schätzen Sie Dortmunds Chancen in der Königsklasse ein?
Ich bin überzeugt davon, dass Dortmund letzte Saison die Champions-League gewonnen hätte, wenn sie Weihnachten in diesem Wettbewerb überlebt hätten. Die waren überragend letztes Jahr. Dieses Jahr scheinen sie nicht ganz so stabil zu sein, dafür aber noch unberechenbarer. Man muss abwarten.

Jürgen Klopp hat in Dortmund in wenigen Jahren eine internationale Spitzenmannschaft geformt. Wie sehen Sie seinen Werdegang?
Eine Spiel-Philosophie ist wie eine dunkle Materie, die mit ihrer großen Dichte alles anzieht. Eine Mischung aus Fachkompetenz und Emotionalität. Diese Mischung holt aus den Spielern alles raus. Sie schafft Identifikation, ein gemeinsames Bewusstsein, hohe Leistungsbereitschaft, Spaß an der Arbeit. Und genau das hat Jürgen Klopp hinbekommen. Er hat eine so dichte Atmosphäre geschaffen, in der jeder in den Bann gezogen und eine Bewegung losgetreten wird. Genau das ist der Punkt, an den ein Verein hinkommen muss. Wenn man dann noch wirtschaftlich vernünftig arbeitet, kommt auch der langfristige Erfolg. Dortmund bleibt auf unbestimmte Zeit ein Kontrahent der Bayern.

Momentan sind Sie frei auf dem Markt. Wann wird man Uwe Rapolder wieder irgendwo im bezahlten Fußball sehen?
Es heißt immer Rapolder sei ein Supertrainer, aber... Dieses 'aber' ist sehr groß geschrieben. Ich habe irgendein Schieflagen-Image bekommen und obwohl es falsch ist, kann ich nichts dagegen machen. Vielleicht muss ich ins Ausland gehen, um wieder eine echte Chance zu bekommen. Ich weiß, was ich kann und beobachte den Fußball intensiv.

Käme auch ein Job als Sportdirektor in Frage?
Ja natürlich. Ich hab ein Wirtschaftsstudium in der Schweiz erfolgreich absolviert und spreche mehrere Sprachen. Ich bin gut vernetzt, war bei vielen Vereinen und habe mich zuletzt für ein Buchprojekt mit Trainern wie Klopp, Ferguson, Mancini, Hitzfeld und Eriksson lange ausgetauscht. Was mich an der Arbeit eines Sportdirektors reizen würde, ist durch perspektivische, ganzheitliche Arbeit an der strategischen Ausrichtung eines Vereins mitzuarbeiten. In vielen Vereinen muss erst noch eine Fußball-Philosophie verankert werden, um überhaupt langfristig Erfolg zu haben. Das läuft normal über den Sportdirektor.

Ein Mann, der so lange im Geschäft ist, hat der eigentlich auch einen Lieblingsverein?
Mein Lieblingsverein als kleiner Junge war 1860 München. Leider werden sie es auch dieses Jahr nicht schaffen aufzusteigen, was ich sehr schade finde. 1860 muss natürlich in die Bundesliga. Das wäre auch für den FC Bayern gut. Derbys sind nun mal das Salz in der Suppe und München ist im Prinzip die Fußballhauptstadt Deutschlands.

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