Boxen Jubiläumssieg gegen überforderten Herausforderer
Aus Düsseldorf berichtet Jens Bistritschan
Der Weltmeister hat Wort gehalten. Gerade einmal zehn Minuten und zwölf Sekunden Kampfzeit benötigte Wladimir Klitschko, um seinen Herausforderer Jean-Marc Mormeck zu besiegen – und das mit dem 50. Knockout seiner Karriere. Damit verteidigte er seine Weltmeistertitel im Schwergewichtsboxen der Verbände, IBF, WBA, WBO und IBO.
Herausforderer völlig überfordert
Ein würdiger Herausforderer war Mormeck allerdings nicht. Der 39-Jährige wirkte komplett überfordert. Zugegeben, die Klitschko-Brüder haben fast immer gegen kleine Kontrahenten geboxt. Doch selten hatte ein Gegner so wenig Offensivgeist gegen einen der beiden Ukrainer gezeigt wie Mormeck. Der 17 Zentimeter kleinere und 13 Kilogramm leichtere Franzose versuchte gegen Wladimir sich noch kleiner zu machen, mit dem Kopf voraus in den Gegner zu gehen und so dessen Reichweitenvorteil zu Nichte zu machen.
Sogar einen Schlag aufs Auge bekommen
Doch dabei noch effektiv zu schlagen, ist fast ein Ding der Unmöglichkeit. Ob er denn überhaupt Schläge eingesteckt habe, wollte ein französischer Journalist auf der Pressekonferenz von Klitschko wissen. "Er hat mich sogar einmal am linken Auge getroffen. Es brennt immer noch", erklärte dieser - mit einem Lachen.
Die Rechte "gespürt, aber nicht voll spüren müssen"
Während der alte und neue Weltmeister versuchte, seinen Gegner nicht allzu schlecht aussehen zu lassen, wollte Mormeck seine Niederlage irgendwie nicht so ganz wahrhaben. Zwar lobte er seinen Gegner: "Wladimir hat eine starke Rechte. Es ist kein Zufall, dass er seit acht Jahren Weltmeister ist." Dessen Schlaghand habe er "gespürt, aber nicht voll spüren müssen". Eine etwas eigenwillige Aussage – schließlich ging der 39-Jährige zweimal zu Boden, nachdem er Bekanntschaft mit der Rechten des Weltmeisters gemacht hatte.
Mormeck kritisiert den Ringrichter
Zudem haderte Mormeck mit Ringrichter Luis Pabon. "Ich habe nicht die Chance bekommen, auch was zu zeigen. Als kleinerer Mann muss ich an den Mann rangehen. Dazu habe ich nicht die Gelegenheit bekommen. Ich sage nicht, dass da was nicht korrekt gelaufen ist. Aber der Ringrichter war nicht auf meiner Seite." Der Unparteiische habe zu schnell eingegriffen. Allerdings hatte Pabon gar keine andere Wahl. Denn Klitschkos linke Führhand lag immer schnell auf dem Rücken des sich einigelnden Franzosen. Mit einem lauten "No, no, no, no, no" unterbrach der Ringrichter ein ums andere Mal das Geschehen und ermahnte abwechselnd die beiden Kontrahenten – Mormeck dafür, weil er den Kopf zu tief hatte, und Klitschko dafür, weil er seinen Gegner runter drückte.
Ringrichter zählt nicht bis zehn
Merkwürdig war auch Mormecks Sichtweise bezüglich des Endes in der vierten Runde. Mit einem linken Jab hatte Klitschko die Deckung seines Gegners geöffnet, dann einen rechten Cross gelandet. Mormeck duckte sich weg, nahm den linken Arm schützend vors Gesicht, und ging bereits in die Knie, Wladimir schob einen kurzen, aber sehr wirkungsvollen linken Jab zum Kopf nach, worauf Mormeck fiel. Der rechte Wischer im Fallen war für den K.o. wohl eher nicht mehr von Belang. "Er hat nur bis sieben gezählt und dann abgebrochen", beschwerte sich der Franzose. Nach dem zweiten Niederschlag in dem Kampf hatte Pabon ihn in der Tat nicht komplett ausgezählt.
Schon fast in Runde zwei ausgezählt
Das hätte er schon in der zweiten Runde machen können, als Mormeck sich nach einer Links-Rechts-Kombination das erste Mal im Ringstaub befand. Anstatt sich nach dem Aufstehen dem Ringrichter zu stellen und Kampfbereitschaft zu signalisieren, drehte sich der Franzose erst einmal weg und musste von Pabon sanft in die richtige Richtung bewegt werden. Deshalb sollte Mormeck auch nicht die Schuld beim Ringrichter suchen. Denn dieser hatte das einzig Richtige gemacht: die Gesundheit des klar unterlegenen Boxers geschützt.
Nun erneut gegen Thompson
Eine kleine Spitze gegen Mormeck konnte sich aber auch der Sieger nicht verkneifen. Dieser war erst 2009 ins Schwergewicht gewechselt – nach einer Niederlage um die Titel der WBA und WBC im Cruisergewicht gegen David Haye. "Jeder Cruisergewichtler sollte es sich zweimal überlegen, ob er ins Schwergewicht wechseln möchte", sagte Klitschko.
In seinem nächsten Ringduell wird es der 35-Jährige nach den beiden Ex-Crusiergewichtlern Haye und Mormeck wieder mit einem echten Schwergewicht zu tun bekommen, der zudem ein alter Bekannter von ihm ist. Gegen den US-Amerikaner Tony Thompsen siegte Klitschko im Juli 2008 in Hamburg durch K.o. in der elften Runde. Dieser ist der Pflichtherausforderer der IBF. Die Neuauflage des Kampfes soll nach Auskunft von Klitschko-Manager Bernd Bönte entweder am 7. Oder am 14. Juli über die Bühne gehen. Ein Ort stehe noch nicht fest.