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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Angriffe am Schwarzen Meer Russland legt Wahrzeichen in Schutt und Asche
Erneut attackiert Russland die Südukraine, nun trifft es in Odessa ein stadtbekanntes Hotel. Der Besitzer ist verzweifelt.
Einst war es ein Wahrzeichen der Hafenpromenade von Odessa, jetzt liegt es in Schutt und Asche. Das "Hotel Odessa" ist Ziel eines Drohnenangriffs geworden, wohl von russischer Seite. Übrig geblieben ist ein Gerippe aus Stahl, am Boden verteilt liegen Trümmer. Das Hotel in bester Lage, das einst über dem Wasser thronte, ist ein weiteres Symbol im Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine geworden.
Das Ausmaß der Zerstörung zeigte sich nach dem Angriff am Montag. Am Dienstag dauerten die Aufräumarbeiten an. Warum aber greift Russland ein im Krieg geräumtes, ungenutztes Hotel an? Russischen Quellen zufolge soll dort zuletzt das Marinehauptquartier der ukrainischen Streitkräfte untergebracht gewesen sein. Von ukrainischer Seite blieb das zunächst unbestätigt.
Im Kurznachrichtendienst X, vormals Twitter, spekulierten Nutzer, dass es sich nicht um das Hauptquartier handele, aber ein Kommandoposten der Marine gewesen sein könnte. Die Stationierung wichtiger Marineeinheiten legt allerdings nahe, dass die russische Attacke ein Racheakt gewesen sein könnte.
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Kurz zuvor nämlich hatte die Ukraine das Hauptquartier der russischen Schwarzmeerflotte auf der russisch besetzten Halbinsel Krim angegriffen. Dabei wurde offenbar der Kommandeur der Schwarzmeerflotte, Admiral Wiktor Sokolow, getötet. Lesen Sie hier mehr über den Marinegeneral Sokolow, der in Syrien Kriegsverbrechen zu verantworten hat. Am Montag folgte anscheinend die Antwort aus Russland. Die russischen Streitkräfte reagierten mit Shahed-Kamikaze-Drohnen und Raketen.
Zu Schaden kam bei dem Angriff auf das Hotel niemand, wie der Besitzer des "Odessa" mitteilte. Der symbolische Schaden hingegen ist enorm.
Der blau-graue Bau liegt an der Hafenpromenade, umgeben von Schiffsanlegestellen und Flanierwegen. In dem Hochhaus gab es einst ein Fitnessstudio, ein Schwimmbad, Zimmer auf etlichen Etagen, der Ausblick ging auf das Wasser und die berühmte Potemkinsche Treppe hinaus. Das riesige Bauwerk aus dem 19. Jahrhundert, ein bei Touristen und Einheimischen beliebter Treffpunkt, liegt nur wenige Gehminuten entfernt. In der Nähe steht zudem die Statue "Frau des Seemanns", Bilder zeigten sie nach dem Angriff umgeben von Trümmern.
Bei X klagte nun der Besitzer des Hotels, der ukrainische Unternehmer Andriy Stawnizer, über die Zerstörung des Gebäudes. "Das war mein Hotel. Ich habe davon geträumt, in Odessa eine schöne, moderne Promenade zu bauen. Ich habe Millionen Dollar investiert, einen Anteil von Privatinvestoren aufgekauft und trotz des Krieges den Deal mit der Regierung abgeschlossen."
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Jetzt, so der 41-Jährige, sei dieser Traum zerstört. Stawnizer zählt zu den reichsten Menschen der Ukraine, 2021 wurde er bei Forbes unter deren 100 reichsten Menschen gelistet. Er habe das ursprüngliche Hotel nicht gemocht, schreibt er weiter, und es moderner gestalten wollen. Dann gibt er sich kämpferisch: "Wir werden alles wieder aufbauen. Odessa wird so schön sein, wie es sich die Russen in ihren schrecklichsten Albträumen nie hätten vorstellen können."
Weltweit einer der größten Getreideproduzenten
Die russischen Angriffe trafen nicht nur das Hotel, sondern auch ein Getreidelager im Hafen. Dabei waren am Montag zwei Menschen getötet worden. Sie waren ukrainischen Angaben zufolge in dem Depot des Hafens tätig. Odessa gilt nicht nur als strategisch wichtig, weil dort die ukrainische Marine stationiert ist, auch für die Aus- und Einfuhr von Getreide ist die Hafenstadt von zentraler Bedeutung.
Die Ukraine gehört zu den weltweit größten Getreideproduzenten – genau wie Russland. Ein Getreideabkommen zwischen den Nachbarstaaten hatte Moskau im Juli aufgekündigt und anschließend im Hafen ein- und auslaufende Frachter zu möglichen Angriffszielen erklärt.
Seither war Odessa verstärkt von Russland ins Visier genommen worden, zuvor hatten sich die Angriffe im Osten der Ukraine konzentriert. Auch am Dienstag meldeten ukrainische Vertreter weitere Attacken auf die westukrainische Region. Zwei Menschen seien im Gebiet Odessa unweit der Grenze zum EU-Land Rumänien verletzt worden. "Im Landkreis Ismajil gab es Einschläge in der Hafeninfrastruktur", teilte der Militärgouverneur von Odessa, Oleh Kiper, am Dienstag nach den nächtlichen Angriffen mit.
Menschen suchen Zuflucht in Treppenhäusern
Bei den Opfern handle es sich um Lastwagenfahrer, einer sei vor Ort behandelt worden, der zweite habe wegen einer schweren Handverletzung ins Krankenhaus eingeliefert werden müssen. Kipers Angaben nach wurden Lagerhäuser und knapp 30 Lastwagen beschädigt. Sechs Fuhrwerke seien ausgebrannt. Von insgesamt 38 Kamikaze-Drohnen berichtete die ukrainische Luftwaffe am Morgen. 26 davon habe die Ukraine abgeschossen.
Unterdessen verbreiteten ukrainische Medien am Montag ein Video, das zeigen soll, wie Bewohner von Odessa, unter ihnen Kinder, mit ihren Haustieren in Badezimmern oder Treppenhäusern Zuflucht vor den Angriffen suchen. Auf Telegram kursierten zudem Aufnahmen, in denen mutmaßlich die Einschläge der russischen Raketen zu hören sind. Russland greift die Stadt häufig von der besetzten Halbinsel Krim aus an.
- X: @artursorin, @stavnitser, @MFA_Ukraine, @United24media (alle englisch)
- Telegram: Новости Одесса | Одеса (russisch/ukrainisch)
- trivago.de: "Hotel Odessa"
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
- forbes.ua: "Информация о Андрей Ставницер" (russisch/ukrainisch)