Tierische Glücksbringer Lebende Fußball-Maskottchen: Tierleid oder Tradition?
Geißbock Hennes und Adler Attila sind im deutschen Fußball die einzigen Vereinsglücksbringer mit Herzschlag. Für Tierschützer sind ihre Auftritte eine Zumutung - die beiden Clubs sehen das anders.
Wenn Hennes IX. gemächlich auf dem Rasen des 1. FC Köln geführt wird oder Attila in Frankfurts Stadion auf dem Handschuh seines Falkners eine Fan-Runde dreht, geht ein Raunen durch die Menge. Schließlich sind der Geißbock und der Steinadler als einzige lebende Maskottchen eine echte Seltenheit in der Fußball-Bundesliga.
Welche Bedeutung die tierischen Glücksbringer als Identifikationsfiguren und Sympathieträger für die Vereine und die Fans haben, zeigt sich besonders beim 1. FC Köln. Der Traditionsclub nahm im Februar dieses Jahres den ersten Vereins-Geißbock, Hennes I., posthum in seine Hall of Fame auf.
Doch während die Fans in den Stadien über die Auftritte von Hennes IX. und Attila jubeln, gibt es auch Kritik: Längst fordern Tierschutzorganisationen ein Ende der Auftritte der Tiere, die ihrer Ansicht nach bei ihren Einsätzen leiden. "Ob Adler oder Ziege, für beide Tiere bedeutet der Einsatz im lauten Stadion, die vielen Menschen und die hektische Umgebung einen massiven Stress", kritisiert die Tierrechtsorganisation Peta. Auch der Transport zu den Spielen bringe Stress.
Der Deutsche Tierschutzbund sieht die Situation ähnlich: "Das Tier hat keine Rückzugsmöglichkeit und kann sich dem Trubel im Stadium nicht entziehen." Zudem könne der Lärm im Stadion das empfindliche Gehör der Tiere schädigen. Doch den Tierschützern seien die Hände gebunden, rechtlich könne man kaum etwas machen: "Es ist schwierig, die vom Tierschutzgesetz untersagten "Schmerzen, Leiden und Schäden" nachzuweisen."
Im "Hennes-Mobil" zum Stadion
Hennes I. kam 1950 als Geschenk auf einer Karnevalssitzung zum 1. FC Köln. Seitdem trägt er in neunter Generation, inspiriert von Trainer-Legende Hennes Weisweiler, seinen Namen. "Hennes IX. gehört zum FC wie der Dom zu Köln", heißt es vom FC. Wie schon sein Vorgänger lebt er im Kölner Zoo. An Spieltagen fährt Betreuer Ingo Reipka den Geißbock mit dem "Hennes-Mobil" ins Stadion. "Hennes ist von den Pflegern im Zoo so gut trainiert, sodass er häufig schon fast von allein in den Wagen springt, wenn ich komme", sagt er.
Kurz vor Anpfiff gibt es ein gemeinsames Einlaufen, während des Spiels werde Hennes in seinem "Safe Space" in der Ecke Süd-West versorgt, bevor es wieder zurück in den Zoo gehe. Dass die Stadionauftritte nicht immer so "safe" sind, zeigt ein Vorfall aus 2015: Nach einem Torjubel packte FC-Stürmer Anthony Ujah den damaligen Hennes VIII. an den Hörnern und zog ihn zu sich heran. Die Empörung war groß, Tierschützer sprachen von einem rücksichtslosen Umgang mit dem Tier. Ujah entschuldigte sich später öffentlich.
Ein Adler unter Beobachtung
In Frankfurt begleitet Attila die Eintracht seit 2006 durch Höhen- und Tiefflüge. Der 20 Jahre alte Vogel mit fast zwei Metern Flügelspannweite sei von klein auf an Menschen gewöhnt, sagt Falkner und Adlerhalter Norbert Lawitschka. "Attila hat früher an Flugshows teilgenommen. Er kannte das Mikrofon, die Leute, die Geräuschkulisse - deshalb hat er bei der Eintracht keinen Stress." Ein halbes Jahr habe er Attila an das Stadion gewöhnt, bevor er offiziell vorgestellt wurde.
Auf einen Adler als Maskottchen setzen auch Fußballvereine im Ausland. So fliegen etwa bei Benfica Lissabon Águia Vitória und bei Lazio Rom Olimpia vor den Spielen durch die Stadien. Attila darf im Frankfurter Waldstadion nicht frei fliegen. Er dreht vor Anpfiff auf dem Arm des Falkners eine Runde durchs Stadion und begleitet die Mannschaft aufs Feld. Das sei kein Problem, erklärt der 70 Jahre alte Falkner.
Doch Peta mahnt an, dass Attila durch das Festbinden am Arm des Falkners die Möglichkeit zum Wegfliegen genommen werde. Laut Tierschutzbund würden Greifvögel zudem traditionell in einen kontrollierten Hungerzustand versetzt, um wieder zum Falkner zurückzukehren. Lawitschka widerspricht den Vorwürfen: "Man sieht doch, dass es ihm gut geht." Attila könne in menschlicher Obhut bis zu 50 Jahre alt werden – älter als in freier Wildbahn.
Plüschige Alternativen
Während Köln und Frankfurt an ihren Maskottchen aus Haut und (Feder-)Haar festhalten, schlagen die Tierschützer plüschige Alternativen vor. Dass der Verzicht auf lebendige Tiere im Stadion funktioniert, zeigten laut Peta andere Bundesliga-Vereine, wie Zweitligist Hertha BSC mit dem plüschigen Braunbären "Herthinho" oder der ungefährliche "Wölfi" vom VfL Wolfsburg.
- Nachrichtenagentur dpa