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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Weltall-Brocken verglühte bei Berlin Experte: So stehen die Chancen auf Asteroiden-Funde
Ein in der Nähe von Berlin verglühter Asteroid sorgt für Aufregung. Wie groß sind die Chancen, Überreste des außerirdischen Objekts zu finden? Ein Experte hat eine überraschende Antwort.
Es geschah in der Nacht von Samstag auf Sonntag. Um 1.32 Uhr erhellte ein Feuerball den Himmel über Brandenburg. Ursache war ein Asteroid, der beim Eintritt in die Erdatmosphäre verglühte. Die US-Raumfahrtbehörde Nasa hatte das Spektakel zuvor angekündigt.
Stefan Gotthold ist Leiter des Bildungsteams der Stiftung Planetarium Berlin sowie der Archenhold-Sternwarte. Für ihn und seine Kollegen war das Schauspiel über dem Landkreis Havelland Gesprächsthema Nr.1. "Wir sind hellauf begeistert", erzählt Gotthold im Gespräch mit t-online.
Dass die Experten bei dieser Meldung völlig aus dem Häuschen sind, ist kein Wunder: Denn die Chance, dass ein Asteroid Deutschland trifft, ist sehr gering. Zwar stürzen täglich rund 20.000 Tonnen Gestein und Staub aus dem All auf die Erde, doch das meiste davon landet im Meer. "Dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass Asteroiden auf Land landen, nur noch 30 Prozent. Und die Wahrscheinlichkeit sinkt weiter, wenn es sich um bewohnte Gebiete handelt", sagt Gotthold. Der verglühte Asteroid, der bei Nennhausen niederging, ist deshalb eine Sensation.
Asteroiden und Kometen
Asteroiden sind Himmelskörper, die nicht flüchtige Stoffe enthalten. Kometen sind schmutzige Schneebälle aus Eis und Gestein. Wenn ein Komet der Sonne zu nahe kommt, schmilzt das Eis und verdampft. So bildet ein Komet seinen Schweif. Asteroiden tun das nicht. Sie bestehen entweder aus Stein oder aus Eisen oder aus Stein und Eisen und haben keinen nennenswerten Wasseranteil. Deshalb sind manche Asteroiden viel schwerer zu entdecken als Kometen.
Bruchstücke "mit Sicherheit" auf Erdoberfläche
Die Nasa konnte den Asteroideneinschlag in der Nähe von Berlin wenige Stunden vorher ankündigen. Es dauerte nicht lange, bis sich dann die ersten Asteroidenjäger auf die Suche nach Bruchstücken des Himmelskörpers machten – auch weil die Gesteinsbrocken viel Geld einbringen können.
Gefunden wurde bisher aber nichts. Doch das bedeute nicht, dass es nichts zu finden gebe. Die Videos, die von den Asteroiden aufgenommen wurden, würden sogar beweisen, dass der Himmelskörper beim Eintritt in die Erdatmosphäre nicht vollständig verglüht sei, meint Gotthold zuversichtlich. "Da sind mit Sicherheit Stücke davon heruntergekommen."
Doch die Jäger müssen geduldig sein. Das Gebiet, in dem Bruchstücke niedergegangen sein könnten, sei Gotthold zufolge, über 500 Quadratkilometer groß. Auch das Tauwetter erschwert die Suche, zumal der Asteroid wie ein schwarzer, verkohlter Stein aussieht. "Man muss sich wirklich Urlaub nehmen und lange suchen", empfiehlt der Experte.
Gotthold selbst hat sich nicht auf die Suche nach Gesteinsbrocken gemacht, denn auch Astronomen haben ein Privatleben. "Ich konnte meine Frau nicht überreden, am Sonntag loszuziehen", sagt er schmunzelnd.
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"Das ist eigentlich nur ein Stein"
Aber kann sich ein Finder wirklich auf das große Geld freuen? Immerhin hat eine Familie aus Elmshorn den Asteroiden, der in ihren Garten gefallen war, für einen stolzen Preis verkauft. Wie viel sie dafür bekommen haben, erfahren Sie hier.
Den genauen Wert zu beziffern, sei schwierig, sagt Gotthold. Der Wert für die Wissenschaft sei natürlich besonders hoch, der Materialwert dagegen kaum der Rede wert. Ein 287 Kilogramm schwerer Eisenmeteorit, der in der Archenhold-Sternwarte liegt, hat beispielsweise einen Materialwert von nur 52 Euro.
"Das ist eigentlich nur ein Stein, als Asteroid wird er plötzlich wertvoll", sagt Gotthold. Und es gibt sie: Menschen, die bereit sind, für herabstürzende Gesteinsbrocken viel Geld zu bezahlen.
Den privaten Weiterverkauf sieht Gotthold auch nicht kritisch. "Es kommt so viel Gestein auf die Erde, dass wir genug Material haben, um es zu untersuchen", sagt der Weltraumexperte. Er empfiehlt Käufern und Verkäufern von Asteroiden aber grundsätzlich, das Gestein genau prüfen zu lassen. Es seien auch Fälschungen im Umlauf.
Planetarium Berlin
Die 2016 gegründete Stiftung Planetarium Berlin vereint die Volkssternwarten Deutschlands, die Archenhold-Sternwarte und die Wilhelm-Foerster-Sternwarte mit dem Planetarium am Insulaner und dem Zeiss-Großplanetarium. Jährlich besuchen mehr als 400.000 Gäste die Einrichtungen der Stiftung. Auf planetarium.berlin können sich Besucher über das Programm und aktuelle Veranstaltungen informieren.
Asteroiden können "Lebensvernichter" sein
Während die einen von dem Himmelsspektakel begeistert sind, macht anderen Angst, dass da etwas aus dem Weltall auf die Erde kracht. Grund zur Sorge hatten die Menschen im Landkreis Havelland allerdings nicht. Wirklich gefährlich kann ein kleiner, herabfallender Asteroid nicht werden, sagt Gotthold. Die Astronomen müssen vor allem die Meteoriten im Blick haben, die so groß sind, dass sie auf der Erde Schaden anrichten könnten: "Ab einem Kilometer Durchmesser reden wir von einem Lebensvernichter."
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Allerdings ist es inzwischen möglich, solch große Meteoriten durch einen kontrollierten Einschlag von ihrer Bahn abzubringen. Im September 2022 testete die Nasa beispielsweise ein Abwehrsystem, indem sie einen Asteroiden mit einer Raumsonde auf seine vorher berechnete Bahn schoss. Die Raumsonde Dart raste dabei mit einer Geschwindigkeit von mehr als 23.000 Kilometern pro Stunde in den Himmelskörper. Dadurch wurde die Bewegungsrichtung des Asteroiden erfolgreich verändert.
Um solch ein Manöver durchführen zu können, müssen sie aber zwei bis drei Jahre vorher entdeckt werden. Mit nur wenigen Stunden Vorwarnzeit ist ein Eingreifen nicht mehr möglich – mit verheerenden Folgen für die Erde.
Viele sind vom Weltall fasziniert
Das klingt für viele Menschen beängstigend, doch die Wahrscheinlichkeit, dass ein Asteroid Schäden auf der Erde anrichten könnte, ist sehr gering. Dennoch sei es Gotthold zufolge wichtig, dass sich Menschen viel öfter in ihrem Leben mit den Themen rund um das Weltall auseinandersetzen.
Daher freut es ihn besonders, wenn das Thema Weltraum durch Himmelsspektakel wie in Brandenburg den Alltag der Menschen erreicht. Die hohen Besucherzahlen im Zeiss-Großplanetarium Berlin zeigten, dass die Faszination für das Universum grundsätzlich da ist.
- Interview mit Stefan Gotthold, Leiter des Bildungsteams der Stiftung Planetarium Berlin und Leiter der Archenhold-Sternwarte
- dw.com: "Nasa: Asteroiden-Ablenkung war Erfolg"