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"Pascha"-Aussage von Friedrich Merz: Lehrerin kritisiert CDU-Chef scharf


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Lehrerin zu Merz' "Pascha"-Aussage
"Parteien wie CDU und AfD schüren rassistische Ressentiments"

  • Nils Heidemann
InterviewVon Nils Heidemann

Aktualisiert am 12.01.2023Lesedauer: 3 Min.
urn:newsml:dpa.com:20090101:221229-99-47617Vergrößern des Bildes
Friedrich Merz (Archivbild): Er bezeichnete Migrantenkinder als "kleine Paschas". (Quelle: Michael Kappeler/dpa)

Friedrich Merz polarisiert mit einer Aussage zu Migrantenkindern in Deutschland. Die Lehrerin und Grünen-Politikerin Bahar Aslan kritisiert das scharf.

Im Zuge der Integrationsdebatte in Deutschland ist CDU-Chef Friedrich Merz wegen einer Aussage heftig in die Kritik geraten. In der Talkshow von Markus Lanz bezeichnete er Migrantenkinder nach den Silvesterkrawallen insbesondere in Berlin als "kleine Paschas" und sprach von einem "veritablen Problem mangelnder Integration". Bahar Aslan ist Lehrerin an einer Brennpunktschule in NRW und Politikerin bei den Grünen. Im Gespräch mit t-online macht sie klar, warum sie solche Statements für gefährlich hält.

t-online: Frau Aslan, was haben Sie bei der "Pascha"-Aussage von Friedrich Merz gedacht?

Bahar Aslan: Dass mal wieder Kinder, die sowieso marginalisiert sind und nicht an der Gesellschaft teilnehmen können, für eine rassistische Debatte herhalten müssen. Kinder, die abgehängt sind und in sozialen Brennpunkten aufwachsen. Kinder, die durch unsere Bildungs- und Sozialpolitik nicht adäquat gefördert werden können. Parteien wie CDU und AfD schüren diese rassistischen Ressentiments, um auf Kosten dieser Menschen Wählerstimmen abzugreifen. Es ist eine unsägliche Migrationsdebatte.

Was genau versteht Merz denn nicht?

Er übersieht einen Punkt: Das sind deutsche Kinder. Ganz unabhängig davon, ob sie geflüchtet sind oder ob ihre Eltern erst später hierhin gezogen sind. Ich als Lehrerin möchte die Kinder so erziehen, dass sie sich mit Deutschland identifizieren. Denn es ist auch ihr Land. Doch wenn sie in der breiten Öffentlichkeit als "Paschas" und Integrationsunwillige bezeichnet werden, können wir sie nicht für unsere Gesellschaft gewinnen. Sie sammeln leider wenig positive Erfahrungen mit deutschen Institutionen, auch mit der Schule. Sie werden von ihr und teilweise auch von den Lehrern nicht beachtet und wahrgenommen. Es braucht Strukturen seitens der Politik, die uns unter die Arme greifen.

Dabei blickt Merz in seinen Aussagen auch implizit auf Lehrerinnen, um sie zu schützen. Was sagen Sie dazu, dass er so für Sie spricht?

Ich würde ihm unterstellen, dass er von der Realität der Schulen in sozialen Brennpunkten wenig Ahnung hat. Genauso wie von den Schülerinnen und Schülern und ihrer Biografie. Und er weiß nicht, was Lehrerinnen im Alltag wirklich stemmen müssen.

Probleme gibt es also schon, insbesondere in sozialen Brennpunkten?

Das kann man nicht von der Hand weisen. Man sollte aber nicht mit Vorurteilen herangehen und von kleinen "Paschas" reden, sondern sich ein differenziertes Bild von der Situation machen. Man sollte genau hinschauen, was die Gründe dafür sind, dass in bestimmten Schulen oder Einzugsgebieten das Gewaltpotenzial höher ist. Die Gründe dafür sind vielfältig.

Zum Beispiel?

Kinder werden in ein soziales Feld hineingeboren. Vielleicht auch in eine Familie, in denen die Eltern schlecht Deutsch sprechen oder das deutsche Schulsystem nicht ausreichend kennen. Eventuell sind die Eltern auch überfordert und haben ihre Kinder vernachlässigt, vielleicht erfahren diese sogar Gewalt. Aber das ist nicht die Schuld der Kinder. Das darf nicht bedeuten, dass wir die Kinder nicht wertschätzend behandeln. Man muss doch versuchen, das Bestmögliche aus ihnen herauszuholen. Wenn ständig eine Debatte losgetreten wird, dass die Kinder unerwünscht sind, konterkariert das meinen Bildungsauftrag. Die Kinder kommen zu mir und sagen: "Frau Aslan, das stimmt alles gar nicht. Man will uns hier gar nicht".

Am häufigsten betrifft das offenbar junge Männer.

Ich erlebe immer wieder, dass Lehrerinnen zum Probearbeiten vorbeikommen und mit Respekt an solchen Jungsgruppen vorbeilaufen. Aber wenn man die einmal kennenlernt, das Eis gebrochen ist und diese Menschen einen als Autoritäts- und Bezugsperson akzeptieren, dann zeigen sie auch ihre verletzliche Seite. Es braucht andere Herangehensweisen und nicht diese Hetze. Dann versteht man als Lehrerin vielleicht auch, warum solche Jungs so hart auftreten. Warum sie sich nach außen so stark geben. Weil sie sich in vielen anderen Lebensbereichen als die Marginalisierten und Schwachen fühlen.

Sie werden nicht müde zu betonen, dass in den Kindern viele Potenziale stecken. Sie sagen, sie seien pfiffig und intelligent. Was braucht es denn Ihrer Meinung nach, um die Situation zu verbessern?

Es würde ganz anders an Brennpunktschulen aussehen, wenn diese mehr finanzielle Mittel und ausreichend geschultes Personal bekommen würden. Und generell mehr Möglichkeiten, damit die Kinder ihre Potenziale ausschöpfen können. Die Schüler sind für mich wie Rohdiamanten, die noch geschliffen werden müssen.

Verwendete Quellen
  • Eigenes Interview mit Lehrerin Bahar Aslan
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