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Nawalny-Freund Alexei Schwarz in Bayern: So hilft er russischen Kritikern


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Putin-Kritiker flieht nach Bayern
Der Gestank von faulenden Beinen verfolgt ihn bis heute


Aktualisiert am 03.07.2023Lesedauer: 5 Min.
Alexej Schwarz (links) war im Koordinations-Team von Kreml-Kritiker Alexei Nawalny.Vergrößern des Bildes
Alexej Schwarz (links) war im Team von Kreml-Kritiker Alexei Nawalny. (Quelle: Privat)

Er wurde verfolgt, verhaftet und gefoltert: Ein Putin-Kritiker wird in Bayern sesshaft. Und berät jetzt andere bei der Flucht nach Deutschland. Das ist seine Geschichte.

Ein weiches, nachdenkliches Gesicht, die Stimme ruhig. Alexej Schwarz ist 26 Jahre alt und für das, was er durchgemacht hat, wirkt er erstaunlich gefasst. Nur einmal bittet er um eine Pause, als er davon erzählt, wie er verfolgt, verhaftet und gefoltert wurde.

Alexej Schwarz fürchtete in Russland nicht nur um sein Leben, sondern auch um das seiner Familie. Er arbeitete dort für Wladimir Putins bekanntesten Widersacher, den inzwischen inhaftierten Oppositionspolitiker Alexej Nawalny. 2021 gelang ihm die Flucht aus Russland. Sieben Monate verbrachte er in der Ukraine, heute lebt er in Unterfranken. Doch auch hier erlebt er Anfeindungen. Sein Schicksal steht für das vieler Kritiker des Putin-Regimes in Russland.

Im Gefängnis sei er psychisch gefoltert worden, erzählt Schwarz – weil er Geheimnisse verraten haben soll. In eine winzige Zelle sei er deshalb zunächst mit einem Vergewaltiger zusammengepfercht worden. "Das war erst der Anfang." Danach mit einem Obdachlosen, dessen Beine wegen einer Infektion faulten – und der die Nächte vor Schmerzen durch schrie.

Der Gestank von faulenden Beinen verfolgt ihn bis heute

Der Gestank sei so schlimm gewesen, dass sich die Wärter hätten übergeben müssen, wenn sie die Zelle betraten, erzählt er. Die sogenannte "Nichtraucher"-Zelle: Ein Synonym für Zellen, in denen politische Gefangene einsitzen. Schwarz ist überzeugt: Ihn als Häftling so leiden zu lassen, das haben sie extra gemacht. Nach 58 Tagen ließen sie ihn frei. "Weil ihnen nichts einfiel, um mich länger im Gefängnis zu behalten." 2021 wurde zwar ein Strafverfahren eingeleitet, nach der Verhandlung wurde er freigelassen.

Der Geruch der faulenden Beine verfolgt ihn bis heute – im unterfränkischen Schweinfurt. Wie auch viele andere Erinnerungen aus seiner Zeit im Gefängnis, die er nicht loswird. Alexej Schwarz erfährt hier mittlerweile psychologische Unterstützung.

Verhaftet wurde er, weil er über die Ereignisse in Russland aufklären wollte. Darum arbeitete er für Wladimir Putins bekanntesten Widersacher. Alexej Schwarz war Teamkoordinator für Alexej Nawalny.

Der 26-Jährige erzählt seine Geschichte nüchtern, geübt und stets höflich, in einem zweistündigen, virtuellen Gespräch, von einer Dolmetscherin unterstützt. Er will sie auch für die vielen jungen Russinnen und Russen erzählen, die unter den Entwicklungen ihres Landes leiden. Schwarz sagt: "Ich möchte nützlich sein" – auch im fränkischen Asyl. Sein politisches Engagement hat sich von Demonstrationen vor Ort mittlerweile auch ins Internet verlagert, wo er etwa Presseartikel gegen die russische Regierung in Sozialen Netzwerken teilt.

Unterstützung von grünem Landtagsabgeordneten

Er versuche, diejenigen zu unterstützen, die sich nicht wie er in Freiheit im Ausland befinden, Gleichgesinnten, die Russland verlassen und nach Deutschland kommen wollen. Bis zu 30 Menschen habe er bereits versucht, zu helfen. Indem er ihnen beispielsweise aufzeigt, welche Wege es gibt, in Deutschland Asyl zu beantragen. Nicht bei allen gelang es.

Unterstützung erhält er von Paul Knoblach. Der Abgeordnete der Grünen im Bayerischen Landtag bestätigt, dass sie bislang 13 Putin-Kritikern zu einem Aufenthaltstitel in Deutschland verholfen hätten. Der Politiker aus Schweinfurt hatte Schwarz schon bei der Suche nach einer Wohnung unterstützt. Seitdem treffen sie sich regelmäßig. Zweifel an den Schilderungen von Schwarz hatte Knoblach nie, sagt er. "Nur wer das auch so erlebt hat, kann derart detailreich berichten."

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Wie skrupellos Putin vorgehe, zeige sich schließlich auch am Krieg gegen die Ukraine. Oppositionelle und Kritiker sogar im eigenen Land müssten flüchten, "weil sie sonst ein Leben hinter Gittern, Folter und vielleicht den Tod" zu fürchten haben.

Schwarz hat das geschafft, wovon viele dieser Verfolgten träumen: Er lebt mit seiner Frau in einer Wohnung in Schweinfurt, die Eltern in der Nähe. Vor allem aber lebt er in Sicherheit. Die Familie fühlt sich heimisch, geht vormittags in den Deutsch-Unterricht, schmiedet Pläne für die Zukunft. In Bayern kann Schwarz sich seiner Leidenschaft widmen: der Wissenschaft. Er will an einer deutschen Uni sein Diplom in Physik machen.

Physik studierte Schwarz bereits in Russland, anschließend arbeitete er in einem Forschungszentrum der Regierung. Dort eckte er bald an, denn er störte sich an dem Prinzip: ohne Schmiergelder keine Karriere.

"Ich habe eine ganz neue Welt für mich entdeckt"

Zu dieser Zeit, 2017, lernte er Alexei Nawalny kennen. Den weltweit bekannten und inhaftierten Kreml-Gegner, zu dem Schwarz nach eigener Aussage bis heute Kontakt pflegt. Schwarz wurde damals Koordinator von Nawalnys Anti-Korruptions-Stiftung, hat für sie unter anderem Wahlfälschungen dokumentiert. "Ich habe eine ganz neue Welt für mich entdeckt." Erst da habe er verstanden, was im Land geschehe. Endlich habe er das Gefühl gehabt, wirklich etwas für Russland zu tun. "Ich war so naiv."

Es dauerte nicht lange, bis er zum ersten Mal verhaftet wurde – als er auf einer Demonstration Pro-Nawalny-Plakate aufhing. Je populärer die Bewegung wurde, desto mehr häuften sich die Festnahmen der Anhänger. Er erzählt, dass er insgesamt bis zu 100 Tage hinter Gittern verbrachte. Doch sie hätten ihn jedes Mal wieder gehen lassen müssen, weil sie nichts Handfestes gegen ihn gehabt hätten.

Als er begann, sich um seine Liebsten zu fürchten, entschieden er und seine Familie, Russland zu verlassen. Seine Frau sei verhaftet worden und seinen Eltern hätten Repressalien auf der Arbeit gedroht. Er sei sich sicher gewesen: Man habe ihn aus dem Land verjagen wollen. "Wir waren hier nicht länger sicher."

Schwarz kämpft für Status: "Ich sehe mich als Deutscher"

So machte sich der Aktivist teils zu Fuß auf den Weg in die Ukraine, hatte Glück, dass sie ihn an den Grenzen passieren ließen. Seine Frau folgte ihm mit dem Bus nach Kiew. Monate später schaffte er es schließlich bis nach Bayern. Hier gilt er jetzt als politischer Flüchtling.

Mit dem Status hadert er allerdings. Weil sein Großvater ursprünglich aus Deutschland stammt, kämpft er um die Anerkennung als Spätaussiedler. Dann hätten sie mehr Rechte. Außerdem sagt er: "Ich sehe mich als Deutscher."

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Weil er offen Russland und Putins Politik kritisiert, wurde Schwarz auch in Deutschland schon angefeindet. Von anderen Spätaussiedlern, die von seiner Vergangenheit nichts wissen wollten und sich von ihm durch seine Postings verunglimpft sahen. Hat er auch hier Angst vor Repressalien? "Angst? Nein, um Angst geht es nicht." Darum sei es nie gegangen. Es gehe allein um die Sicherheit seiner Familie.

Heimweh nach Russland habe er keine, sagt er. Auch keine Wehmut, wenn er an das kleine Dorf in Sibirien zurückdenkt, in dem er aufgewachsen ist. "Von dem habe ich mich vor meiner Flucht verabschiedet." Deutschland sei jetzt seine Heimat. Schweinfurt, dieses anfangs für ihn so komisch klingende Städtchen, das bei seiner ersten Google-Suche so wenig von sich preisgab. Eine Rückkehr nach Russland ist für Alexej Schwarz ausgeschlossen.

Verwendete Quellen
  • Virtuelles Interview mit Alexej Schwarz und Dolmetscherin Olga Gleiser
  • Anfrage bei Paul Knoblach
  • bamf.de: Asylgeschäftsstatistik 2023 (29. Juni 2023)
  • twitter.de: schwarz_alexey (28. Juni 2023)
  • sueddeutsche.de: "Wie ein ehemaliger Nawalny-Mitarbeiter in Bayern bedroht wird" (12. Mai 2022)
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