Eingesperrt, gefoltert, getötet Russische Kommandeure töten wohl eigene Soldaten
Sie klagten über grausame Behandlung und fanden den Tod: Russische Wehrpflichtige sollen von ihren Vorgesetzten ermordet worden sein. Die Behörden ermitteln.
Erst Haft in einem Keller ohne Toilette und Bett, dann die Fahrt in den sicheren Tod: Hochrangige russische Militärs sollen einige Soldaten aus ihrer Einheit zunächst gefoltert und mehrere von ihnen anschließend ermordet haben.
Das ist im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens bekannt geworden, den die russischen Behörden gegen einen Generalmajor der 6. motorisierten Schützendivision der russischen Armee und mehrere seiner ihm unterstellten Offiziere durchführen. Darüber berichtete zuerst der öffentlich-rechtliche Rundfunk Suspilne mowlennja der Ukraine, der sich dabei auf eine Quelle aus dem russischen Ermittlungsausschuss bezieht.
Demnach wird den ranghohen Militärs vorgeworfen, Soldaten ihrer eigenen Einheit eingesperrt, gefoltert und ermordet zu haben. Die Ermittlungen dazu sollen Ende März eingeleitet worden sein.
Soldaten beschwerten sich über grausame Behandlung
Bei der 6. motorisierten Schützenbrigade handelt es sich um einen Verband, der im Jahr 2022, kurz nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine, gegründet wurde. Sie besteht aus mehreren Regimentern, die vor allem mit Wehrpflichtigen bestückt sind. Oberst Marat Ospanow wurde zum ersten Kommandeur der Division ernannt. Während seiner Amtszeit stieg er in den Rang eines Generalmajors auf.
Im Frühjahr 2023 begannen Soldaten, sich über die schlechten Dienstbedingungen und die grausame Behandlung durch die Kommandeure zu beschweren. Videos aus dieser Zeit zeigen etwa, wie sich Wehrpflichtige darüber beklagen, als "Kanonenfutter" zu dienen. Ihnen sei zudem mit Erschießung gedroht worden, wenn sie ihre Meinung äußern.
Zu den Vorwürfen, die die Soldaten ihrer Führung machten, zählte auch, dass sie keine Möglichkeit bekommen hätten, zu baden oder Lebensmittel zu kaufen. Verletzte Soldaten würden nicht vom Schlachtfeld gerettet. In der Folge wurde der Regimentskommandeur ausgetauscht, doch der lokale Nachrichtensender Muksun berichtete, dass die Misshandlungen laut den Soldaten eigentlich von Ospanow ausgingen, der weiter im Amt blieb.
Eingesperrt ohne Toiletten und Betten
Im März 2024 kam es dann zur Anklage von Ospanow und seinen Offizieren durch die russischen Behörden. In einem veröffentlichten Dekret heißt es, dass Ospanow in Reaktion auf die Beschwerden der Soldaten im Vorjahr seinen Offizieren aufgetragen haben soll, jene Soldaten, die "gegen die militärische Disziplin verstoßen, Befehle verweigert oder sich anderweitig danebenbenommen haben", rechtswidrig festzunehmen.
"In dem Bemühen, die Soldaten einzuschüchtern, die strikte Befolgung ihrer Befehle zu erzwingen und die militärische Disziplin aufrechtzuerhalten, schuf M. P. Ospanow eine organisierte Gruppe aus seinen Untergebenen", heißt es demnach in dem Dokument weiter.
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Den Ermittlern zufolge war Ospanows Stellvertreter, der 44-jährige Oberst Stanislaw Iwanisow, mit der Organisation der Inhaftierung von Soldaten beauftragt. Ein anderer Stellvertreter, der 41-jährige Jewgeni Malyschko, wurde mit der "Tötung von Soldaten beauftragt, die nach Ansicht von M. P. Ospanow nicht mehr zu reformieren waren".
19 Soldaten sollen demnach ab dem 11. Mai 2023 zu verschiedenen Zeiten in Kellern der russisch besetzten Stadt Popasna eingesperrt worden sein – ohne Zugang zu Toiletten oder Betten und nur mit wenig Nahrung und Wasser. Anfang September 2023 ließ die Militärstaatsanwaltschaft elf Gefangene frei und die Behörden leiteten eine Untersuchung ein.
In den sicheren Tod geschickt
Doch da hören die Vorwürfe nicht auf: Laut Suspilne bezeichnete Ospanow die acht verblieben Soldaten als "unverbesserlich". Sieben von ihnen sollen mittlerweile tot sein. Einzig ein junger Sanitäter überlebte, wohl weil er nach einem Fronteinsatz mit Verletzungen ins Krankenhaus kam. Er und ein paar der anderen waren vor eine Routineüberprüfung der Einheit durch das russische Verteidigungsministerium aus ihrer Haft entlassen und für einen Einsatz an die Front geschickt, bei dem er verletzt wurde. Die zurückgekehrten Soldaten wurden hingegen wieder eingesperrt.
Ospanow soll im Juli 2023 seinen Stellvertreter Malyschko angewiesen haben, die restlichen sieben Soldaten an die Front zu bringen und zu töten. Das soll aus einem Dokument hervorgehen, das Suspilne vorliegt.
Den Recherchen zufolge schickte Ospanow die Soldaten am Morgen des 4. Juli 2023 in einem Pick-up in die Region Donezk. Dort wurden sie in ein Privathaus geschickt, in dem dann "mindestens fünf F1-Handgranaten" detoniert wurden. Danach soll Major Evgeny Boriskin die noch lebenden Soldaten erschossen haben.
Die Mutter eines der mutmaßlichen Opfer sagte Suspline, dass sie ihren Sohn im Mai 2023 zuletzt gesprochen und dann im Mai 2024 seine Sterbeurkunde erhalten habe. Dennoch hoffe sie, dass er noch am Leben und irgendwo inhaftiert sei. Die Mutter eines anderen mutmaßlichen Opfers bestätigt die Ermittlungen gegen Ospanow. Auch Ospanows Ehefrau bestätigt, dass es Ermittlungen gibt.
- suspilne.media: "Підірвати, розстріляти, спалити: як російські військові вбивають своїх на лінії фронту в Україні" (Ukrainisch)
- meduza.io: "'Beyond reform’'A group of Russian commanders are secretly on trial for imprisoning, torturing, and killing their own soldiers, new investigation finds" (Englisch)
- muksun.fm: "В Югре проверяют видео с жалобами бойцов на командира, обнародованное Собчак" (Russisch)