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Schachtar-Donezk-Manager kritisiert Fifa: "Das ist die größte Schande"


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Ukrainischer Klubchef
"Dieses Verhalten der Fifa ist eine Schande"

InterviewVon Benjamin Zurmühl

17.09.2024Lesedauer: 5 Min.
Serhij Palkin: Der 49-Jährige ist seit mehr als 20 Jahren bei Schachtar Donezk im Amt.Vergrößern des Bildes
Serhij Palkin: Der 49-Jährige ist seit mehr als 20 Jahren bei Schachtar Donezk im Amt. (Quelle: Selim Sudheimer/getty-images-bilder)

Die neue Saison in der Champions League beginnt. Mit dabei ist auch der ukrainische Verein Schachtar Donezk, der den Folgen des russischen Angriffskriegs trotzt.

Was für andere eine Ausnahmesituation wäre, ist für Serhij Palkin inzwischen Gewohnheit. Denn auch wenn der Verein, dessen Geschäftsführer Palkin ist, Schachtar Donezk heißt, arbeitet er seit zehn Jahren nicht mehr in der Stadt Donezk. Denn die liegt im Donbass im Osten der Ukraine. Infolge der Annexion der Krim im März 2014 begab sich der Klub auf die Flucht. Bis Ende 2016 fanden die Heimspiele Schachtars in Lwiw statt, anschließend in Charkiw und Kiew. Der russische Angriff auf die Ukraine Anfang 2022 veränderte die Lage komplett.

Innerhalb von zwei Wochen wurden die ausländischen Spieler über die Grenze in Sicherheit gebracht, das Fußballstadion in Lwiw (Westukraine) mit Schachtars Hilfe zur Notunterkunft für Flüchtlinge aus der Ostukraine. "Wir waren mehr Krisenmanager als Fußballmanager", berichtet Donezks Geschäftsführer Palkin im Vorgespräch mit t-online. An Fußball war erst einige Monate später wieder zu denken.

Dennoch ist es dem 49-Jährigen und seinem Team gelungen, dass Schachtar stets an der Champions League teilnehmen konnte. Vor zwei Jahren fanden die Heimspiele in Warschau statt, vergangenes Jahr in Hamburg. Und für die neue Saison, die am heutigen Dienstag beginnt, ist Gelsenkirchen die "Heimat" Schachtars. Auch der FC Bayern ist hier zu Gast. Doch so hilfsbereit diese Städte und Vereine auch sind, Serhij Palkin hat in den vergangenen zweieinhalb Jahren ganz andere Erfahrungen gemacht, wie er im Interview berichtet.

t-online: Herr Palkin, seit dem Kriegsbeginn zeigen sich viele Vereine mit der Ukraine solidarisch. Aber das ist nur die eine Seite. Wie war das in den Gesprächen hinter verschlossenen Türen? Wollten Klubs Ihre Notlage in Transferverhandlungen um Spieler ausnutzen?

Serhij Palkin: Das ist vorgekommen, ja. Andere Vereine haben in Gesprächen betont, dass wir so eine schwierige finanzielle Lage wegen des Kriegs haben. Sie wollten so den Preis drücken. Aber wir haben klar gesagt, dass der Wert unserer Spieler nicht sinkt.

Das ist spätestens klar geworden, als Sie im Januar 2023 Mykhaylo Mudryk für rund 100 Millionen Euro an den FC Chelsea verkauften.

Das war ein historischer Deal für uns. Noch nie ist ein ukrainischer Spieler für so viel Geld gewechselt! Arsenal wollte ihn auch haben und hat viel Geld geboten. Aber wir haben uns für Chelsea entschieden. Dieser Deal hat uns geholfen, um auch unsere Stärke auf dem Transfermarkt zu zeigen.

Sie sagten vor zwei Jahren der "New York Times": "Leute sagen, dass sie die Ukraine unterstützen. Aber wenn man Ihnen sagt: 'Okay, zeigt uns, dass ihr die Ukraine unterstützt', dann wollen sie nicht." Ist die Solidarität heute noch geringer?

Einige Europäer schenken dem Krieg und der Ukraine weniger Aufmerksamkeit. Aber das ist auch unsere Aufgabe als Schachtar Donezk, dass wir unser Bestes dafür geben, immer wieder daran zu erinnern, was in der Ukraine passiert. Wenn Europa diesen Krieg aus den Augen verliert, werden wir ihn verlieren.

Und wie steht es mit der Solidarität im Fußballgeschäft?

Unterschiedlich. Das schlimmste Beispiel geschah in der Zeit nach dem Kriegsbeginn, als die Fifa unsere Spieler einfach ablösefrei wechseln ließ. Das hat uns viele Millionen Euro gekostet. Die ausländischen Spieler haben Verträge bei anderen Vereinen unterschrieben, die sie dann einige Zeit später verkauft haben. Das ist unfair. Sie haben diese Spieler nicht ausgebildet, nicht entwickelt und dennoch viel Geld für sie bekommen. Und die Fifa hat das auch noch unterstützt.

Inwiefern?

Sie haben uns ukrainische Vereine nicht einmal eingeladen, um Gespräche über mögliche Lösungen für dieses Problem zu finden. Wir haben mehrfach versucht, mit der Fifa in Kontakt zu treten, aber jede Tür wurde geschlossen. Das ist für mich die größte Schande. Wir haben uns allein und von der Fifa im Stich gelassen gefühlt. Denn das war nicht der einzige Fall.

Was ist noch passiert?

Vor dem Krieg hatten wir bei einigen Vereinen noch ein paar ausstehende Zahlungen. Es ist normal, dass du Transfers auch mal in Raten zahlst. Zum Zeitpunkt des Kriegsbeginns waren noch 40 Millionen Euro offen. Die Vereine, denen wir Geld geschuldet haben, sind zur Fifa, weil sie ihr Geld wollten. Die Fifa hat dann über Vermittler in den Gesprächen zu uns gesagt, dass wir den Klubs das ausstehende Geld zahlen sollen, ansonsten würden sie uns unsere Lizenzen für die internationalen Wettbewerbe entziehen. Da habe ich geantwortet: "Leute, wie soll ich das bezahlen, wenn ihr unsere Spieler ablösefrei gehen lasst und wir kein Geld einnehmen können?" Aber die Entscheidung stand. Sie haben uns genauso behandelt wie russische Vereine. Dabei ist es ein Angriff Russlands auf uns gewesen. In unserem Land sterben die Menschen.

Sie haben also noch immer keine Entschuldigung der Fifa erhalten?

Es gab bis heute nicht einmal einen Anruf der Fifa, in dem sie uns Unterstützung zugesichert hat. Keinen einzigen. Ich hätte nicht gefordert, dass sie uns Millionen an Entschädigungen zahlt. Ich kann verstehen, dass das nicht so einfach zu machen wäre. Aber dieses Verhalten der Fifa ist eine Schande.

Inzwischen stehen wieder mehr ausländische Spieler bei Ihnen unter Vertrag. Allein in der vergangenen Saison haben sechs Profis aus Südamerika bei Schachtar unterschrieben. Wie haben Sie das geschafft? Der Krieg läuft schließlich noch.

Es ist weiterhin schwer, die Spieler von einem Wechsel zu überzeugen. Aber wir haben inzwischen einige Abläufe und Standards entwickelt, um die Sicherheit so weit wie möglich gewährleisten zu können. Dennoch können wir die Lage natürlich nicht gänzlich kontrollieren. Anfang September hatten wir ein Auswärtsspiel in der Stadt Krywyj Rih. Wenige Tage vor unserer Anreise wurde das Hotel, in dem wir geschlafen hätten, von russischen Raketen zerstört. Vier Menschen sind dabei gestorben. Das hätten wir sein können.

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Präsentieren Sie ausländischen Spielern bei Verhandlungen eine Art Sicherheitsplan, in dem sie auch eine mögliche Flucht in die Heimat im Fall der Fälle aufzeigen?

Wir zeigen den Spielern auf, dass wir alles für ihre Sicherheit tun. Egal, wo wir uns aufhalten, gibt es Bunker, ob im Stadion oder im Hotel. Wir sind immer in Alarmbereitschaft und halten uns praktisch nur im Westen der Ukraine auf. Die Sicherheit unserer Spieler steht an oberster Stelle. Der Fußball kommt danach.

Wie geht es den ukrainischen Spielern in Ihrer Mannschaft? Einige von ihnen werden Verwandte und Freunde haben, die an der Front kämpfen müssen oder bereits gestorben sind.

Der Bruder unseres Torwarts Dmytro Riznyk hat gegen russische Soldaten gekämpft und wurde getötet. Mit solchen Beispielen haben wir immer wieder zu tun. Wie soll man sich da auf Fußball konzentrieren? Wie willst du solch einen Spieler motivieren, der gerade seinen Bruder im Krieg verloren hat? Das ist sehr schwierig.

Haben Sie mehrere Psychologen in den Verein geholt?

Wir haben drei. Den Trainer, den Sportdirektor und mich. Wir geben unser Bestes, den Spielern zu helfen, damit sie ihre Leistungen in der Liga und in der Champions League abrufen können.

In der Champions League spielen Sie Ihre Heimspiele in Gelsenkirchen, haben unter anderem den FC Bayern zu Gast.

Wir erfahren von den Menschen in Deutschland viel Unterstützung. Und in Deutschland sind auch viele geflüchtete Ukrainer, die uns vor Ort anfeuern.

Was erwarten Sie für die Partien gegen die deutschen Teams? Neben dem Heimspiel gegen den FC Bayern treffen Sie auch in Dortmund auf den BVB.

Wir kennen beide Klubs und Ihre Verantwortlichen sehr gut, pflegen gute Kontakte. Wir haben vor vielen Jahren Henrikh Mkhitaryan an Dortmund verkauft und Douglas Costa an den FC Bayern. Das sind zwei absolute Topteams. Es werden interessante Spiele. Je besser die Gegner, umso besser für uns, weil wir uns zeigen können. Ich garantiere Ihnen, dass Bayern und Dortmund es schwer mit uns haben werden.

Verwendete Quellen
  • Telefonisches Gespräch mit Serhij Palkin
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