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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Waffen gegen Russland Kampfjets abschießen? USA verwirren Ukraine
Die Ukraine darf westliche Waffen gegen Ziele auf russischem Boden einsetzen. Doch Aussagen aus der US-Politik über die Bedingungen sorgen für Unklarheit.
Die Ukraine hat mit dem amerikanischen HIMARS-Waffensystem einen Schlag gegen ein Luftabwehrsystem im russischen Belgorod verübt. Das belegen Filmaufnahmen vom 1. oder 2. Juni, die das Institute for the Study of War (ISW) ausgewertet hat. Doch öffentliche Aussagen der US-Politik, wie genau die Waffen eingesetzt werden dürfen, bleiben unklar.
Am 30. Mai haben die USA, Deutschland und weitere Verbündete entschieden, die Beschränkungen für den Einsatz von westlichen Waffen bei der Verteidigung gegen den russischen Angriffskrieg teilweise zu lockern. Der erste nachgewiesene Einsatz des leichten Mehrfachraketen-Artilleriesystems gegen Ziele hinter der russischen Grenze erfolgte nur wenige Tage später. Mehr dazu lesen Sie hier. Doch welche Ziele darf die ukrainische Armee auf russischem Gebiet beschießen?
Kirby: Es gab nie Einschränkungen für die Ukrainer
Dazu hat sich John Kirby am Dienstag auf einer Pressekonferenz geäußert. Der nationale Sicherheitssprecher der USA sorgte dabei für weitere Verwirrung. Auf die Frage, ob die Ukraine russische Flugzeuge im russischen Luftraum abschießen dürfte, antwortete er, dass die Vereinigten Staaten das nie untersagt hätten. "Es gab nie eine Einschränkung für die Ukrainer, feindliche Flugzeuge abzuschießen, auch wenn diese außerhalb des ukrainischen Luftraums fliegen. Die Ukrainer haben das schon seit Beginn des Krieges getan", sagte er. Die Bedingung für solche Abschüsse sei nur, dass die Flugzeuge eine "drohende Gefahr" für die Ukraine darstellen müssten.
Kirby erläuterte jedoch nicht, wann eine "drohende Gefahr" bestehen würde. Diese Unklarheit habe dazu geführt, dass die Ukraine bisher nicht systematisch gegen russische Militäreinrichtungen vorgehen konnte. Das sei aber nötig, um verheerende Luftangriffe zu verhindern, analysiert das ISW.
Verteidigung gegen Gleitbombenangriffe
Neben der langsam vorrückenden Bodenoffensive setzt Russland aktuell verstärkt auf Gleitbombenangriffe. Der Einsatz dieser Gleitbomben ist eine Innovation der russischen Kriegsführung. Russische Militärblogger loben die Bombe als Hochpräzisionswaffe, die mehr als 60 Kilometer von der Front aus dem Flugzeug abgeworfen werden kann und dann ins Ziel gesteuert wird.
Die Luftabwehr bleibt dagegen oft wirkungslos und der Schaden ist riesig. Beinah täglich sterben Menschen. Darüber hinaus hat Russland inzwischen über die Hälfte der ukrainischen Anlagen zur Energiegewinnung zerstört oder eingenommen, wie die "Financial Times" berichtete.
Putins Drohung an den Westen
Die Aussicht, dass die ukrainische Armee westliche Waffen gegen russische Ziele einsetzt, veranlasste den Präsidenten des Landes zu einer heftigen Reaktion. Wladimir Putin warnte auf einer Pressekonferenz am Mittwoch, dass die Lieferung von Langstreckenraketen durch westliche Staaten an die Ukraine und deren Einsatz für Angriffe innerhalb Russlands ein "gefährlicher Schritt" sei, der Moskau zu einem Gegenschlag gegen westliche Ziele veranlassen könnte.
Nach dieser Drohung hat sich Bundeskanzler Olaf Scholz in einer Regierungserklärung vor dem Bundestag geäußert. Die Ukraine dürfte die unter anderem von Deutschland gelieferten Waffen gegen Ziele auf russischem Boden einsetzen, jedoch nur "in Übereinstimmung mit internationalen rechtlichen Verpflichtungen". Außerdem werde er alles dafür tun, damit Deutschland nicht in den russischen Angriffskrieg der Ukraine hineingezogen würde.
- ISW: RUSSIAN OFFENSIVE CAMPAIGN ASSESSMENT, JUNE 5, 2024 (englisch)
- nytimes: Moscow Could Target Countries Supplying Weapons to Ukraine, Putin Says (englisch)
- Mit Material von der Nachrichtenagentur dpa