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Drei Fragezeichen: Stimme von Justus Jonas – "Sind eigentlich zu alt dafür"


Interview
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Ende der "Drei Fragezeichen"?
"Wir sind eigentlich zu alt dafür"

  • Autorenprofil Pascal Biedenweg
InterviewVon Pascal Biedenweg

Aktualisiert am 31.07.2023Lesedauer: 7 Min.
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Die drei ??? auf der Bühne: Andreas Fröhlich, Oliver Rohrbeck und Jens Wawrczeck (v.l.) beigestern seit Jahrzehnten ihre Fans. (Quelle: BRIGANI-ART/HEINRICH via www.imago-images.de)

Die Hörspielreihe "Drei Fragezeichen" schreibt seit mehr als 40 Jahren eine Erfolgsgeschichte. Nun erklärt die wohl bekannteste Stimme das Geheimnis dahinter.

Justus Jonas ist ein Berliner. Oder zumindest der Mann, der dem naseweisen jugendlichen Ermittler der Erfolgshörspielreihe "Drei Fragezeichen" seit mehr als 40 Jahren seine Stimme leiht. Oliver Rohrbeck heißt der Mann hinter der Stimme.

Er spricht nicht nur Hollywoodstars wie Ben Stiller, sondern ist auch als Hörspielproduzent und Synchronregisseur erfolgreich. Die Rolle des ersten Detektivs aus den "Drei Fragezeichen" lässt ihn trotzdem nicht mehr los. Das liegt auch daran, dass die Popularität der Serie seit ihrem Start im Jahr 1979 ungebrochen ist.

Neue Folgen werden live bei bundesweiten "Record Release Partys" vorgestellt. Sie sind immer ausverkauft. Im Herbst geht Rohrbeck auf eine besondere Deutschland-Tour: "Ich schreibe ein Buch der "Drei Fragezeichen" zum Ich-Erzähler um und zwischendrin kommen Hörspiel-Sequenzen", erklärt er. "Die Sprecher werden per Casting ausgesucht. Wir stellen dann den Text ins Netz und jeder muss ein einminütiges Video machen und alle
vier Rollen, die da miteinander reden, im Video vorlesen."

Die Tour gastiert unter anderem in Berlin (Huxleys Neue Welt). Auch hier sind die meisten Termine bereits ausverkauft. Tickets gibt es noch für Hamburg, Aachen, Darmstadt und Stuttgart.

Im t-online-Interview spricht Rohrbeck über die Zukunft der "Drei Fragezeichen", über die mögliche Auswirkung von Künstlicher Intelligenz auf seine Arbeit und den Einfluss der Streaming-Plattformen.

t-online: Oliver Rohrbeck, was macht Berlin für Sie so besonders?

Oliver Rohrbeck: Berlin ist wunderschön. Ich fühle mich nach wie vor extrem wohl hier und könnte mir nicht vorstellen, woanders zu leben. Es entspricht genau meinem Lebensgefühl, mitten in der Stadt zu wohnen. Meine Tochter ist jetzt in so ein winziges Dorf nach Mecklenburg gezogen. Da würde ich irre werden.

Berlinern Sie denn privat?

Na klar, ab und zu definitiv – vor allem beim Autofahren, wenn man flucht. Das passiert mir sogar ab und zu noch beim Synchronisieren. Dann sagt der Berliner in mir dann Madratze und nicht Matratze oder Pulizei statt Polizei.

Es ist eine Sache, Dialekte zu imitieren. Heikler wird es bei Akzenten. Das wird heutzutage von einigen schnell als "kulturelle Aneignung" empfunden.

Klar ist: Man darf es nicht übertreiben. Wenn man einen Akzent zu stark in Szene setzt, hat man als Zuhörer irgendwann keine Lust mehr darauf, zuzuhören. Und klar ist auch: Vieles geht heute nicht mehr. Wenn jemand kommt und sagt, er macht einen chinesischen Akzent – keine Chance. Das wurde früher noch gemacht. Und das oft sehr schlecht. Aber mittlerweile muss man natürlich aufpassen, dass das alles noch politisch korrekt ist. Es gibt aber auch Sachen, die etwas übertrieben sind.

Welche?

Mittlerweile ist es schon in der Diskussion, ob es korrekt ist, wenn ein Weißer einen Schwarzen synchronisiert. Angeblich höre man es, wenn ein Weißer spricht. Ich spreche ja auch noch Chris Rock – das hat zum Glück noch keiner kritisiert. Aber es gab schon andere Schwarze in Filmen, wo dann gesagt wurde, dass die auf jeden Fall auch ein schwarzer Sprecher synchronisieren muss. Sie merken: Es steht alles auf Messers Schneide.


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"Das ist ein ganz großer Luxus, den ich leben darf."


Oliver Rohrbeck


Fremdeln Sie mit Ihrer eigenen Stimme?

Nein, ich höre meine Stimme ja auch auf den "Record Release Partys", die ich seit Jahren veranstalte. Aber zu Hause höre ich die "Drei Fragezeichen" nicht. Ich fände es aber auch merkwürdig, wenn ich mit meiner eigenen Stimme schlafen gehen würde.

Wie oft wird Ihre Stimme im Alltag erkannt?

Häufig. Aber es sind immer sehr nette Begegnungen. Natürlich bekomme ich es mit, wenn ich irgendwo ins Restaurant gehe und am Nebentisch plötzlich getuschelt wird. In Berlin geht es aber im Vergleich zu anderen Städten. Bastian Pastewka hat mir auch mal erzählt, dass er hier deutlich seltener erkannt wird. Bei ihm ist es aber natürlich noch häufiger, er ist ja ein Fernsehgesicht und ich nicht.

Warum nicht?

Ich wollte das nie. Ich hatte in den vergangenen Jahren genug Angebote, habe aber immer abgelehnt. Ich sollte zum Beispiel Gast in den Kochshows von Henssler oder Melzer werden. Ich muss aber nicht ständig präsent sein.

Das ist aber natürlich auch ein Luxus, den Sie haben. Nicht viele Ihrer Kollegen könnten so etwas ablehnen.

Völlig klar, dessen bin ich mir auch bewusst. Das ist ein ganz großer Luxus, den ich leben darf.

Wie ist das für Sie, in der öffentlichen Wirkung durch die Rolle Justus Jonas als Rechthaber zu gelten?

Wenn man eine Figur, die fast jeder kennt, automatisch mit einer Stimme verbindet, dann kann ich da nur stolz drauf sein. Jens Wawrczeck will, dass man ihn nicht nur auf Peter Shaw reduziert – ich finde, das ist falsch. Ich empfinde das überhaupt nicht als Reduktion. Den Leuten fällt schon auf, dass man auch außerhalb der "Drei Fragezeichen" aktiv ist.

Wie ist die Beziehung zu Ihren beiden "Detektiv-Kollegen"?

Das ist schon eine richtig innige Freundschaft. Es hat einen extremen Wert, das Leben der anderen seit mehr als 40 Jahren zu begleiten. Wir wissen alles voneinander und freuen uns natürlich auch immer darauf, uns zu sehen und auszutauschen. Wir wissen alle um die Außergewöhnlichkeit dieses gesamten Projektes. Uns ist klar: Wir sind eigentlich zu alt dafür. Und trotzdem dürfen wir die Rollen noch sprechen, weil sich keiner eine Stimmveränderung vorstellen kann.

Ist Justus Jonas die Rolle, für die Sie am meisten Geld bekommen?

Ja. Wir haben uns vor einigen Jahren darauf geeinigt, dass wir keine Folgengage mehr nehmen und stattdessen einen Plattenvertrag unterschrieben. Das war für beide Seiten ein Erfolgsfall. Wir freuen uns, dass das so ist und wir sind auch weiterhin motiviert.

Nun gab es in den vergangenen Jahren durch Streaming-Anbieter wie Spotify oder Apple Music drastische Änderungen – auch für die Hörspiel-Industrie. Inwieweit betrifft das auch die Künstler?

Ich mache mir eigentlich keine Sorgen um uns Künstler. Ich mache mir Sorgen um die Presswerke. Die müssen in richtig teure Technik investieren, aber wer will den heutzutage noch eine DVD in irgendein Gerät reinschieben? Wer will seine CD-Sammlung zu Hause verstauben lassen? Alle hören es auf Spotify und Apple. Für die "Drei Fragezeichen" war es sogar eher ein Glücksfall.

Warum?

Wir hatten immer hohe Erfolgszahlen, aber wir waren natürlich auch großer Pandemie-Gewinner. Irre viele Leute haben beim Zuhause-Bleiben gestreamt, was das Zeug hält. Die Leute hören ja beim Einschlafen nicht eine Folge durch, sondern schlafen nach zehn Minuten ein. Und dann hören sie am nächsten Tag wieder die ersten zehn Minuten und schaffen es dann vielleicht bis Minute 30. Und dann hören sie die Folge noch mal und noch mal. Das Streaming hat es uns extrem erleichtert, uns noch mehr zu verbreiten.

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Streaming hat sich zu einer unverzichtbaren Größe entwickelt. Nun drängt KI auf den Markt. Empfinden Sie das als Bedrohung?

Das ist schon sehr spannend. Es gibt Versuche, dass man ganze Filme oder Serien mit der Originalstimme des Schauspielers besetzen kann. Also Brad Pitt gibt seine Stimme ab und die KI kann das dann auf eine andere Stimme umrechnen. Und dann wird auch noch die Mundbewegung von ihm auf Deutsch abgeändert, sodass man dann Brad Pitt in Originalstimme auf Deutsch bekommt. Das sind aber momentan für große Kinofilme noch zu große Rechenumfänge – und ich kann es mir auch nicht vorstellen, dass das für alle Emotionen funktioniert.

Aber die Frage ist doch: Wird es den Job des Synchronsprechers in zehn Jahren noch geben?

Das ist eben die Frage, die momentan heftig diskutiert wird. Und die andere Frage lautet: Wollen wir, dass die KI alles übernimmt? Es gibt verschiedene Entwicklungen, bei denen ich sehr gespannt bin, ob und wie die funktionieren. Ich glaube, dass wir als Künstler es sehr gut machen. Aber natürlich soll künftig alles billiger werden und schneller gehen.


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"Ich bin jetzt Großvater – irgendwann wird man das auch meiner Stimme anhören."


Oliver Rohrbeck


Selbst wenn KI nicht alles übernimmt: Werden Sie Justus Jonas in zehn Jahren überhaupt noch sprechen können?

Das weiß ich nicht. Was wir nie gemacht haben, ist, mit Mitte 40 oder 50 wie Kinder sprechen zu wollen. Wir haben nie die Stimme verstellt. Am Ende ist es eine schauspielerische Geschichte, dass ich die Haltung der Rolle, die Haltung der Figur einnehme. Ich stelle mir Justus Jonas einfach anders als Ben Stiller vor, und dann hat er mit 18 natürlich eine andere Auffassungsgabe und dann klingt die Stimme auch automatisch anders. Das kann man also sicher noch eine ganze Weile so machen, aber wir haben es auch nie unnatürlich gemacht.

Wie lange ist eine ganze Weile?

Ganz ehrlich: Wir wissen alle nicht so wirklich, wie lange es so weitergeht. Noch wollen wir es ein paar Jahre machen. Aber ich bin jetzt Großvater – irgendwann wird man das auch meiner Stimme anhören.

Und dann hören Sie drei gemeinsam auf? Oder ist es möglich, dass Sie allein weitermachen, wenn die anderen beiden aufhören?

Das würden wir alle nicht wollen. Wir haben mit den "Drei Fragezeichen" einen Wert geschaffen, den wir gerne schützen möchten. Es ist für viele Kindheit – für uns auch. Da können wir ja gar nicht leichtfertig sagen, dass wir darauf keinen Bock mehr haben. Das ist ein riesengroßes Erfolgsmodell, das wir nicht einfach mit Füßen treten können. Andere haben es da aber auch schwieriger als wir. Die werden es nicht 40 Jahre lang durchhalten.

Wen meinen Sie?

Ich habe Stefan Raab beispielsweise immer dafür bewundert, dass er von heute auf morgen aus dem Rampenlicht verschwunden ist. Aber natürlich überholt sich eine Sendung wie "TV Total" irgendwann einmal, wenn du jede Woche fünfmal im Fernsehen zu sehen bist. Das verbraucht sich irgendwann. Ich bewundere auch Joko & Klaas dafür, was die für einen Output und welche Bandbreite sie haben. Sie machen tolle Quatsch-Sendungen, wo man einfach mitlachen muss. Sie nutzen ihre Reichweite aber auch für ernste Themen, mit denen sie uns auf die Füße treten und wachrütteln. Aber wie lange kann man es als ein solches Duo durchhalten? Wahrscheinlich nicht so lange wie wir mit den "Drei Fragezeichen". Die sitzen einfach auf einem ganz anderen Schleudersitz als wir.

Justus Jonas und die "Drei Fragezeichen" wird es also auch noch in den kommenden Jahren geben?

Ja. Auf jeden Fall.

Herr Rohrbeck, vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Oliver Rohrbeck
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