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Indiens Modi in der Ukraine: Die Wahrheit ist brutal


Indien zwischen Putin und der Ukraine
Der Ton wird rauer


24.08.2024Lesedauer: 6 Min.
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Modi umarmt Putin und Selenskyj. In eineinhalb Monaten hat der britische Premier Russland und die Ukraine besucht.Vergrößern des Bildes
Modi umarmt Putin und Selenskyj. In eineinhalb Monaten hat der indische Premier Russland und die Ukraine besucht. (Quelle: dpa/AP/reuters)

Nach seinem Besuch in Russland Anfang Juli ist der indische Premierminister Narendra Modi auch in die Ukraine gereist. Ist Indien mit seiner Friedensinitiative erfolgreicher als China?

Es war ein großer Eklat, zumindest aus westlicher Perspektive. Als der indische Premierminister Narendra Modi im Juli in Moskau eintraf, begrüßte er Kremlchef Wladimir Putin mit einer herzlichen Umarmung. Die Bilder wurden von der russischen Propaganda im Staatsfernsehen groß inszeniert. Die Botschaft: Es kommen noch immer führende Staatschefs in die russische Hauptstadt und Putin ist weder international isoliert, noch gehen Großmächte wie China oder Indien auf Abstand zu ihm. Im Gegenteil: Der russische Präsident wird umarmt.

Besonders die ukrainische Führung kritisierte Modi für seine Nähe zu Russland. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte: "Es ist eine große Enttäuschung und ein verheerender Schlag für die Friedensbemühungen, zu sehen, wie der Führer der größten Demokratie der Welt an einem solchen Tag in Moskau den blutigsten Verbrecher der Welt umarmt."

Doch nun bekamen beide die Chance, diese Differenzen persönlich miteinander zu besprechen. Modi reiste am Freitag in die Ukraine, auch Selenskyj umarmte er zur Begrüßung. Indiens Premier bot bei einem Besuch am Freitag in Kiew an, als "Freund" zu fungieren, um zum Frieden beizutragen. In gemeinsamen Erklärungen vor Reportern forderte Modi am Freitag einen Dialog zwischen Russland und der Ukraine zum frühestmöglichen Zeitpunkt. "Der Weg zu einer Lösung kann nur durch Dialog und Diplomatie gefunden werden. Und wir sollten uns in diese Richtung bewegen, ohne Zeit zu verlieren." Doch ob das überhaupt realistisch ist, bleibt unklar.

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Doch geht es Indien tatsächlich um Frieden? Geografisch ist die Ukraine weit von Indien entfernt. Deshalb ist Frieden für Modi eher zweitrangig, vielmehr geht es ihm auch in der Ukraine um die Interessen seines Landes. Dabei betreibt Indien eine riskante Schaukelpolitik zwischen dem Westen und Russland – und der indische Premier ist aus eigenen strategischen Erwägungen gar nicht an einer Schwächung Putins interessiert. Doch wie lange geht diese Strategie noch gut?

Indien finanziert Putins Krieg mit

Für Modi sind seine Besuche in Osteuropa ein schwieriger Balanceakt. Erst am Donnerstag hatte der indische Premierminister bei einem Besuch in Polen zu Verhandlungen im Krieg zwischen Russland und der Ukraine aufgerufen. "Indien ist der festen Überzeugung, dass kein Problem auf einem Schlachtfeld gelöst werden kann", sagte Modi bei einem gemeinsamen Auftritt mit dem polnischen Regierungschef Donald Tusk in Warschau. Sein Land unterstütze den "Dialog und die Diplomatie".

Aber stimmt das wirklich? Die Wahrheit hinter den indischen Friedensbekundungen und hinter dem Lächeln von Modi ist zumindest brutal.

Denn Indien tut nicht wirklich viel, um Friedensprozesse im Ukraine-Konflikt anzustoßen. Das wäre auch nicht die Aufgabe der indischen Führung, immerhin berührt der russische Angriffskrieg in der Ukraine zumindest nicht direkte indische Sicherheitsinteressen. Doch Indien steht als bevölkerungsreichste Demokratie international unter besonderer Beobachtung. Auch weil das Land angefangen hat, finanziell vom Krieg zu profitieren.

Indien ist nach China der zweitgrößte Importeur von russischem Öl und dessen Importe sind im Vergleich der Jahre 2022 und 2023 um 111 Prozent gestiegen. Dabei profitieren indische Unternehmen gleich doppelt: Einerseits muss Putin aufgrund der westlichen Sanktionen sein Öl billig auf dem Weltmarkt verkaufen, andererseits verdient Indien sehr viel Geld damit, das Rohöl in andere Ölprodukte wie Diesel umzuwandeln und diese nach Europa zu verkaufen.

Somit finanziert Indien nicht nur Putins Angriffskrieg in der Ukraine mit. Es hilft auch Russland dabei, Sanktionen zu umgehen. Westliche Staaten intervenieren dabei nur zögerlich, weil vor allem die USA und Deutschland aktuell die Strategie verfolgen, Indien aus seinem traditionellen Bündnis mit Russland zu lösen.

Traditionelles Bündnis mit Russland

Das lässt Modi aber nur teilweise zu, weil er nicht an einer Schwächung Russlands interessiert ist. Indien hat vor allem den eigenen Konflikt mit China im Blick, der seit Jahren vor allem im Norden des Landes zu teilweise gewaltsamen Grenzkonflikten mit der chinesischen Volksbefreiungsarmee führt. In den vergangenen Jahrzehnten war Russland beziehungsweise die Sowjetunion immer Indiens Sicherheitsgarantie, der wichtigste Verbündete Delhis.

Doch der Ukraine-Krieg hat dabei vieles auf den Kopf gestellt. Putin und der chinesische Präsident Xi Jinping sind nicht nur als "strategische Partner" enger zusammendrückt. Russland wurde durch Putins Invasion so geschwächt, dass China eindeutig die dominierende Macht in den Beziehungen ist. Und das wirkt sich konkret auf indische Sicherheitsinteressen aus.

Die indische Armee war vor Beginn des russischen Angriffskrieges fast vollständig von russischen Rüstungsimporten abhängig. Da Russland diese Güter allerdings teilweise selbst für den Krieg braucht, konnte Russland vor allem im Bereich der Luftwaffe einige Lieferzusagen nicht mehr einhalten. Das zwingt Modi zum Umdenken und bietet dem Westen gleichzeitig eine Chance, Indien näher an sich zu binden.

Deswegen gab es in den vergangenen Jahren immer mehr Rüstungskooperationen und gemeinsame Manöver zwischen der indischen Armee und westlichen Staaten. Deswegen haben westliche Staaten Indien offenbar eine Gnadenfrist gegeben, also Zeit, um seine starke Abhängigkeit von Russland zu lösen. Das erklärten westliche Diplomaten auch t-online. So soll Indien hinter verschlossenen Türen die russische Invasion in der Ukraine scharf verurteilen und die Zusammenarbeit des Westens mit Indien würde sich stetig verbessern.

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Indien steht zwischen den Stühlen

Doch Modi spielt ein doppeltes Spiel. Indien hat es bislang vermieden, den russischen Angriff auf die Ukraine ausdrücklich zu verurteilen und das wird wahrscheinlich so bleiben. Denn Modi sieht in dem Ukraine-Konflikt ein europäisches Problem.

Trotzdem kann es sich die indische Führung nicht mehr leisten, nur Putin zu hofieren und Selenskyj nicht zu besuchen. Zwar ist Indien durchaus an einem Kriegsende interessiert, weil der Konflikt Russland immer mehr zum Juniorpartner Chinas macht.

Trotzdem ist eines klar: Modi wird sich nicht allzu sehr in den politischen Gegenwind stellen, um einen Frieden in der Ukraine zu erreichen. Druck auf Putin üben weder Xi noch Modi aus. Der indische Premier wird im Umgang mit Russland und der Ukraine immer versuchen, den Mittelweg zu wahren. Das wird wiederum aber auch den Druck von allen Seiten auf Indien steigern, sich klar zu positionieren.

Modis Unstimmigkeiten mit Putin

Der Russland-Besuch von Modi in Moskau war dafür ein gutes Beispiel. Selenskyj kritisierte die Umarmung mit Putin, aber auch das indisch-russische Verhältnis war nicht so harmonisch, wie es die Bilder vermuten lassen. Kurz vor dem Treffen zwischen Modi und Putin wurde in Kiew ein Kinderkrankenhaus von einer russischen Rakete getroffen und das konnte auch die indische Führung nicht ignorieren.

Modi rügte Putin bei einem gemeinsamen Auftritt vor Medienvertretern am Dienstag implizit, indem er sagte, der Tod unschuldiger Kinder sei schrecklich. Ihm blute das Herz, wenn er davon höre. Putin ist bislang nur selten offen von Ländern kritisiert worden, die Russland als befreundet ansieht. Zudem äußerte Modi seine Kritik auf russischem Boden, im Beisein Putins und vor laufenden Kameras.

Es war ein Stoß vor den Kopf für den Kremldespoten. Der Ton wurde danach rauer: Ein geplantes Gespräch zwischen den Delegationen wurde von Moskau abgesagt.

Kremlsprecher Dmitri Peskow begründete das mit Terminkonflikten: "Das hat absolut nichts mit irgendwelchen Meinungsverschiedenheiten oder problematischen Situationen zu tun", sagte er zum Abschluss des Modi-Besuches in Moskau. Doch Terminkonflikte treten im diplomatischen Tête-à-Tête oft dann auf, wenn es Unstimmigkeiten gibt.

Hoffnung in Kiew

Eineinhalb Monate später ging es für Modi in der Ukraine vor allem darum, den richtigen Ton zu treffen. Indien wird die Ukraine nicht mit Waffenlieferungen unterstützen, weil es die Waffen aus Russland bekommt und der Kreml dann die Lieferungen einstellen würde. Auch der Handel zwischen Kiew und Delhi hat durch den Krieg abgenommen. Die Ukraine liefert Weizen und Sonnenblumenöl nach Indien, Indien dagegen Medikamente und mechanische Geräte in die Ukraine.

Kriegsentscheidend ist das nicht. Aber in ukrainischen Regierungskreisen gibt es durchaus die Hoffnung, dass Modi seinen Einfluss auf Putin nutzt. Michailo Podoljak, ein Berater im Büro des ukrainischen Präsidenten, sagte im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Reuters, dass Modis Besuch in Kiew von großer Bedeutung sei, da Neu-Delhi "wirklich einen gewissen Einfluss" auf Moskau habe.

Dabei ist es allerdings auch für Kiew wichtig, die Erwartungen an Indien nicht zu überhöhen. Erst im Mai hatte Indien angekündigt, weniger Öl aus Russland zu kaufen – und das wäre ein massiver diplomatischer Erfolg, der wahrscheinlich vor allem aus dem Druck der USA auf Indien resultiert. Eine heikle Gratwanderung, denn es bleibt eine strategische Leitplanke Modis, Putin nicht zu verärgern.

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