Selenskyj kündigt Vorgänger So bewährte sich der neue Armeechef für seinen Posten
Oleksandr Syrskyj hat Kiew verteidigt und die Region Charkiw befreit. Nun rückt er auf an die Spitze der ukrainischen Armee.
Oleksandr Syrskyj heißt der neue Mann an der ukrainischen Armeespitze. Am Donnerstagabend wurde bekannt, dass Präsident Wolodymyr Selenskyj den bisherigen, in der Bevölkerung sehr beliebten Armeechef Walerij Saluschnyj ausgewechselt hat. Wochenlang gab es bereits Gerüchte über eine mögliche Entlassung Saluschnyjs, Beobachter sprechen von einem innenpolitischen Machtkampf.
Selenskyj geht mit dieser Entscheidung ein Risiko ein: Eine Umfrage im Dezember zeigte, dass Saluschnyj in einer Stichwahl um das Präsidentenamt vor Selenskyj liegen würde. Dabei hat Saluschnyj selbst sich zumindest öffentlich nicht über politische Ambitionen geäußert. Mehr dazu lesen Sie hier.
Syrskyj gilt als einer der fähigsten Strategen der Armee
Doch auch der neue Armeechef Oleksandr Syrskyj ist in der ukrainischen Bevölkerung bekannt. Als Generaloberst verantwortete einige der größten Erfolge gegen die russische Armee im laufenden Krieg. Syrskyj, der als einer der fähigsten Strategen in der ukrainischen Armee gilt, wird etwa die erfolgreiche Verteidigung Kiews zugeschrieben. Außerdem startete er die erfolgreiche Gegenoffensive in der Region Charkiw, bei der die Ukraine die Russen überraschte und große Teile der besetzten Gebiete befreite.
Damals hatte die ukrainische Führung zunächst wochenlang eine bevorstehende Offensive im Süden des Landes angetäuscht und damit viele russische Truppen aus der Region im Nordosten des Landes weggelockt. Dort schlug die ukrainische Armee dann zu, überrumpelte die russischen Truppen und befreite die Region innerhalb weniger Wochen. Auch die erfolgreiche Verteidigung Kiews wird Syrskyj zugeschrieben, der als einer der fähigsten Strategen in der ukrainischen Armee gilt.
In einem Interview mit der "Washington Post" sprach Syrskyj 2022 auch über die Anfangszeit des Krieges. "Ehrlich gesagt, ich konnte mir vorher nicht vorstellen, dass Russland in so großem Maßstab und so dreist angreifen würde", sagte er. "Aber wir sind das Militär, und unabhängig davon, was ich glaubte oder nicht glaubte, unternahm ich, was nötig war."
Eine Woche vor der Invasion ließ Syrskyj Kommandoposten entlang der Hauptvorstoßrouten der russischen Armee errichten und Kampfflugzeuge und Helikopter in sichere Verstecke bringen; die Militärschulen wies er an, provisorische Kampfverbände aufzustellen und ihre Übungsgeschütze in die Hauptstadt zu bringen. Den Großraum Kiew unterteilte Syrskyj nach Darstellung der "Washington Post" in Verteidigungszonen, die er jeweils einem General zuwies, und so eine klare Befehlskette schuf.
Syrskyj war Verbindungsoffizier zur Nato
Die taktischen Entscheidungen im Gefecht überließ Syrskyj dabei den Kommandeuren vor Ort. Dieses Prinzip dürfte Syrskyj in den Jahren zuvor bei den Nato-Partnern der Ukraine gelernt haben. 2013 wurde Syrskyj Verbindungsoffizier zwischen dem ukrainischen Verteidigungsministerium und der Nato. Ziel der Zusammenarbeit war die Anpassung der ukrainischen Armee an Nato-Standards.
Nach dem russischen Überfall auf die Ostukraine 2014 nahm Syrskyj an mehreren Kampfeinsätzen teil und wurde mit einem Orden ausgezeichnet. Er befehligte die ukrainischen Truppen, die gegen die von Russland unterstützten Aufständischen in der Region Donezk und Luhansk in der Ost-Ukraine kämpften. Dort erhielt er den Kampfnamen "Schneeleopard".
Syrskyi erhielt Auszeichnung als Held der Ukraine
Im August 2019 wurde Syrskyj zum Oberbefehlshaber der Bodentruppen ernannt und 2020 zum Generaloberst befördert. Für seine Leistungen in der Schlacht um Kiew ehrte Präsident Selenskyj Syrskyj im April als Held der Ukraine.
Anfang 2023 übernahm Syrskyj die Verteidigung der Stadt Bachmut, wo Tausende Soldaten auf beiden Seiten fielen. Es war bis dahin eine der blutigsten Schlachten im Krieg. Einige Militäranalysten stellten die Frage, ob die Verteidigung einer so zerbombten Stadt Tod oder Verwundung so vieler Menschen rechtfertigte. Syrskyj entgegnete, der zähe Widerstand habe Russlands Kampfkraft geschwächt und die Söldnertruppe Wagner über lange Zeit gebunden.
Syrskyj lebt seit den 1980ern in der Ukraine
Syrskyj hat den Ruf, dass die Moral seiner Truppen für ihn besonders wichtig ist. So wird er häufig bei Frontbesuchen gesehen. In Interviews sagte er, er schlafe jede Nacht nur 4,5 Stunden und entspanne sich in der Sporthalle.
Der neue Armeechef wurde im Juli 1965 in der Wladimir-Region im heutigen Russland geboren, damals ein Teil der Sowjetunion. Seit den 80er Jahren lebte er in der Ukraine. Er studierte dann an der Armee-Hochschule in Moskau, genau wie viele Altersgenossen, die heute Kommandeure in der russischen Armee sind. Syrskyj machte seinen Abschluss im Jahr 1986 und trat in das sowjetische Artillerie-Korps ein, 1990 dann in die ukrainische Armee.
Damit gehört er zur ersten Generation von ukrainischen Militärs nach dem Ende der Sowjetunion. Zu dieser Gruppe gehört auch sein Vorgänger Walerij Saluschnyj, den Syrskyj nun an der Spitze des Militärs ablöst.
- washingtonpost.com: Battle for Kyiv: Ukrainian valor, Russian blunders combined to save the capital (englisch)
- mil.in.ua: Kyiv Defense Commander Syrskyi and ten other servicemen had been awarded the Heroes of Ukraine title. Two were recognized posthumously (englisch)
- ilmessaggero.it: Oleksandr Syrskyi, chi è il comandante delle forze ucraine simbolo della controffensiva (italienisch)
- Mit Material der Nachrichtenagentur Reuters