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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Buchvorstellung von "Freiheit" in Köln Merkel verrät in der Flora Details über Putins Machtspiele
Am Montagabend präsentierte Angela Merkel ihr Buch "Freiheit" in der ausverkauften Kölner Flora. Emotional und humorvoll teilte sie politische sowie persönliche Einblicke.
Die Kölner Flora war am Montagabend Schauplatz einer besonderen Lesung: Die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel präsentierte ihr Buch "Freiheit" vor einem ausverkauften Haus. Es war die neunte Station ihrer internationalen Buchtour, vor wenigen Wochen hatte sie erst Barack Obama in Washington empfangen und mit ihr das Buch beworben.
Bereits eine halbe Stunde vor Beginn der Veranstaltung warteten Menschen mit "Tickets gesucht"-Schildern vor dem Eingang der Flora. Wie schon am Nachmittag, als Merkel ihr Buch in einer lokalen Buchhandlung signierte, wo es reichlich Andrang gab, waren unter den Gästen auch junge Menschen, die sich für das politische und private Leben von Merkel begeistert zeigten.
Moderiert wurde die Veranstaltung von der Journalistin Bettina Böttinger, auch Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker war als Gast anwesend. Verlagsleiterin Kerstin Gleba von Kiepenheuer & Witsch eröffnete den Abend und hob die Bedeutung des Buches hervor, das nicht nur die politische Laufbahn der ehemaligen Bundeskanzlerin beleuchte, sondern auch einen sehr persönlichen Blick auf ihr Leben werfe. Sie wies auch darauf hin, dass Merkel das Buch mit ihrer langjährigen Mitarbeiterin Beate Baumann verfasst hat, und nicht etwa mit einem Ghostwriter.
"Das Buch ist so schön, man hält es gern in den Händen."
Merkel selbst gab sich an diesem Abend sehr humorvoll, fast schon leichtfüßig. Auf die Frage, ob die Arbeit an dem Buch eine Herausforderung gewesen sei, antwortete sie: "Ich habe außer meiner Diplomarbeit nie über 70 Seiten geschrieben. Und jetzt sind es über 700." Unkonventionell, aber verkaufsfördernd fügte sie hinzu: "Das Buch ist so schön, man hält es gern in den Händen."
Während ihrer Lesung riss Merkel einige Kapitel aus ihrem Werk an, begann, wie sie sagte, "aus aktuellem Anlass", mit dem Kapitel "Plötzlich Neuwahlen". Damit sorgte sie für den nächsten Lacher, war es doch erst am Montag zur Vertrauensfrage im Bundestag gekommen.
Im Anschluss las sie ein bewegendes Kapitel über ihre Erinnerungen an ihre Kindheit in der DDR. Sie erzählte, wie ihre Eltern ihr Schutzräume geschaffen hätten, in denen sie sich frei entfalten konnte. "Meine Eltern haben mir vermittelt, immer auch an andere zu denken. Dafür werde ich Ihnen immer dankbar sein", so Merkel. Sie beschrieb die Gemeinschaft in der Pfarrgemeinde, in der sie aufwuchs, wie eine Großfamilie. Sie erinnerte sie sich an die Wälder und Wiesen ihrer Kindheit, an Theaterbesuche in Berlin und an die Gespräche mit den Angestellten des Pastorats, die ihren Wissensdurst früh prägten.
Machtspiele mit Putin – über seinen Labrador
Doch Merkel offenbarte an diesem Abend nicht nur ihre persönliche Seite, sondern auch, wie sie sich über die Jahre in der Welt der Macht und Politik behaupten musste. Auf Nachfrage von Bettina Böttinger erzählte sie eine Anekdote von ihrem ersten Treffen mit Wladimir Putin im Jahr 2006. Sie hatte vorab mitgeteilt, dass sie kein großer Freund von Hunden sei, wohl wissend, dass der russische Präsident einen Labrador besaß, den er manchmal mit zu Trreffen nahm.
Mit den Worten "Der beißt nicht" schenkte er ihr 2006 einen Stoffhund, den ein Mitarbeiter der Kanzlerin durch den Kreml tragen musste, wie Merkel es am Abend erzählte. Ein Jahr später nahm Putin seinen Labrador während eines Treffens im Kreml dann doch mit in den Besprechungsraum, wohl wissend von dem Unwohlsein der Kanzlerin. "Ich habe das einfach ignoriert" erinnerte sich Merkel auf Nachfrage von Böttinger. "Aber auf den Fotos sah ich nicht sehr glücklich aus."
Die Flüchtlingskrise 2015: Eine Stunde der Entscheidung
Emotional wurde es, als Merkel über die Nacht vom 4. auf den 5. September 2015 sprach, die ihr politisches Vermächtnis entscheidend prägt. Damals entschied sie, die Grenzen für die Flüchtlinge, die zu Fuß auf Autobahnen unterwegs waren, zu öffnen. "Es handelte sich um eine humanitäre Notlage, und ich wusste, dass wir Verantwortung übernehmen müssen", erklärte sie.
Sie schilderte die Telefonate mit Österreichs damaligem Kanzler Werner Faymann, den rechtlichen Prüfungen durch Frank-Walter Steinmeier und die Suche nach Konsens mit ihren Kabinettskollegen Sigmar Gabriel und Horst Seehofer. "Ich erreichte Seehofer nicht, aber die Entscheidung musste getroffen werden", erinnerte sie sich. Applaus brandete auf, als sie den Moment vorlas, in dem die Flüchtlinge die Grenze passieren durften.
"Kompromisse zu finden, ist kein Spaziergang, sondern oft ein schmerzhafter Prozess"
Angela Merkel sprach auch über ihren Freiheitsbegriff, der ihrem Buch seinen Titel gibt. "Freiheit bedeutet für mich, etwas Neues beginnen zu können. Nach dem Ende meiner politischen Laufbahn bin ich dankbar, ein neues Kapitel aufschlagen zu dürfen", erklärte sie.
Sie betonte, wie wichtig es sei, neugierig auf andere Kulturen und Sichtweisen zu bleiben, und forderte dazu auf, sich aktiv für Rechtsstaatlichkeit und Demokratie einzusetzen. Merkel sprach außerdem ausführlich über die Bedeutung von Kompromissen in der Politik und bezeichnete Kompromisse als unverzichtbaren Bestandteil des politischen Handelns, jedoch auch als etwas, das selten leichtfällt. "Kompromisse zu finden, ist kein Spaziergang, sondern oft ein schmerzhafter Prozess", erklärte sie. Das Publikum bedankte sich am Ende der anderthalbstündigen Veranstaltung mit einem lang anhaltenden, stehenden Applaus bei der ehemaligen Bundeskanzlerin.
- Reporter vor Ort