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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Ukraine-Krieg Scholz "irritiert" über Friedenstruppen-Diskussion
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Deutschland steht an der Seite der Ukraine, das ist für Kanzler Scholz klar und er nimmt dabei auch die Amerikaner in die Pflicht. Eine Sache will er derzeit aber noch nicht zusagen.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat die deutsche Unterstützung für die Ukraine abermals betont und kurz vor dem Aufeinandertreffen von US-Außenminister Marco Rubio mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow auch an die "amerikanischen Freunde" appelliert.
Nach dem spontan für Montagnachmittag einberufenen informellen Treffen mehrerer EU-Staatschefs sagte Scholz vor Pressevertretern: "Diese Dinge stehen nicht zur Verhandlung an." Dabei zählte er auf, dass es der Ukraine ermöglicht werden müsse, ihren Weg hin zur Aufnahme in die EU weiterzugehen, die Demokratie und Souveränität des Landes müsse geschützt werden. Darüber hinaus müsse die Ukraine in der Lage sein, "eine eigene starke Armee zu unterhalten". "Dafür werden dann auch wir gebraucht, gemeinsam mit unseren amerikanischen und internationalen Freunden und Partnern", so Scholz.
Am Nachmittag traf neben Scholz auch der britische Premier Keir Starmer am Élysée-Palast ein. Auch Italien, Polen, Spanien, die Niederlanden und Dänemark sind vertreten sowie die Spitzen von EU und Nato. Die Europäer wollen beraten, wie sie mit dem Kurswechsel der US-Politik im Ukraine-Krieg umgehen. Kurz vor Beginn des Treffens telefonierte Gastgeber Emmanuel Macron noch mit US-Präsident Donald Trump.
Trump will möglichst bald Verhandlungen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin über ein Ende des russischen Angriffskrieges in der Ukraine beginnen. US-Außenminister Marco Rubio und ranghohe Vertreter Russlands wollen diese Woche in Saudi-Arabien darüber sprechen – ohne Beteiligung der Ukraine oder anderer europäischer Vertreter. Die USA haben bereits klargemacht, dass sie keine Soldaten zur Sicherung eines Waffenstillstands in die Ukraine entsenden wollen.
Lockerung der Ausgabenregelung gefordert
Für Scholz liegt der erste Schritt für die Unterstützung der Ukraine und die europäische Wehrfähigkeit in der Finanzierung. Er sprach sich deshalb für eine Lockerung der Ausgabenregelungen auf deutscher und europäischer Ebene aus. "Es ist ganz klar, dass unsere fortgesetzte und weiter notwendige Unterstützung für die Ukraine nur möglich ist, wenn wir uns entschließen können, das gesondert zu finanzieren", sagte Scholz.
Eine Finanzierung durch Kürzungen an anderer Stelle im Bundeshaushalt würde scheitern und keine Unterstützung in der Bevölkerung finden. Er habe auf europäischer Ebene vorgeschlagen, den einzelnen Mitgliedstaaten in diesem Zusammenhang größere Spielräume einzuräumen. Zur Frage nach der Stationierung deutscher Soldaten in der Ukraine als Teil einer Friedenslösung sagt Scholz, es sei für derartige Debatten zu früh.
Scholz hält Frage nach Bodentruppen für "völlig verfrüht"
Auf Nachfrage äußerte sich der Kanzler auch zum Thema Bodentruppen. Er wiederholte seine bereits zuvor geäußerte ablehnende Haltung. Er halte die komplette Debatte über den möglichen Einsatz von Bundeswehrsoldaten in Friedenstruppen für "völlig verfrüht".
"Ich bin sogar ein wenig irritiert über diese Debatten, das will ich ganz offen sagen", sagte Scholz nach dem Ukraine-Gipfel in Paris. Hier werde über die Köpfe der Ukrainer hinweg über mögliche Ergebnisse von Friedensgesprächen diskutiert, die noch nicht stattgefunden haben. "Das ist höchst unangemessen, um es ganz offen und ehrlich zu sagen."
Der britische Premierminister Starmer war vor dem Gipfel vorgeprescht und hatte sich "bereit und willens" gezeigt, notfalls Soldaten in das von Russland angegriffene Land zu entsenden. In einem Gastbeitrag für den "Telegraph" schrieb er, Großbritannien könne bei der Arbeit an Sicherheitsgarantien für die Ukraine eine "führende Rolle" übernehmen. Macron treibt das Thema einer europäischen Friedenstruppe schon länger voran. Bereits Mitte Dezember, sechs Wochen vor dem Amtsantritt Trumps, gab es Berichte über entsprechende Pläne der Regierung in Paris. Polen hingegen lehnt einen solchen Einsatz ab.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte mit Nachdruck für europäische Friedenstruppen geworben. "Ich finde, dass wir sehr stark vorangekommen sind bei der Frage eines Kontingents", sagte er der Nachrichtenagentur Interfax-Ukraine zufolge Journalisten am Ende eines Besuchs in den Vereinigten Arabischen Emiraten. "Wir wollen Sicherheitsgarantien nicht nur auf dem Papier, sondern auf dem Boden, im Wasser, in der Luft, Flugabwehr, Flugzeuge, Schiffe."
- Eigene Beobachtungen
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und Reuters