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Köln: Sarah Niknamtavin ist die jüngste Abgeordnete der Stadt


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Aus der Schule in den Stadtrat
Mit 22 Jahren ist sie Kölns jüngste Abgeordnete

Daniel Rottlaender

Aktualisiert am 10.02.2021Lesedauer: 5 Min.
Sarah Niknamtavin in Köln: Die 22-Jährige versteht sich als Politikerin und Aktivistin.Vergrößern des Bildes
Sarah Niknamtavin in Köln: Die 22-Jährige versteht sich als Politikerin und Aktivistin. (Quelle: Daniel Rottlaender)

Sie war eine stille Schülerin ohne Hobbys, bis sie die Politik für sich entdeckte: Sarah Niknamtavin sitzt für die Linke im Kölner Stadtrat. Was treibt sie an? t-online hat mit der 22-Jährigen gesprochen.

Um Sarah Niknamtavins politisches Wirken zu verstehen, muss man auf das Jahr 2018 zurückschauen. Niknamtavin war gerade in die Schülervertretung ihrer Kölner Gesamtschule gewählt worden. Liebesbriefe zum Valentinstag, Reden zum Schuljahresende, Unterstützung bei Elternabenden – ein Aufgabenprofil, das Niknamtavin nicht erfüllte: "Ich wollte mehr machen und die Situation der Schüler tatsächlich verbessern."

Zu diesem Zeitpunkt war sie bereits bei mehreren Organisationen aktiv. Unicef, Greenpeace, Linksjugend – das politische Engagement wurde bereits während der Schulzeit schnell zum Lebensmittelpunkt.

Als sie eine Umfrage unter den Schülern durchführte, wie zufrieden diese mit der Schulleitung seien, dauerte es keine drei Tage, bis sich eben diese bei Niknamtavins Mutter meldete. "Mir wurde gesagt, ich solle etwas kürzertreten – das hat mich schon wütend gemacht", sagt sie heute. So hatte sie sich die Mitarbeit am Schulbetrieb nicht vorgestellt.

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Kurz nach Beginn des neuen Schuljahres verließ sie die Gesamtschule schließlich mit der mittleren Reife, um sich ganz der Politik und dem Aktivismus zu widmen. Genau diese hatte sie als Jugendliche im Alter von 15 Jahren für sich entdeckt. Zuvor sei sie noch schüchtern und zurückhaltend gewesen: Eine stille Schülerin ohne wirkliche Hobbys, die auf der Suche nach einer Leidenschaft zur Aktivistin wurde.

Sport- und Theaterkurse zu teuer

Zwar informierte sie sich auch über Sport- und Theaterkurse. Doch "viele dieser Angebote waren finanziell nicht darstellbar", sagt die heute 22-Jährige, die aus einfachen Verhältnissen stammt. Die Mutter musste die Familie nach der Trennung von ihrem Mann allein versorgen. Da das Studium der Mutter – sie stammt aus dem Iran – in Deutschland nicht anerkannt wurde, musste sie regelmäßig Jobs nachgehen, die sie eigentlich nicht machen wollte.

Auch oder möglicherweise besonders wegen ihrer sozial eher schwachen Wurzeln wurde Niknamtavin in der Linksjugend heimisch. "Ich habe auch bei den Jungsozialisten und der Grünen Jugend vorbeigeschaut", sagt sie. Die Jungen Liberalen oder die Junge Union waren für sie dagegen keine Option, deren Politikansätze bieten laut Niknamtavin nicht die Lösungen für die Probleme, die sie angehen will.

"Will Schnittstelle zwischen Aktivismus und Politik sein"

Innerhalb kürzester Zeit war sie beruflich als Social-Media-Redakteurin für die Linksjugend tätig. Als die Mutterpartei einen aussichtsreichen Listenplatz für die Kommunalwahl anbot, zögerte Niknamtavin nicht lange und bewarb sich. Sie gewann die Linksjugend-interne Vorwahl und die selbsternannte Aktivistin wurde Teil von etwas, das sie selbst nur zu gerne verändern will – dem politischen System.

"Ich möchte eine Schnittstelle sein zwischen Aktivismus auf der Straße und politischer Arbeit", erzählt sie. Zunächst musste sie aber lernen, wie Politik auf kommunaler Ebene funktioniert: Netzwerke pflegen, Kontakte aufbauen und nebenbei mit den Wählern interagieren.

Ungefiltert und offensiv vertrat sie ihre Überzeugungen: So fordert sie neben einem Ausbau des Straßenbahnnetzes und kostenlosen ÖPNV auch ein klimaneutrales Köln bis 2030. Dafür sollen auf allen städtischen Gebäuden Photovoltaikanlagen eingesetzt werden, durch die Sonnenstrahlen in Energie umgewandelt werden. Die Rhein Energie solle bis 2030 nur noch in erneuerbare Energien investieren.

Auch für Feminismus, soziale Gerechtigkeit und Gleichberechtigung setzte sie sich lautstark ein. Mit ihren Ansichten stieß sie innerhalb der Linken teilweise auf Gegenwehr: "Wir sind bei den Linken nicht anders als andere Parteien", sagt sie. "Auch bei uns braucht man Mehrheiten, um seine Überzeugungen durchzusetzen."

Trotzdem zog sie mit Listenplatz fünf im Rücken in den Wahlkampf, ihrem ersten überhaupt. Sie drehte Videos, verteilte Flyer, klopfte an Haustüren und nahm an Debatten teil. "Teilweise bin ich abends einfach nur noch erschöpft ins Bett gefallen", sagt sie heute. Niknamtavin betont, dass sie versucht habe, sie selbst zu bleiben im Wahlkampf, ein politisches Vorbild habe sie nicht.

Jüngstes Ratsmitglied mit 21 Jahren

"Ich hatte durchaus Angst, als Küken nicht ernst genommen zu werden", sagt sie. Dem sei aber nicht so gewesen. Zwar hätte sie sich Respekt verdienen müssen – allerdings mehr bei den Wählern als bei der eigenen Partei. Einige Wähler seien anfangs skeptisch gewesen, dass eine junge Frau für den Stadtrat kandidiert. Niknamtavin selbst sprach wenig über ihr Alter, viel lieber besprach sie ihre Ziele und Ideen. "Dann verflog auch schnell die Skepsis bezüglich des Alters."

Der Wahlabend am 13. September wurde dann zu einer Achterbahnfahrt der Gefühle für die damals 21-Jährige. "Meine Freunde waren nervöser als ich, ich habe versucht cool zu bleiben." Auch als es auf Grund einer Kommunikationspanne kurzzeitig hieß, dass es nicht mit dem Einzug in den Stadtrat geklappt hätte, behielt sie die Ruhe. Zumindest nach außen. "Innerlich war ich schon sehr nervös", gesteht sie lachend.

Am Ende stand es dann fest: Niknamtavin zog mit 21 Jahren als jüngste Abgeordnete und ohne jegliche Vorerfahrung in den Kölner Stadtrat ein.

Anfangs sei das alles etwas einschüchternd gewesen, erzählt sie. Schließlich haben alle ihre Kollegen bereits Erfahrung im Rat oder in einer Bezirksvertretung. Doch auch in der Fraktion sei ihr Alter bislang kein Thema gewesen, im Gegenteil: Die große Unterstützung half ihr, ihre Nervosität schnell abzuschütteln. Ob das auch in den Ausschüssen und der tatsächlichen Ratsarbeit so sein wird? "Ich bin optimistisch", sagt sie.

Bislang habe es, auch aufgrund der Corona-Krise, nur konstituierende Sitzungen gegeben. Keine Möglichkeit zur inhaltlichen Auseinandersetzung und daher auch noch kein Eindruck von den Ausschusskollegen. Der Austausch mit den Fraktionskollegen laufe aber bereits auf Hochtouren.

Volle Konzentration auf Ratsarbeit

Ihren Job bei der Linksjugend hat sie zum neuen Jahr gekündigt, um sich zunächst ganz auf die Ratsarbeit zu konzentrieren und den Aktivismus ins Parlament zu bringen.

Dass sie damit auch dem traditionellen Wählerklientel der Linken auf die Füße treten könnte, ist ihr durchaus bewusst. Schließlich hätten beispielsweise neue Umweltschutzrestriktionen auch Konsequenzen für die Arbeiterschicht. "Deswegen nutze ich gerne den Begriff 'Klimagerechtigkeit'", erklärt Niknamtavin. "Ich möchte Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit verbinden." Wie diese Klimagerechtigkeit genau aussehen soll, lässt sie offen. "Wir müssen den Arbeitnehmern Angebote machen", sagt sie lediglich.

Und danach? Soll der Rat nur als Sprungbrett für höhere Ämter dienen? "Ich möchte mich zunächst voll auf die Ratsarbeit konzentrieren, was danach kommt, beschäftigt mich aktuell nicht", sagt die 22-Jährige. Der Einzug in den Stadtrat sei der größte Erfolg ihrer jungen Politikerkarriere gewesen. Rückschläge hat sie hier bislang nicht kennengelernt, bis auf die Enttäuschung in der Schülervertretung. Solche Widerstände werden in den nächsten fünf Jahren Teil ihrer politischen Arbeit sein, das ist Niknamtavin klar. Anders als in der Schule ist Wegrennen diesmal aber keine Option.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Sarah Niknamtavin
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