Wettstreit der Risikobereitschaft Wie ein Krieg zwischen Russland und der Nato aussehen könnte
Die Bundeswehr bereitet sich einem Bericht zufolge auf einen eskalierenden Konflikt mit Russland vor. Laut einem Verteidigungsexperten ist das auch höchste Zeit.
Ein Krieg mit Russland ist näher, als viele glauben – davor warnt Fabian Hoffmann, Doktorand an der Universität Oslo. Zwei bis drei Jahre sieht er als mögliches Vorbereitungsfenster für die Nato, um ein Abschreckungsszenario gegenüber Russland wiederherzustellen, schreibt er auf der Kurznachrichtenplattform X (vormals Twitter).
Einen groß angelegten konventionellen Krieg, wie er aktuell gegen die Ukraine stattfindet, plane Russland allerdings in Bezug auf die Nato nicht. In einem solchen Szenario wäre das Land von Machthaber Putin unterlegen, glaubt Hoffmann. Vielmehr gehe er davon aus, dass Russland Eskalationskontrolle und Eskalationsmanagement betreiben werde.
Das bedeutet: Statt eines langwierigen Bodenkrieges würde Russland versuchen, "die Nato zur Unterwerfung zu zwingen, indem es signalisiert, dass es in der Lage ist, schrittweise größeren Schaden anzurichten", so der Experte. Damit seien in einer ersten Phase weitreichende Angriffe auf kritische zivile Infrastruktur in allen europäischen Nato-Ländern gemeint.
Russland könnte Wettstreit der Risikobereitschaft eröffnen
Zudem glaubt Hoffmann, dass Russland seinen nuklearen Schirm über jedes Nato-Gebiet ausdehnen werde, das es in einem ersten Angriff erobern könnte. So würde der Kreml psychologische Angst vor einer Eskalation schüren und die Tür für Verhandlungen über die Zukunft der Nato und die Sicherheitsarchitektur Europas eröffnen wollen – "natürlich zu Russlands Bedingungen", fügt Hoffmann an.
Damit sei kein Wettstreit der Kräfte eröffnet, den Russland verlieren würde, sondern ein Wettbewerb der Risikobereitschaft – und der Krieg in der Ukraine zeige, dass es dem Westen an Entschlossenheit fehle. "Innenpolitische Uneinigkeit und endlose Diskussionen über eine Eskalation bestärken Russland nur in seiner Überzeugung, dass die Nato nachgeben wird, wenn es hart auf hart kommt", so Hoffmann.
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Wichtig sei nun, dass die Nato Russland die Fähigkeit abspreche, einen Teil des Nato-Gebiets einnehmen oder mit Angriffen auf kritische Infrastruktur drohen zu können. Außerdem müsse es eine ernsthafte Diskussion darüber geben, wie ein Krieg mit Russland zu führen sei.
Bundeswehr bereitet sich offenbar auf mögliches Szenario vor
Für einen solchen Ernstfall bereitet sich die Bundeswehr laut einem Bericht der "Bild"-Zeitung bereits vor. Demnach skizziert das deutsche Verteidigungsministerium in einem Dokument unter Verschluss detailliert den möglichen "Weg in den Konflikt" zwischen Russland und der Nato.
Das Szenario beginne mit einer neuen Mobilisierungswelle Russlands. Dann könnte Russland dem Dokument zufolge Truppen nach Kaliningrad verlegen, in die russische Exklave zwischen Polen und Litauen, um die Suwalki-Lücke zu erobern. Das ist der polnisch-litauische Korridor zwischen Belarus und Kaliningrad. Daraus könne dann ein künstlich herbeigeführter Grenzkonflikt folgen, aus dem sich ein größerer Konflikt entwickelt, berichtet "Bild" unter Berufung auf das Dokument.
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"Die Realität ist, dass Russland keine Supermacht ist"
Kritik an dem Kriegsszenario Hoffmanns kommt vom Militärhistoriker Jakub Janovsky. In einer Replik schreibt er auf X, das sei "Unsinn". Russland würde nach einem Ende des Kriegs in der Ukraine, Zeit und Ressourcen brauchen, um seine Streitkräfte wiederaufzubauen. "Neben anderen Faktoren wird auch die offensichtliche russische Unfähigkeit ignoriert, größere Operationen zu planen und durchzuführen, ohne dass die amerikanischen (und wahrscheinlich auch andere) Geheimdienste lange vor Beginn der Operation davon erfahren", schreibt Janovsky.
Russland habe nicht die Fähigkeiten, um "irgendwas davon zu tun". "Die Realität ist, dass Russland keine Supermacht ist und ein Krieg mit der NATO von Anfang an in vielerlei Hinsicht außerhalb der Kontrolle Russlands liegen würde." Er fordert die Europäer auf, aufzurüsten, um auch ohne die Unterstützung der USA stark genug zu sein.
Der deutsche Sicherheitsexperte Carlo Masala sieht beide Annahmen problematisch. "Auch hier werden Annahmen in den Raum gestellt, für die es keine empirische Evidenz gibt", schreibt er in einem Beitrag auf X. Man solle sich lieber auf das Worst-Case-Szenario vorbereiten, als zu hoffen, "das werden die schon nicht machen", schreibt Masala.
- twitter.com: Thread von @FRHoffmann1 (englisch)
- bild.de: "Bundeswehr bereitet sich auf Putin-Angriff vor" (kostenpflichtig)