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Russland: Pro-ukrainische Gruppen in Belgorod und Kursk – "Nadelstiche"


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Milizen greifen Russland an
"Das hat einen psychologischen Effekt"


Aktualisiert am 12.03.2024Lesedauer: 4 Min.
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Russische Freiheitslegion: Aufnahmen zeigen Gefechte der pro-ukrainischen Kämpfer auf russischem Gebiet. (Quelle: t-online)
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Erneut haben pro-ukrainische Gruppen russisches Territorium angegriffen. Für Putin ist das unangenehm, sagt ein Experte – besonders so kurz vor einem wichtigen Termin.

Die Videos, die am Dienstagmorgen um die Welt gehen, sind verwackelt und mit Nachtsichtgeräten aufgenommen. Besonders für die Kremlpropaganda haben die Bilder aber Brisanz. Pro-ukrainische Milizen haben erneut die Grenze nach Russland überquert und dort Unruhe hervorgerufen. Die Aufnahmen zeigen Feuergefechte mit russischen Grenztruppen, Explosionen und Dutzende Kämpfer, die sich in Russland frei bewegen können. Auch ein Kampfpanzer soll dabei sein. Mindestens zwei Dörfer in den Regionen Belgorod und Kursk wollen die Gruppen eingenommen haben.

Das Russische Freiwilligenkorps, eine der Milizen, versieht eines seiner Videos mit einer nonchalanten Nachricht: "Nun, Leute, wir sind zurück, und wieder im Angriff", schreiben sie auf Telegram. Das sogenannte Sibirische Bataillon, das ebenfalls an der Operation beteiligt ist, schreibt: "Es wird nicht möglich sein, das verbrecherische diktatorische Regime in Russland friedlich zu stürzen." Deshalb gebe es nun erbitterte Kämpfe auf russischem Territorium. Als dritte Gruppe nimmt die Russische Freiheitslegion an der Operation teil.

Gleichzeitig mit den Angriffen fliegen Dutzende Drohnen von ukrainischem Gebiet aus in Richtung Grenze, teils sogar noch erheblich weiter: Demnach wurden 26 der unbemannten Flugobjekte über neun russischen Gebieten abgefangen, auch in der Region St. Petersburg. Das am weitesten entfernte Ziel war laut Medien eine Raffinerie des russischen Ölkonzerns Lukoil in Kstowo bei Nischni Nowgorod, wo eine Drohne einen Brand verursachte. Die Stadt an der Wolga liegt etwa 800 Kilometer von der Ukraine entfernt. Mehr zu den Angriffen lesen Sie hier.

Video | Russische Freiheitslegion offenbar nach Russland eingedrungen
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Quelle: t-online

"Diese Nadelstiche tun weh"

Schon am frühen Nachmittag melden russische Behörden dann, die Situation wieder "unter Kontrolle" zu haben. Unabhängig verifizieren lässt sich das nicht. Doch wer hat Russland überhaupt angegriffen? Was bezwecken die pro-ukrainischen Milizen mit den Angriffen? Arbeiten die umstrittenen Gruppen mit der Ukraine zusammen? Und woher haben sie schweres Militärgerät?

Bei den pro-ukrainischen Einheiten handelt es sich um aus russischen Staatsbürgern bestehende Milizen, die sich gegen den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine wenden und auf der Seite Kiews kämpfen. Bereits im vergangenen Jahr hatten russische pro-ukrainische Milizen russisches Gebiet angegriffen. Besonders das sogenannte Russische Freiwilligenkorps ist wegen seiner rechtsextremen Umtriebe hochumstritten. Mehr zu den Gruppen lesen Sie hier.

Laut dem Militärexperten Nico Lange haben die Milizen den Zeitpunkt der Angriffe gut gewählt: "Das sind Nadelstiche, die für Putin peinlich sind – und das nur fünf Tage vor den Wahlen", sagt Lange im Gespräch mit t-online. Besonders "unangenehm" sei für die Russen, dass gleichzeitig umfassende Drohnenangriffe stattgefunden haben. Eine größere Wirkung erwartet er von den Attacken aber nicht. "Dennoch tun diese Nadelstiche weh."

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In Russland werden vom 15. bis zum 17. März Präsidentschaftswahlen abgehalten. Die Abstimmungen gelten international als Scheinwahlen und als manipuliert. Amtsinhaber Wladimir Putin wird sich aller Voraussicht nach für weitere sechs Jahre bestätigen lassen. Der Kreml hat keine ernstzunehmende Opposition für die Wahlen zugelassen. Außerdem soll ebenfalls in den völkerrechtswidrig von Russland besetzten Gebieten in der Ukraine abgestimmt werden.

Die pro-ukrainischen Milizen nahmen in ihren Mitteilungen auch auf die Wahlen Bezug: Sie seien russische Staatsbürger und als solche hätten sie das Recht, ihren Willen auszudrücken, erklärte die Freiheitslegion auf Telegram. "Und unser Wille ist es, einen blutigen Diktator nicht als russischen Präsidenten anzuerkennen." Putin solle in das Straflager "Polarwolf", in dem der Kremlkritiker Alexej Nawalny starb.

"Das Problem ist für Putin noch lange nicht gelöst"

Militärexperte Lange sieht vor allem drei Ziele der pro-ukrainischen Gruppen für ihre Operation: Sie wollten "in Russland Unruhe verbreiten, die Lücken der russischen Grenzverteidigung aufzeigen und die Sicherheitskräfte binden", so der Experte. Denn wenn auf russischem Territorium gekämpft werde, müssten russische Soldaten dorthin gezogen werden. Diese Truppen könnten dann in der Ukraine zeitweise nicht eingesetzt werden. "Außerdem haben die Angriffe mit Kamikazedrohnen einen psychologischen Effekt", so Lange.

Dass die pro-ukrainischen Gruppen auf russischem Territorium operieren, ist nichts grundlegend Neues. Es hat seit Beginn des russischen Angriffskriegs bereits mehrfach solche Zwischenfälle gegeben. "Das zeigt: Das Problem ist für Putin noch lange nicht gelöst", sagt Lange. "Immer wieder können diese Milizen zeigen, dass Russland sein eigenes Territorium nicht vollends schützen kann."

Das lasse schlussendlich auch die Bevölkerung an den Fähigkeiten der russischen Sicherheitskräfte zweifeln, meint Lange. "Denn die russischen Behörden können zwar immer wieder erklären, dass alles unter Kontrolle sei – das ist es aber noch lange nicht."

Sicherheitsexperte Nico Lange
Sicherheitsexperte Nico Lange (Quelle: Michael Kuhlmann)

Zur Person

Nico Lange (48) ist Politikwissenschaftler und Publizist. Von 2006 bis 2012 leitete er das Auslandsbüro der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung in der Ukraine. Von 2019 bis 2022 führte Lange den Leitungsstab im Bundesverteidigungsministerium. Aktuell ist er Senior Fellow der Zeitenwende-Initiative bei der Münchener Sicherheitskonferenz.

"Eine Zusammenarbeit mit der Ukraine ist bisher nicht bekannt"

Wie die Milizen möglicherweise an einen Kampfpanzer gekommen sind, kann Lange laut eigener Aussage nicht erklären. Auf mehreren Videos, die in sozialen Netzwerken verbreitet werden, sind Kampfpanzer sowjetischer Bauart zu erkennen, auf denen die EU-Flagge gehisst wurde. Ob diese sich tatsächlich auf russischem Territorium bewegten und ob die Aufnahmen aktuell sind, lässt sich derzeit kaum verifizieren.

Wenn die pro-ukrainischen Kämpfer tatsächlich über solch schweres Militärgerät verfüge, sei dies womöglich Beutegut, meint Lange. "Die russischen Streitkräfte haben bei ihren Angriffen in der Ukraine immer wieder Militärgerät zurückgelassen, etwa wenn ihnen der Treibstoff ausgegangen war." So könnten die pro-ukrainischen Einheiten an die Kampfpanzer gelangt sein.

Die Ukraine weist eine Kooperation mit den russischen Widerstandskämpfern bisher zurück. Andrij Jusow, Sprecher der Hauptdirektion für Nachrichtendienste des ukrainischen Verteidigungsministeriums, sagte ukrainischen Medien, dass die Kämpfer als unabhängige Einheiten operierten. Auch Lange meint: "Eine Zusammenarbeit mit den offiziellen Kräften der Ukraine ist bisher nicht bekannt, lässt sich aber auch nicht ausschließen."

Verwendete Quellen
  • Telefongespräch mit Nico Lange
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