Neues Flugzeug in der Entwicklung? Putin will aus der Stratosphäre zuschlagen
Der Kreml lässt angeblich ein Flugzeug zur Luftaufklärung aus extremen Höhen entwickeln. Ist das eine reale Bedrohung oder Propaganda?
Es soll aus großer Höhe das Überblicken des Schlachtfelds und Auskundschaften von Zielorten für Raketen und Marschflugkörper möglich machen: Für diese Zwecke entwickelt Russland angeblich ein neues Flugzeug, ein sogenanntes stratosphärisches Aufklärungs- und Angriffssystem. Das jedenfalls schreibt die kremlnahe Zeitung "Iswestija".
Demnach testen die Ingenieure des russischen Verteidigungsministeriums, ob das zu Sowjetzeiten entwickelte Flugzeug M-55 Geophysica als Basis für die neue Maschine taugt. Die M-55 ging 1988 zum ersten Mal in die Luft und hält bis heute den Höhenrekord für ein Flugzeug ihrer Gewichtsklasse. So erreichte eine M-55 bei einem Flug im Jahr 1993 eine Höhe von mehr als 21 Kilometern. Solche Höhen schaffen sonst nur die U2 Dragon Lady oder die inzwischen ausgemusterte SR-71 Blackbird der US-Luftwaffe. Zum Vergleich: Passagiermaschinen fliegen in der Regel nicht höher als 10 Kilometer.
Flugzeug soll Ziele für Raketen liefern
In diesen Höhen bewegt sich ein Flugzeug bereits in der Stratosphäre, der zweiten Schicht der Erdatmosphäre, die sich in 8 bis 50 Kilometern Höhe erstreckt. Daher kommt auch die Typenbezeichnung "stratosphärisches Aufklärungs- und Angriffssystem" der geplanten russischen Maschine. Vollgepackt mit Radaranlagen, elektronischen Aufklärungssystemen und optischen Kameras soll das Flugzeug die Schlachtfelder in der Ukraine überfliegen und Ziele für Artillerie, Luftwaffe und Marine erkennen, so "Iswestija". Unklar ist, ob für die Maschine auch eine eigene Bewaffnung geplant ist.
Sollte das "stratosphärische Aufklärungs- und Angriffssystem" jemals abheben, müsste sich die Ukraine wohl auf heftigere und vor allem zielgenauere russische Raketenangriffe einstellen. Der russische Militärexperte Dmitry Kornew sagte "Iswestija", die geplante Maschine könnte Ziele liefern für Kurzstreckenraketenwerfer, aber auch für ballistische Raketen wie die "Iskander" mit einer Reichweite von 500 Kilometern, gelenkte Marschflugkörper vom Typ "Kalibr" mit bis zu 600 Kilometern Reichweite sowie für Hyperschallwaffen der Typen "Kinschal" und "Zirkon".
Greift Russland wieder Kraftwerke an?
Mit all diesen Waffen hat Russland im vorigen Winter gezielt die Energieinfrastruktur der Ukraine beschossen und wird diese Angriffe in den kommenden Monaten wohl wieder verstärken. Denn leer sind Putins Arsenale offenbar nicht. Nach Angaben des ukrainischen Militärgeheimdienstes HUR hat der Kreml einen Vorrat von etwa 870 Raketen und Marschflugkörpern mit einer Reichweite von mehr als 350 Kilometern angelegt.
"Die Russen warten darauf, dass die Temperatur unter Null sinkt", sagte HUR-Generalmajor Vadym Skibitsky der ukrainischen Nachrichtenagentur RBC. "Die Angriffe werden höchstwahrscheinlich beginnen, wenn unser Stromnetz stärker belastet ist und die Bedingungen aus russischer Sicht günstig sind."
Russische Kriegsblogger feiern das "stratosphärische Aufklärungs- und Angriffssystem" schon jetzt als "Zukunft der Kriegsführung", berichten die US-Forscher vom Institute for the Study of War (ISW). Ob die geplante Maschine jemals abhebt und ihren Zweck erfüllt, ist aber fraglich. Die russische Propaganda bejubelt immer wieder Eigenentwicklungen der heimischen Waffenindustrie wie den Kampfpanzer T-14 "Armata" oder den Mehrzweckkampfjet Su-57. In der Praxis haben sich Putins vermeintliche "Wunderwaffen" aber immer wieder als Flop herausgestellt.
- iz.ru: Высокое размещение: армия РФ получит стратосферный комплекс поиска целей (russisch)
- rbc.ua: Війна за світло. Як та коли Росія може почати атаки на українську енергетику (ukrainisch)
- understandingwar.org: Russian Offensive Campaign Assessment, November 12, 2023 (englisch)