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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Söder kämpft gegen Bedeutungsverlust Ich, einfach unverbesserlich
Markus Söder will nicht an Einfluss verlieren und versucht sich jetzt mit alten CSU-Schlagern zu retten. Nur wen will er eigentlich attackieren?
Markus Söder ist gut gelaunt an diesem Abend. Man könnte sogar sagen: Markus Söder ist in Feierstimmung. Söder steht im "Burggrafensaal” eines Nobelhotels in Nürnberg, an der Wand hängen Ölgemälde früherer Herrscher in Originalgröße. Der bayerische Ministerpräsident ist mit seinen 1.94 Metern ungefähr so groß wie die gemalten Mächtigen. Und zuweilen schaut er auch ähnlich triumphal. Nur spricht und bewegt sich Söder eben auch. Dann sagt er lächelnd Sätze wie: "Liebe Freundinnen und Freunde, es ist schön, euch alle zu sehen."
Söder ist an diesem Mittwochabend auf dem Bezirksparteitag der CSU Nürnberg-Fürth-Schwabach. Er ist in der Gegend aufgewachsen, alle kennen ihn, die fünf mitgebrachten Sicherheitsmänner sind eigentlich Dekoration.
Seine Fans liegen ihm hier sprichwörtlich fast zu Füßen, sie beugen sich weit nach vorn, um ein Foto von ihrem Idol zu ergattern. Auf Instagram schreibt Söder danach über den Abend: "Heimspiel in Nürnberg."
Markus Söder, 55 Jahre alt, kehrt in diesen Wochen zurück zu seinen politischen Wurzeln. Auf 31,7 Prozent kam die CSU in Bayern bei der Bundestagswahl. Es war eine Klatsche. Und jetzt? In einem guten Jahr im Herbst kommt die Landtagswahl, da steht die CSU in den Umfragen bei etwa 38 Prozent, also unter Druck. Und Söder damit ebenfalls.
Er hat bereits einige Imagewechsel hinter sich, so oft schon hat er verschiedene Politikerrollen angenommen. Jetzt hat sich Söder entschieden, dass er wieder Politik machen will, wie sie allen CSU-Klischees entspricht. Und wie sie auch viele in der CSU erwarten: Er will die Seele seiner Partei streicheln. Weniger Sanftheit. Mehr Franz Josef Strauß wagen.
An diesem Abend in Nürnberg wirkt es, als wolle sich Söder noch mal vergewissern. Als würde er Anlauf nehmen, um dann über eine Rampe zu springen: Mit dem nötigen Rückenwind aus der Heimat wieder durchstarten. Die Veranstaltung vor seinen Anhängern lässt einen Blick darauf zu, wie sie aussieht, die Strategie des Markus Söder zur Verteidigung seiner Staatskanzlei in München.
Söder legt also los. Er erinnert an den G7-Gipfel vor wenigen Wochen im Schloss Elmau. Warum sei der so gut verlaufen? Söder weiß die Antwort: Na klar, weil er in Bayern stattgefunden habe. Er drückt das so aus: "Wir haben das geboten, was Bayern ausmacht: Tracht und Tradition. Habt ihr einen Grünen oder FDPler gesehen, der das gemacht hat? Die haben alle keine Verbindung zu Bayern!"
Und damit ist Söder schon beim eigentlichen Thema: seinem Angriff auf die anderen Parteien, besonders auf die Grünen. Irgendwann an diesem Abend sagt er, dass Bundesernährungsminister Cem Özdemir jetzt Steuersenkungen für Gemüse wolle. "Das ist doch Schwachsinn!", donnert Söder.
Als Söder Veganer werden wollte
Und schiebt konziliant nach: "Auch ich hab' mehrmals versucht, Veganer zu werden." Kurze Kunstpause. "Aber an der Nürnberger Bratwurst scheiterte immer mein Bestreben." Die Zuhörer lachen. Das ist Söder pur: Ein platter Witz, ein bisschen Selbstironie und die Pointe sind in Nürnberg natürlich die hiesigen Bratwürstchen. Ein guter Rhetoriker war er schon immer.
Dabei ist die Lage für ihn aktuell nicht leicht. Ausgerechnet die Grünen sind der politische Lieblingsfeind der CSU. Doch die überlegen sich im Moment sogar, die Kernkraftwerke in Deutschland weiterlaufen zu lassen. Was bleibt da noch als Angriffsfläche, wenn die Ökopartei schon Politik gegen ihren eigenen Gründungsmythos macht?
Söder löst das an diesem Abend, indem er immer mal wieder ein etabliertes Anliegen der Grünen vor seinem Publikum zerlegt. Gender-Sprache? Nein, danke. Die Frage nach der Energieversorgung? "Ein Affentanz." Und sowieso kämen vonseiten der Bundesregierung doch allerhand Lügen!
Die Stimmung ist herzlich, der Saal atmet Geschlossenheit. Balsam für die Seele eines Politikers, der ganz schön Muffensausen haben dürfte angesichts der neuen Machtverteilung im Land. Das lässt weniger sein Gesichtsausdruck – wie immer siegesgewiss – als der thematische Rundumschlag in Söders Rede erahnen.
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Ministerpräsident Söder: Berlin benachteiligt den Süden
Immer wieder spricht der Ministerpräsident über eine Benachteiligung des Südens aus Berlin. Das ist, neben den Attacken auf die Grünen, sein Lieblingsthema. Zum Beispiel beim Finanzausgleich zwischen den Bundesländern: Da zahle Bayern deutlich mehr ein, als es zurückbekomme. "Ich bin letztens fast vom Stuhl gefallen, als ich die Zahlen gehört habe."
Dann steigert Söder die rhetorische Wucht. Bayern habe, so der bayerische Ministerpräsident, bei der Ampel "keinen Stellenwert". Mehr noch: "Die haben eine Abneigung gegen uns." Und während Söder Folgendes sagt, haut er demonstrativ auf den Tisch: "Wer glaubt, Bayern benachteiligen zu können, muss mit dem ganzen Widerstand von uns rechnen!" Man würde sich nicht wundern, wenn er zur Demonstration seiner Worte gleich eine kleine Heugabel und Fackel aus der Sakkotasche ziehen würde.
Und weil er schon einmal so gut in Fahrt ist, geht es gleich auch noch gegen die SPD: "Die CSU füllt ganze Bierzelte, die Sozis höchstens Bierbänke!" Das Sprachbild ist etwas schief, weil die Söder-Fans auch gern auf gut gefüllten Bierbänken sitzen. Aber das ist erst mal egal. Gegen die Sozen wettern, das kommt immer gut an. Fast so gut wie gegen die Grünen. Und prompt setzt der Applaus ein.
Es wirkt, als wolle Söder zwar in den Scharfmacher-Modus wechseln. Aber als würde er gleichzeitig gar nicht so genau wissen, wen er da eigentlich angreifen kann. Und wo. Die Beliebtheitswerte der Ampelregierung sind nicht schlecht, also attackiert Söder jetzt eben alle. Man weiß ja nie, wann eine Attacke verfängt.
Und Söder versucht, sein Problem des unklaren Gegners mit Fleiß zu lösen. Er macht permanent kleine Termine: Er eröffnet Schulzentren, sitzt in Kitas, spricht auf Marktplätzen von Kreisstädten. Keine Veranstaltung ist ihm zu banal, kein Bierzelt zu klein. Söder hier, Söder da, Söder überall.
Söder redet an diesem Abend fast eine Stunde. Seinem Publikum macht das nichts, sie hören gebannt zu. Als er seine Rede beendet, gibt es minutenlangen Applaus. Am Ende klatschen seine Fans im Gleichtakt. Dann, nach zwei Stunden und gegen 22 Uhr, verlässt er die Veranstaltung. Heimspiel gut und schön, aber er möchte ja woanders hin – und dort auch bleiben, nach der Landtagswahl. Söder steigt also in seine Ministerpräsidenten-Limousine. Und fährt zurück nach München.
- Vor Ort beim Bezirksparteitag CSU Nürnberg-Fürth-Schwabach
- Eigene Recherchen