Bürgerdialog Asyl in Dresden "Haben Containerdorf vor den Kopf geknallt bekommen"
In Dresden fand am Freitag ein Bürgerdialog zur Unterbringung von Asylbewerbern statt. Die Stimmung war aufgeheizt.
Es waren Szenen, die Erinnerungen an 2015 geweckt haben: In Zittau hatten sich am Donnerstagabend aggressive Teilnehmer einer Demo der rechtsextremen Freien Sachsen ins Rathaus gedrängt und eine Stadtratssitzung aufgemischt. In Dresden fürchtete die Polizei am Freitagnachmittag ähnliche Vorfällen und positionierte sich daher mit einem Großaufgebot vor der Dreikönigskirche.
Drinnen lud die Stadt Dresden zum Bürgerdialog Asyl ein: Nach ersten Prognosen rechnete die Stadt mit etwa 2.200 Menschen, die in der Stadt Dresden untergebracht und begleitet werden müssen. Laut Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) fehlen noch 1.600 Plätze: "Die Not ist so groß, dass wir Notunterkünfte geschaffen haben, indem wir an unterschiedlichsten Standorten Hotelzimmer angemietet haben", unterstreicht Sozialbürgermeisterin Kristin Kaufmann (Linke) die drastische Lage.
"Haben Containerdorf vor Kopf geknallt bekommen"
Doch die Redner müssen bei ihren Ausführungen regelmäßig abbrechen, weil sie selbst mit einem Mikrofon nicht gegen einige Zwischenrufe ankommen: Für viele im Saal liegt die Dramatik nämlich an ganz anderer Stelle: "Wir haben dieses Containerdorf vor den Kopf geknallt bekommen – in unmittelbarer Nähe einer Grundschule, Kinderkrippen und des Kindernotdienstes", sagt Diana Schletter, Elternratsvorsitzende der 129. Grundschule, und bezieht sich damit auf das geplante Containerdorf am Rudolf-Bergander-Ring – einem von insgesamt neun Standorten.
Wegen des nun geplanten Containerdorfes wünsche sie sich ein Sicherheitskonzept. Dann wird es polemisch: "Unsere Töchter werden zu Frischfleisch, unsere Söhne zu Opfern, weil sie abgezogen werden." Sie wolle nicht damit anfangen, ihre "sehr selbstständigen Kinder im Herbst und Winter wieder in die Schule bringen zu müssen". Bei Aussagen wie diesen blieb es nicht, bis Moderator und Journalist Oliver Reinhard irgendwann fragte, "glauben Sie wirklich, dass alle Asylsuchenden Kriminelle sind?" Die Fakten sprechen schließlich eine andere Sprache: Laut der Sächsischen Kriminalstatistik sind Straftaten, begangen von Ausländern, im vergangenen Jahr leicht zurückgegangen. Oberbürgermeister Dirk Hilbert verurteilte die Aussagen – allerdings erst im Nachgang, auf eine Anfrage von t-online.
"Wir wissen nicht, wie sich die Zahlen entwickeln"
Oberbürgermeister Hilbert verspricht aber: Der Standort Rudolf-Bergander-Ring sei für Familien vorgesehen. Ein anderer Teilnehmer äußert die Befürchtung, dass aus den versprochenen Familien letztlich junge Männer würden.
Bislang sei jeder zweite Geflüchtete, der in Dresden aufgenommen würde, erwachsen und männlich; rund ein Viertel seien Kinder, ordnet Kaufmann ein: "Wir wissen aber nicht, wie sich diese Zahlen in den nächsten Wochen und Monaten entwickeln", so Kaufmann und stimmt der Elternratsvorsitzenden so weit zu, dass es prinzipiell an Räumen, Gebäuden und Personal mangele, um den Auftrag der Bildung für alle gerecht zu werden.
Containerdorf Sporbitz öffnet Mittwoch – trotz Munitionsfund
Während viele Menschen, die Fragen an Oberbürgermeister oder Sozialbürgermeisterin vorbereitet hatten, gar nicht hereingelassen wurden, nutzen andere das Forum weniger für Fragen, sondern für eigene Vorträge. Der Andrang war so groß, dass alle 320 Stühle im Saal bereits vor Veranstaltungsbeginn belegt waren – das Kirchentor musste von mehreren Sicherheitskräften gesichert werden, um die Wartenden abzuweisen.
Drinnen wird die Flüchtlingsunterkunft im Stadtteil Sporbitz zum nächsten hitzigen Thema: Das Containerdorf soll am Mittwoch eröffnen – obwohl Ex-NPD-Funktionär Max Schreiber auf dem Gelände der Unterkunft Munition gefunden haben will: "Uns hat der Fund überrascht", so Kaufmann, die aber auch klarstellte, dass dieser aus Sicht der Fachbehörden keine unmittelbare Gefahr darstelle.
Wünsche aus dem Publikum, dass Dresden komplett aus der Erstverteilung der Asylsuchenden aussteigen solle, erteilte der Oberbürgermeister eine klare Absage: "Wir haben eine humanitäre Verpflichtung zur Unterbringung und ich werde alles dafür tun, diese zu erfüllen."
- Reporter vor Ort