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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Markus Söder und die CSU Stolz auf jedes Klischee
Markus Söders Hau-Drauf-Strategie scheint aufzugehen. Auf dem Parteitag der CSU in Nürnberg erfüllen der Ministerpräsident und die Partei wirklich jedes Klischee.
Auf dem CSU-Parteitag in Nürnberg wird Markus Söder zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl im Oktober gewählt. Soweit wenig überraschend. Neu ist dagegen manches Feindbild: Die FDP gehört neuerdings dazu – genauso wie der Otter.
Wer die Frankenhalle auf dem Messegelände betritt, wird mit Blasmusik begrüßt. Dem Mitschunkeln lässt sich nur schwer entziehen. Ein großes Kreuz prangt da, angeleuchtet – es muss extra für diesen Anlass angebracht worden sein. Dirndl, Janker – mancher CSUler könnte seine Tracht hier nicht stolzer tragen. Brezen und Weißwürste, draußen ein "CSU-Fanshop", mit "Markus Söder"-Jutebeuteln oder blau-weißen Sparschweinchen. Die CSU vermag auf ihrem Parteitag in Nürnberg wirklich jedes Klischee erfüllen. Und sie ist stolz drauf.
Ist das dieser CSU-Spirit, dem sich so viele nicht verwehren können? Jüngsten Umfragen zufolge liegt die CSU in Bayern wieder oben auf. Der Parteitag ist der offizielle Auftakt des Wahlkampfes der Partei, der inoffiziell freilich schon deutlich länger ausgetragen wird. Am 8. Oktober steht die Landtagswahl in Bayern an.
"Wir wollen keine Drogen für unsere Kinder und Jugendlichen"
In seiner über anderthalbstündigen Rede stimmt der amtierende Ministerpräsident viele, viele Themen an: Das sind vor allem populistische Themen, deren Zustimmung er sich hier sicher sein kann. Da ist die Legalisierung: "Wir wollen keine Drogen für unsere Kinder und Jugendliche!" Oder die Diskussion um Wölfe und Bären: "Das sind Raubtiere – die gehören nicht zu uns." Sie seien eine Gefahr für Mensch und Tier. Genauso wie der Otter für den Karpfen in fränkischen Gewässern.
Und überhaupt – wer das Wort "Mutter" durch einen genderneutralen Begriff ersetzen will, habe sie nicht mehr alle. Damit spielt er auf einen Skandal jüngst bei den Öffentlich-Rechtlichen an. Wer glaube, wettert der Nürnberger, dass der Begriff Mama diskriminierend sei, dem sei nicht mehr zu helfen. "Es ist das schönste Wort der Welt!"
Natürlich lässt der CSU-Chef seine Lieblingsthemen nicht aus. Der Länderfinanzausgleich etwa, bei dem Bayern einen unverhältnismäßig hohen Anteil trage: "Statt danke zu sagen, werden wir immer nur angegriffen."
Und da ist das immerwährende Draufhauen auf die Grünen: "Wenn's um Körner geht, flippen die Grünen vor Freude aus, aber wenn Kern draufsteht, kriegen sie sofort Pickel." Die Anspielung auf die von den Grünen gewollte Abschaltung der Atomkraft bringt ihm viele Lacher ein. Die sollten mal von ihrem hohen Ross runterkommen.
CSU: Nicht die Kaviar-, sondern die Leberkäs-Etage
Neu ist dagegen die Schelte gegen die FDP: Wie können sie so viel Verschuldung zulassen, fragt der Nürnberger fassungslos. Würden die Liberalen um Christian Lindner denn gar nicht an die nächsten Generationen denken, die die Schulden ausbaden müssten? Und sowieso – das größte Armutsrisiko in der jüngeren deutschen Geschichte sei die Ampel, erklärt er, während sich seine Stimme überschlägt. Die CSU sei die einzige Partei, die sich noch für den Mittelstand und das Handwerk einsetze. Das bringt ihm viel Applaus ein.
Und dann bekennt er sich ein weiteres Mal zu seinem Platz in Bayern. Seit seinem Auftritt bei Markus Lanz steht die Frage nach seinen Ambitionen auf eine neue Kanzlerkandidatur im Raum – was er verneinte. An diesem Samstag bekräftigt er: "Einmal Berlin reicht." Sein Platz sei hier.
- Kanzlerambitionen: Niemand lügt so treuherzig wie Söder
Er kündigte außerdem erneut drei Klagen an. Noch vor dem Sommer solle eine Klage gegen den Länderfinanzausgleich eingereicht werden. "Bayerisches Geld ist besser daheim aufgehoben als in Bremen oder anderswo." Zudem will die CSU gerichtlich gegen das neue Wahlrecht vorgehen, das Söder verfassungswidrig nannte, zudem gegen Regelungen der Erbschaftsteuer.
Theo Waigel, Edmund Stoiber, die Ministerriege aus der Landeshauptstadt: Sie alle sind da, um ihm zu lauschen – und zu feiern. Die Halle ist proppevoll mit Parteimitgliedern, die aus ganz Bayern angereist sind. Sie alle klatschen nach seiner über anderthalbstündigen Rede vier Minuten lang stehend Beifall. Wenig überraschend, dass er darauf einstimmig zum Spitzenkandidaten der CSU für die in fünf Monaten anstehende Landtagswahl in Bayern gekürt wird – auch weil es keinen Gegenkandidaten gab. Kein einziges Handzeichen wendet sich gegen den 56-Jährigen.
"Ich bin gespannt, wann sie uns die Tracht absprechen wollen", erklärt der Nürnberger am Ende seiner Rede noch. "Aber wir stehen zu unserer Kultur!" Die CSU sei nicht die Kaviar-, sondern die Leberkäs-Etage!
- Reporterin vor Ort
- Mit Material der Nachrichtenagentur