Nordkoreaner kämpfen gegen Ukraine Ein tiefer Einschnitt
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Erstmals sind Nordkoreaner unter ukrainischen Beschuss geraten. Der Vorfall zeigt einmal mehr eine beunruhigende Entwicklung: Nordkorea ist Kriegspartei. Was bedeutet das für die Lage in Kursk?
Die ersten Gerüchte gab es bereits im Juli 2024. Eine Gruppe nordkoreanischer Ingenieure sei auf dem Weg in die von Russland besetzte ukrainische Stadt Donezk, um beim Wiederaufbau zu helfen, meldeten Medien aus Südkorea. Zwei Monate später besuchte der neu ernannte Chef des russischen Sicherheitsrats und ehemalige Verteidigungsminister Sergei Schoigu Nordkorea und traf sich dabei mit Machthaber Kim Jong Un.
Dann ging alles ganz schnell.
Bereits Anfang Oktober meldeten ukrainische Geheimdienstquellen, dass sechs nordkoreanische Offiziere bei einem Angriff nahe Donezk gestorben seien. Südkoreas Regierung bestätigte das. In den folgenden Wochen überschlugen sich die Berichte: Nordkoreanische Truppen würden in Russland ausgebildet, seien danach an die Grenze zur Ukraine geschickt worden. Erst vergangene Woche erklärte US-Außenminister Antony Blinken, dass ihr Einsatz gegen ukrainische Truppen kurz bevorstehe.
Und so ist es offenbar gekommen. Am Montag erklärte Andrij Kowalenko, Leiter des Zentrums zur Bekämpfung von Desinformation des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates der Ukraine, auf Telegram: "Die ersten Militärangehörigen der DVRK (Demokratische Volksrepublik Korea, Anm. d. Red.) sind bereits in der Region Kursk unter Beschuss geraten." Es ist ein kurzer Satz, der ein völlig neues Kapitel des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine markiert.
Mindestens 10.000 Nordkoreaner in Kursk
Noch ist nicht viel über den Vorfall bekannt. Hat die ukrainische Armee russische Stellungen in Kursk angegriffen, in denen Nordkoreaner stationiert waren? Waren die Soldaten des Kim-Regimes Teil eines Angriffs auf Ukrainer in der Region? Hat es gar Tote oder Verletzte auf einer oder beiden Seiten gegeben? All das ließ Kowalenko unbeantwortet, ebenso wenig äußerten sich die ukrainische Militärführung oder die Regierung in Kiew.
Die nordkoreanischen Soldaten sollen, so scheint es zumindest bisher, zunächst die russische Gegenoffensive in Kursk unterstützen. Anfang August waren ukrainische Soldaten in die Grenzregion einmarschiert. Zwischenzeitlich kontrollierten sie mehr als 1.000 Quadratkilometer russischen Bodens. Russlands Antwort ließ länger auf sich warten, läuft jedoch seit wenigen Wochen an – und das nun wohl mit Unterstützung nordkoreanischer Soldaten. Mindestens 10.000 Nordkoreaner sollen laut US-Angaben bereits in Kursk stationiert sein, die Ukraine spricht von 11.000 Mann. Mehr könnten folgen.
Nordkorea wird damit zur Kriegspartei. So zumindest argumentiert Marko Milanovic, Professor für internationales Recht an der britischen University of Reading. "Nordkorea ist nun Hauptschuldiger und nicht nur Komplize bei Russlands Fehlverhalten", schreibt Milanovic in einem Blogeintrag für das Fachmagazin "European Journal of International Law". Das gelte besonders dann, wenn Nordkorea die Kommandogewalt über seine Soldaten nicht vollständig an Russland übergebe. Seine Ansicht teilen auch andere Völkerrechtler.
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Putin trifft sich mit Kims Außenministerin
Die enge Zusammenarbeit Russlands und Nordkoreas in diesem Krieg wurde am Montag zudem vom Treffen der nordkoreanischen Außenministerin mit Kremlchef Wladimir Putin in Moskau unterstrichen. "Bei uns ist heute ein Feiertag, und sich an Feiertagen mit guten Freunden zu treffen, ist eine gute Tradition", sagte Putin zur Begrüßung an Choe Son Hui gerichtet. Der 4. November ist in Russland der "Tag der Einheit des Volkes". Details gab der Kreml nicht bekannt. Wohl aber überbrachte die Ministerin Grüße des Diktators Kim Jong Un an Russlands Präsidenten.
Es bleibt abzuwarten, wann und in welchem Ausmaß nordkoreanische Soldaten tatsächlich gegen ukrainische Truppen eingesetzt werden. Bisher gibt es zumindest bis auf die Meldung aus der Ukraine am Montagmorgen keine Anzeichen dafür. Das wird sich voraussichtlich bald ändern, davor warnten bereits sowohl Kiew als auch Washington.
Welchen Einfluss haben die Nordkoreaner auf die Kämpfe in Kursk?
Zudem bleibt abzuwarten, ob der Einsatz der Nordkoreaner für Russland eine entscheidende Hilfe sein kann. Russland hat zwar in den vergangenen Monaten hohe Verluste erlitten – zuletzt sprach der estnische Geheimdienst von 40.000 gefallenen, verletzten oder vermissten Soldaten allein im Oktober –, dennoch gelingt es Russland, den Druck auf die ukrainischen Verteidiger besonders im Donbass aufrechtzuerhalten. Und auch in Kursk scheint Russland Fortschritte zu machen.
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Bereits Mitte Oktober berichtete der US-Thinktank Institute for the Study of War, dass Russland rund 46 Prozent des von der Ukraine eroberten Territoriums in Kursk wieder zurückgewonnen habe. Experten gehen davon aus, dass es sich dabei jedoch lediglich um die Gebiete handle, die für die Ukrainer ohnehin schwierig zu verteidigen waren.
Michael Bohnert von der US-Denkfabrik Rand Corporation etwa sagte dem "Business Insider", dass die ukrainischen Truppen dort kämpfen könnten, wo es vorteilhaft für sie sei, während sie sich von schwierigeren Lagen zurückziehen könnten. "Das ist eine sehr effiziente Weise zu kämpfen", so Bohnert.
William Alberque vom US-Thinktank Stimson Center bestätigte dem Portal diese Einschätzung: "Man könnte die jüngsten Fortschritte betrachten und sagen, dass sie groß sind, aber ich würde auch sagen, dass es daran liegt, dass die Ukraine so viel Territorium eingenommen hat, mehr als sie überhaupt verteidigen wollte." Für die Ukraine sei es nun einfach, sich zurückzuziehen und Gebiete zu besetzen, die sie normalerweise niemals halten könnte.
Letztlich profitiert die Ukraine in Kursk vorrangig von ihrem einhaltbaren strategischen Ziel. Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte bereits erklärt, dass die eroberten Gebiete nicht für immer gehalten werden sollen.
Es geht den Ukrainern offenbar vor allem um eine Pufferzone, aber auch darum, die Moral der eigenen Truppen angesichts zuvor lange ausgebliebener Erfolge auf dem Schlachtfeld wieder anzuheben. Zumindest Ersteres scheint angesichts der flexiblen Taktik der Ukrainer zu funktionieren.
USA schicken weitere Radschützenpanzer
Dabei sollen Kiews Truppen jetzt auch bedeutende Unterstützung erhalten. Wie das US-Magazin "Forbes" berichtet, seien als Teil des kürzlich verkündeten 425-Millionen-Dollar-Hilfspakets der USA 212 Stryker-Radschützenpanzer auf dem Weg in die Ukraine. Damit hätte die Ukraine – trotz vorheriger Verluste bei diesen Fahrzeugen – rund 400 Stück in ihrem Arsenal.
Mit den bereits gelieferten Stryker-Panzern seien zwei Luftlandebrigaden ausgerüstet worden, die derzeit in Kursk kämpften, berichtet "Forbes" weiter. Die neue Lieferung könnte nun zur Ausrüstung einer weiteren Brigade genutzt werden, die ebenfalls bereits in Kursk kämpft, aber über keine solchen Schützenpanzer verfügt. Die überaus mobilen Fahrzeuge könnten die Bemühungen der Ukrainer in der russischen Region deutlich verstärken.
Fraglich ist jedoch, ob die Kursk-Invasion einen langfristigen, positiven Effekt auf die Moral der Truppe haben kann. Bereits seit Beginn gab es immer wieder Berichte über Zweifel unter ukrainischen Soldaten angesichts der Offensive: Denn besonders im Donbass sind die Verteidiger unter Druck. Russland rückt hier seit Monaten langsam, aber stetig vor.
Sollte für die Kursk-Offensive ebenfalls der Plan gewesen sein, russische Truppen zu binden, so scheint dieser nicht aufgegangen zu sein. Stattdessen hat Russland seine Offensive in der Ostukraine noch verstärkt.
Ukrainischer Soldat zweifelt an Sinnhaftigkeit der Kursk-Operation
Ein ukrainischer Soldat, der für ein Marinekorps in Kursk im Einsatz ist und auf der Plattform X unter dem Namen "Kriegsforscher" darüber schreibt, hat angesichts der Verluste im Donbass große Zweifel am Sinn der Kursk-Offensive. Es gebe zwar sowohl positive als auch negative Perspektiven auf den Vorstoß, schreibt er: "Aber es ist sehr schwer zu akzeptieren und zu verstehen, welchen Vorteil es hat, hier auf den Feldern der Oblast Kursk zu sein, während man Städte mit Kellern und voller Zement verliert."
Ein Einsatz nordkoreanischer Truppen in Kursk könnte die Situation der Ukraine im Donbass weiter verschlechtern, wenn Russland wieder mehr eigene Soldaten dorthin schickt. Auch aus diesem Grund könnte das Eintreten Kim Jong Uns in den Krieg eine Zäsur darstellen, die Historiker womöglich in einigen Jahren tiefer analysieren.
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Schon jetzt ist die Lage im Donbass aus Sicht der Ukrainer prekär. Vergangene Woche hatte der ukrainische Generalmajor Dmytro Martschenko gar erklärt, dass die Front "eingebrochen" sei. Noch ist es wohl nicht so weit, doch der Druck auf die Ukrainer steigt. Die nordkoreanischen Soldaten werden Russland zwar vermutlich keinen entscheidenden Vorteil verschaffen, die Ukrainer jedoch durchaus stellenweise vor Probleme stellen – allein aus dem Grund, dass die Verteidiger an manchen Frontabschnitten womöglich plötzlich gegen größere Einheiten kämpfen müssen.
Scholz will Taten anderer Partner sehen
Die Unterstützer der Ukrainer sind indes besorgt, sprechen von einer Eskalation des Kriegs. Selbst UN-Chef António Guterres, der zuletzt wegen eines Treffens mit Putin in der Kritik stand, äußerte sich beunruhigt.
Der ukrainische Präsident ruft seine Partner nun einmal mehr dazu auf, seinem Land mehr Waffen zu liefern. Darüber hinaus aber appelliert er erneut dafür, der Ukraine die Erlaubnis zu geben, mit bereits gelieferten, weitreichenden Waffen russischen Boden zu attackieren. "Wir könnten vorab zuschlagen, wenn wir denn die Möglichkeit und Reichweite (der Waffen) hätten", sagte Selenskyj am Freitag in seiner allabendlichen Videoansprache. Er brauche lediglich die Erlaubnis der USA, Großbritanniens oder Deutschlands.
Von deutscher Seite aus wird sich jedoch wohl zunächst nichts ändern. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erklärte im Rahmen des Antrittsbesuchs von Nato-Generalsekretär Mark Rutte in Berlin am Montag: "Deutschland hat sich bewährt als ein Partner, der liefert und nicht nur Ankündigungen macht. Und ich glaube, es wäre ganz gut, wenn in dieser besonderen Situation manche der Ankündigungen, die bereits gemacht worden sind, jetzt in die Tat umgesetzt werden würden."
- ejitalk.org: "North Korea’s Troop Deployment in the Russian War of Aggression against Ukraine: The DPRK as a Principal or as an Accomplice?" (englisch)
- dw.com: "Warum Russland im Ukraine-Krieg auf Nordkorea setzt"
- businessinsider.com: "Russia's struggle to kick the Ukrainians out may only get tougher" (englisch)
- forbes.com: "Ukraine Is Getting Another 200 Stryker Vehicles Just In Time To Meet A North Korean Onslaught" (englisch)
- washingtonpost.com: "North Korea’s elite troops are in Russia to fight Ukraine: What we know" (englisch)
- understandingwar.org: "Russian Offensive Campaign Assessment, October 14, 2024"
- x.com: Beitrag von @OSINTua (englisch)
- t.me: Beitrag von @akovalenko1989 (ukrainisch)
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und AFP