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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Aufarbeitung bei Polizei und Justiz Flucht aus Gericht: Mit Fessel wäre das wohl nicht passiert

Nach der Flucht eines Mörders prüfen Polizei und Justiz Schwachstellen im System. Abgenommene Handfesseln und unerfahrene Beamte waren wohl schuld.
Einem Mörder gelingt die Flucht aus dem Regensburger Gerichtsgebäude. Es war die Schlagzeile im Januar. Mittlerweile wurde Rachid C. zwar in Frankreich gefasst – eine Frage aber bleibt offen: Wie konnte ihm das gelingen? Die Verantwortlichen arbeiten den Fall auf.
Anderthalb Seiten umfasst die Mitteilung der Polizeipräsidien Unterfranken und Oberpfalz sowie dem Amtsgericht Regensburg. Darin erklären die Verantwortlichen, wie sie die spektakuläre Flucht des Rachid C. aufarbeiten wollen. Dem verurteilten Mörder gelang es aus einem Anwaltszimmer im Gerichtsgebäude des Amtsgerichts Regensburg zu fliehen. Vier Tage lang versetzte er nicht nur die Polizei in Aufruhr, bis er schließlich in Frankreich geschnappt wurde. Noch im Januar soll er wieder nach Deutschland ausgeliefert werden.
- Schwere Vorwürfe: So gelang dem Mörder die Flucht aus dem Regensburger Gericht
In Franken und der Oberpfalz beginnt nun die Aufarbeitung. Das Geschehen sei Anlass für eine intensive Prüfung und Nachbereitung durch Polizei und Justiz, heißt es in dem Schreiben vom Montag.
Wird ein Gefangener transportiert, gelten strenge Sicherheitsmaßnahmen. Ob all die eingehalten wurden, wird jetzt geklärt. Eine Vielzahl von Menschen war an der Vorführung des Angeklagten Rachid C. am 5. Januar 2023 beteiligt: Beamte des Polizeipräsidiums Unterfranken, das Amtsgericht Regensburg oder die Justizvollzugsanstalt Würzburg etwa.
Gefährlichkeit des Mörders richtig eingestuft?
Vor allem aber kommt dessen Einstufung der Gefährlichkeit auf den Prüfstand. Danach nämlich richtet sich die Kräfteeinteilung der Beamten bei Übernahme und Bewachung des Angeklagten. Es werde geprüft, ob die Prozesse dazu überarbeitet werden müssen.
Fakt ist: Rachid C. wurden im Sitzungssaal die Handfesseln abgenommen, damit er mitschreiben kann. Das wurde nach eigenen Angaben gerichtlich so angeordnet. Einigkeit bestehe außerdem in folgender Feststellung: Die Flucht hätte wohl verhindert werden können, wenn die Polizisten den Mörder vor Verlassen des Sitzungssaals gefesselt hätten.
Und wenn das Fenster in dem Anwaltszimmer nicht offen gewesen wäre. Das Anwaltszimmer sei nicht gesichert, es diene den Rechtsanwälten als Pausenraum, heißt es. "Für Besprechungen mit inhaftierten Angeklagten ist der nicht überwachte Raum nicht konzipiert." Dies hätten die zuständigen Beamten nicht gewusst, was das Entweichen des Angeklagten begünstigt habe. Daraus werden nun Konsequenzen gezogen: Die ortsfremden Polizeikräfte sollen künftig enger mit dem örtlichen Sicherheitspersonal zusammenarbeiten.
- Anwohnerin: "Man weiß, da läuft ein verurteilter Mörder frei rum"
Auch soll in Zukunft eine noch konsequentere und stringentere Umsetzung der Fesselung erfolgen. Baulich nachgerüstet wird im Gerichtsgebäude aber nicht.
Flucht aus Regensburger Gerichtsgebäude: Hatte Rachid C. Helfer?
Mit all diesen Maßnahmen sollen potenzielle Schwachstellen erkannt werden – um ein "derartiges Fluchtgeschehen in Zukunft zu verhindern", wie es in dem Papier umständlich heißt.
Dazu werde aktuell zu der Frage ermittelt, ob es eventuell Fluchthelfer gegeben habe. Außerdem steht die Frage aus, ob Rachid C. die Flucht länger geplant hatte.
Der 40-Jährige ist unter anderem wegen Mords und Raubs mit Todesfolge rechtskräftig verurteilt. Er verbüßt eine lebenslange Freiheitsstrafe. Beim Prozess vor dem Amtsgericht in Regensburg ging es um eine weitere Straftat, die er im Gefängnis begangen haben soll.
- Gemeinsame Pressemitteilung von Polizei und Amtsgericht vom 23.1.22