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Uli Hoeneß' Abschied vom FC Bayern – und der heimliche Star des Abends


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Emotionen, Aufreger, Anekdoten
Der heimliche Star des Hoeneß-Abschieds

Von Patrick Mayer, München

Aktualisiert am 16.11.2019Lesedauer: 6 Min.
Trat gestern als Bayern-Präsident ab: Uli Hoeneß.Vergrößern des Bildes
Trat gestern als Bayern-Präsident ab: Uli Hoeneß. (Quelle: Sven Simon/imago-images-bilder)
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Die Jahreshauptversammlung des FC Bayern ist voller emotionaler Höhepunkte. Uli Hoeneß bemüht auch politische Statements. Neben ihm wird ein zweiter Mann frenetisch gefeiert – das Minuten-Protokoll.

Es ist 19.01 Uhr in München. Draußen ist es bitterkalt, Nieselregen legt sich über das Olympiagelände von 1972. Drinnen, in der Olympiahalle, ist die Spannung beinahe greifbar. Es ist der Abend, an dem Uli Hoeneß seinen Abschied aus der ersten Reihe des FC Bayern vollziehen wird. Für manchen Fan des Rekordmeisters ein beinahe abstraktes Szenario.

"Ullllllllliiiii, Ullllllllliiiiii", tönt es aus den Sitzreihen, in denen sich tausende Mitglieder und Fans des Bundesliga-Riesen erheben, um dem streitbaren Macher letztmals auf großer Tribüne ihren Respekt für sein Lebenswerk zu erweisen – als Vater des mächtigsten deutschen Fußball-Klubs. Emotionen, Aufreger, Anekdoten – t-online.de zeichnet den Abend nach, es ist ein Einblick in die bajuwarische Fußball-Seele. Das Minutenprotokoll der Jahreshauptversammlung 2019 des FC Bayern:

Ziehsohn Franck Ribéry huldigt Uli Hoeneß

19.06 Uhr: In der riesigen Olympiahalle, die bis zu 10.000 Zuschauer fasst, erklingen minutenlang Sprechchöre der Bayern-Gemeinde für ihren Patriarchen: "Ulllliiii Hoeneß, du - bist - der - beste - Mann!" Plötzlich kommen aus dem Mittelrang, von grellem Scheinwerferlicht beleuchtet, Arjen Robben, Franck Ribéry und Basketball-Sportdirektor Marko Pesic auf die Tribüne – sie tragen eine Meisterschale, einen Meisterpokal und den DFB-Pokal mit sich.


Epochale Klänge begleiten das Trio in Richtung Bühne, allen voran Ribéry. In der Rückschau von vier Jahrzehnten mit Hoeneß als Manager und Präsident dürfte die These nicht zu gewagt sein, dass kein Spieler des Klubs den 67-jährigen Schwaben emotional mehr berührt hat als der heute 36-jährige Franzose, der wegen zahlreicher Eskapaden in seiner Heimat einen schwierigen Stand hat, aber an der Säbener Straße immer geliebt wurde.

Hoeneß pustet die Backen auf, als wolle er einen Weinkrampf gerade noch unterdrücken. Ribéry liegt ihm, den er oft als einen Vater bezeichnete, in den Armen.

FC Bayern: Frenetischer Applaus für Oliver Kahn

19.13 Uhr: Beim Abschied von Hoeneß geht es auch um dessen Nachfolgeregelung, wie bei einem Fürsten. Später am Abend wird Herbert Hainer zum neuen Vereinspräsidenten gewählt werden. Schnell ist in der Olympiahalle aber klar, wer der eigentliche Prinzregent ist: Oliver Kahn. Der 50-jährige Ex-Torwart wird im Januar in den Vorstand befördert, soll zum 1. Januar 2022 dessen Vorsitz von Karl-Heinz Rummenigge übernehmen.

Die Jahreshauptversammlung 2019 ist ein erster Test für diese Personalentscheidung, und der Plan von Hoeneß geht voll auf. Diesmal grölen tausende Mitglieder nicht: "Ulllllllliiiiiiii, Ullllllllliiiiiiii." Sondern: "Olllllllllllllliiiiii, Ollllllllllliiiii."

Hoeneß lächelt auf dem Podium in Richtung Kahn, der in der ersten Reihe sitzt: "Da hast du viel Arbeit vor dir, um diese Vorschusslorbeeren zu rechtfertigen." Bemerkenswert: Kahn, der "Titan", hat glasige Augen und kämpft immer wieder mit den Tränen, ist sichtlich ergriffen ob des Zuspruchs der Bayern-Familie.

Vize-Präsident entschuldigt sich bei Uli Hoeneß

19.57 Uhr: Die JHV des Rekordmeisters schreitet voran, da kommt der "Mann, den keiner kennt, ich bin der Zweite Vizepräsident" auf die Bühne. So nennt sich Walter Mennekes selbst, ein Westfale, ein Freund der markigen Sprüche und schwungvollen Phrasen. Und drei Jahre lang Back-up von Hoeneß.

Stoisch durchforstet er einen Stapel Papier, lobt Abteilung um Abteilung. Plötzlich bricht die Stimme des rüstigen Mannes mit dem schneeweißen Haupthaar. Er dreht sich Hoeneß zu: "Du bist der Freund, den ich bei der letztjährigen Hauptversammlung alleine gelassen habe." Gemeint ist die Wortmeldung von Mitglied Johannes Bachmayr am 30. November 2018, als dieser eine Brandrede gegen Hoeneß hielt, unter anderem mit den Worten: "Der Verein ist nicht ihr Eigentum."

Uli Hoeneß: Ein letzter Gruß an Borussia Dortmund

19.59 Uhr: Hoeneß bleibt am 15. November 2019 gefasst, Höhepunkte gibt's jetzt im Minutentakt. Der Vereinspatron wendet sich Coach Hansi Flick zu, erhebt diesen kurzerhand zum Cheftrainer, dankt ihm, "dass sie am letzten Wochenende die Tür geöffnet haben für eine fantastische Jahreshauptversammlung". Es ist eine letzte Amtshandlung, zugleich ein letzter Gruß an den großen Bundesliga-Rivalen aus Dortmund, den die Bayern sechs Tage zuvor mit 4:0 in die Schranken verwiesen hatten.

Hoeneß ist in seinem Element. Die Stimme wird lauter und lauter. "Hansi Flick: Unsere Mannschaft hat Borussia Dortmund attackiert, dominiert und am Ende deklassiert", poltert er in seiner bekannten Rolle als Volkstribun – die Menge unter ihm gerät in Wallung.

Uli Hoeneß: Ein letzter Seitenhieb gegen den Stadtrivalen

20.07 Uhr: Jetzt geht es um Hoeneß' Lieblingsprojekt, die Allianz Arena. Es ist auch ein letzter Gruß an den ewigen Stadtrivalen 1860 München, der mittlerweile hochverschuldet gegen den Abstieg in der Dritten Liga kämpft, den Bayern in der Stadt aber immer noch die Gunst der Fußball-Fans streitig macht.

Hoeneß bezeichnet die Münchner "Löwen" als "schwindsüchtig. Als sie dann von uns gewichen sind, haben wir angefangen, wie die Made im Speck zu leben." Die Halle tobt, schließlich sind die Sechziger bis heute der große Erzrivale. So ist Hoeneß' Rede auch der Versuch eines letzten Schulterschlusses mit der organisierten Fanszene.

"Die Choreographie der Südkurve am Samstag – einmalig!", sagt er. Doch die Ultras der "Schickeria", die ihn auf der Jahreshauptversammlung 2018 teils scharf kritisiert hatten, sind offenbar nicht da, zumindest nicht als einheitliche Gruppe.

Uli Hoeneß deutet seine Zukunft an

20.15 Uhr: Prime-Time, auch für Hoeneß. Er geht auf soziale Verantwortung ein – und deutet an, worauf er nach seiner Laufbahn als Fußball-Funktionär seinen Fokus legen will. "In unserer Stadt München gibt es viele alte Menschen, die von ihrer Rente nicht leben können", erklärt er kampfeslustig, ohne zu erklären, wem er wegen diesem – unbestrittenen – Umstand den Kampf erklären will. Der Politik?

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Zumindest lässt er ein politisches Statement folgen: "Der FC Bayern ist ein Tanker. Ihr müsst nach vorne schauen, nicht nach links, und schon gar nicht nach rechts!" Hoeneß schließt, indem er gewieft Ex-Coach Giovanni Trapattoni zitiert: "Ich habe fertig, danke!" Sein Gesichtsausdruck verrät: Es ist ihm ernst.

Karl-Heinz Rummenigge mit reihenweise Versprechern

20.52 Uhr: Rummenigge ist an der Reihe, redet lange, sehr lange. Markant: Der Vorstandsboss hat reihenweise Versprecher in seiner Rede. Aus Nervosität? Als er sich bei Ex-Trainer Niko Kovac für dessen Arbeit bedankt, merkt man in der Olympiahalle, wie die Bayern-Familie darum bemüht ist, ein gutes Ende mit dem 48-jährigen Kroaten zu finden. Schließlich ist er einer von ihnen – aber nicht da. Dennoch gibt es langen Applaus für seine Verdienste.

Ehe Rummenigge einmal mehr Vollstrecker einer Hoeneß'schen Entscheidung ist: Flick langfristig zum Cheftrainer zu machen. "Hasan (Salihamidzic, d. Red.) und ich hatten in den letzten Tagen mehrere Gespräche mit Hansi. Wir haben gestern entschieden, dass bis auf Weiteres mindestens bis Weihnachten heißt, und möglicherweise darüber hinaus", erklärt Rummenigge: "Ich sage voller Überzeugung: Wir vertrauen Hansi Flick!" Die Zustimmung in der Halle ist groß. Weit mehr als ein Nebenaspekt.

21.15 Uhr: Der einzige Aufreger an diesem Abend, wenn auch nur ein kurzer. Rummenigge nennt Kahn einen "topvernetzten Geschäftsmann", da ruft eine Frau aus dem Publikum dazwischen: "Nein zu Katar!" Das Sponsoring des Emirats, das wegen angeblicher Menschenrechtsverletzungen kritisiert wird, sorgt auch diesmal an der Basis für Unmut.

Rummenigge und Hoeneß: Stichelei gegen Louis van Gaal

21.30 Uhr: So, wie einst Ex-Coach Louis van Gaal, einer von 21 Trainern unter Hoeneß, den Unmut auf sich zog. "Keiner ist größer als der Klub, und das hast du manchem Trainer erklären müssen", referiert Rummenigge, schaut zu Hoeneß auf, beide schmunzeln und die Halle lacht. Es sind Sequenzen, die beweisen, dass sich beide eben doch näher stehen als es den Anschein hat.

So lobt Hoeneß seinen lanhgjährigen Weggefährten süffisant für "die emotionale Rede". Rummenigge entgegnet: "Verarschen kann ich mich selber." Hoeneß: "Der Unterhaltungswert war auch schon schlechter hier." Wäre es nur immer so schön leicht.

22.11 Uhr: Hainer, der ehemalige Adidas-Chef, übernimmt. Es geht um den Erhalt bayerischer Tradition. Gut gewählt: Die Identitätsfrage steht zumindest bei der Münchner und oberbayerischen Fanbasis über allem, das merkt man auch an diesem Abend.

Hainer versucht, Bedenken zu kanalisieren – und beweist damit ein bemerkenswerten Fingerspitzengefühl. "Der FC Bayern ist bayerische Heimat, der FC Bayern ist 'Mia san mia', das ist unsere Seele, und diese Seele müssen wir uns immer bewahren. Der Erfolg darf nie auf Kosten unserer eigenen Identität gehen", ruft er in die Halle: "Wir dürfen nie vergessen, wo wir herkommen: ein Traditionsverein aus Bayern, aus München. Wir sind der FC Bayern München! Wir bleiben der FC Bayern München!"

Uli Hoeneß wirkt zufrieden: Ja, er hat wirklich fertig!

23.09 Uhr: Die Jahreshauptversammlung ist längst die erwartete Mammutsitzung, was dem feierlichen Rahmen etwas Spannung raubt. Lustig bleibt es bis zum Schluss. Ein Einspieler zeigt David Alaba in bestem Wiener Schmäh: "Servus, lieber Präsident, diesmal bin es wirklich ich, und nicht ein anderer Schwarzer."


Hoeneß lacht herzhaft, als alle Vereinsmitarbeiter mit seinem einstigen Retro-Trikot mit der Nummer zehn auf die Bühne kommen. Der Patriarch blickt zufrieden drein. Man hat den Eindruck: Ja, er hat wirklich fertig!

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen
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