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Ukraine-Krieg – Urlaub neben Raketenangriffen und Explosionen: "Nichts hält mich auf"


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Raketenangriffe und Explosionen
Urlauber im ukrainischen Kriegsgebiet: "Es lohnt sich"


Aktualisiert am 30.07.2023Lesedauer: 5 Min.
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Urlaub in Sudak (Archivbild): "Ich fahre jeden Sommer in den Urlaub auf die Krim", sagt ein russischer Tourist. (Quelle: IMAGO/Sergei Malgavko)

Der Krieg ist auch auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim spürbar. Dennoch verbringen dort zahlreiche Russen ihren Urlaub. Sie zeigen sich unbeeindruckt.

Die Krim bleibt ein umkämpfter Ort im Krieg in der Ukraine: Vergangene Woche war die Brücke zu der russisch besetzten ukrainischen Halbinsel zum zweiten Mal angegriffen worden. Kurz darauf brannte ein Munitionslager im Osten, offenbar attackiert durch ukrainische Streitkräfte. Etwa 2.000 Menschen mussten in Sicherheit gebracht werden, teilten die russischen Besatzer anschließend mit. Und erst am Montag explodierte ein Fahrzeugdepot auf der Nordkrim – unterdessen kündigte der ukrainische Verteidigungsminister an, dass sein Land weiter Angriffe auf die Krim-Brücke fliegen werde.

Dass all das während der Urlaubszeit passiert, hatte Tausende Touristen aus Russland verärgert: Durch die Beschädigung der Krimbrücke konnten sie nicht mehr direkt nach Russland zurück- oder von dort einreisen, die ständigen Angriffe stören ihre Urlaubsruhe. Der russisch eingesetzte Gouverneur forderte sie auf, den Landweg über die besetzten Gebiete in der Ukraine zu nutzen, was Unmut auslöste: Es bildeten sich lange Staus, Urlauber saßen fest und teilten ihren Frust in sozialen Medien.

Urlaub, nur etwa 100 Kilometer von der Front entfernt, das ist besonders für Menschen in der Ukraine derzeit schwer nachvollziehbar. In Teilen lässt sich das mit der Tradition der Russen erklären. Seit vielen Jahren ist die ukrainische Halbinsel, die 2014 von Russland völkerrechtswidrig annektiert und besetzt wurde, in den Sommermonaten ein beliebtes Ziel. Dort ist es verlässlich warm, die Strände sind für viele Reisende ausgelegt, und der Urlaub vor allem in kleineren Orten wie Sudak ist vergleichsweise günstig. Stoisch reisen Russen weiter in den Süden. Doch auch auf der Krim zeigt sich ein Wandel im Tourismus.

Jewgeni: "Ich fahre jeden Sommer auf die Krim"

Die Großstadt Jewpatoriya ist klassisches Urlaubsziel, ebenso kleinere Städte wie das historisch bekannte Jalta, außerdem die Orte Alupka, Aluschta oder Koktebel weiter im Osten, nahe der Krim-Brücke, der Landverbindung direkt nach Russland.

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Eindrückliche Schilderungen von Urlaubern hat nun das russischsprachige Onlineportal "Bereg" (Ufer) gesammelt, ein Kollektiv unabhängiger Journalistinnen und Journalisten: Jewgeni, 40, aus dem russischen Mytischtschi, einer Großstadt im Raum Moskau, schilderte der Onlineseite: "Ich war im Urlaub im Dorf Olenewka [Oleniwka] an der Westküste der Krim. Ich fahre jeden Sommer in den Urlaub auf die Krim – und nichts hält mich auf. Noch bevor ich Rostow am Don erreichte, erhielt ich eine Nachricht von meinen Kollegen – ohne sie hätte ich nichts von der Explosion auf der Krim-Brücke erfahren."

Er habe sich auf die Suche nach einer alternativen Straße gemacht und sei schließlich weitergefahren. "Am nächsten Tag, früh am Morgen, fuhren [meine Freundin und ich] Richtung Mariupol. Die einzige Angst war, [ob] es Tankstellen gibt, ob es genug Benzin gibt." Er schildert gar Kriegstourismus: "Wir haben uns die zerbombte Stadt [Mariupol] angesehen, ein Teil davon ist bereits wieder aufgebaut – es lohnt sich auf jeden Fall, sie mit eigenen Augen zu sehen." Die örtlichen Behörden hätten sie nur an einem Kontrollpunkt gestoppt und ihre Dokumente geprüft. "Es ist also nichts Beängstigendes dabei, man kann sicher fahren."

Alina: "Ich werde daran in Zukunft nichts ändern"

Auch die 30-jährige Alina berichtete "Bereg", sie fahre seit Jahren zum Urlaub auf die Krim – aus dem russischem Grenzgebiet Belgorod, also von einem kriegsnahen Gebiet in das nächste. Sie kenne die angespannte Lage aus ihrer Heimat, "bei uns ist es noch schlimmer", berichtet sie.

Belgorod wird seit Monaten immer wieder beschossen, die russische Seite macht die Ukraine dafür verantwortlich, die weist das zurück. Alina reiste nach Jewpatoriya im Westen der Halbinsel. Die direkte Straße zur Krim habe sich in zehn Jahren nicht sehr verändert, deswegen reise sie darüber auch wieder aus, sagte sie. Und: "Ich werde daran in Zukunft nichts ändern."

Ein Urlauber aus der russischen Hauptstadt Moskau, Jewgeni, 41, beschreibt: "Mariupol war ein Schock." In seinem Urlaubsort Sudak aber sei von Krieg nichts mehr zu spüren gewesen, die Einheimischen seien "ganz gelassen", er habe "Nachbarn" aus Moskau kennengelernt.

Es sind teils unwirkliche Schilderungen von Urlaub mitten im Krieg. Auch auf Reisebuchungsportalen wie "Ostrovok.ru" finden sich Einträge russischer Urlauberinnen und Urlauber vom Juli. Eine Frau, Swetlana, Buchung Doppelzimmer Superior, vergibt zehn von zehn Punkten an das Gästehaus "Ritter" in Sudak im Osten der Krim, ihre Bewertungskategorie: "Super". Ein Mann, Alexej, Doppelzimmer Standard, war ebenfalls zufrieden und lobt den "schönen Ausblick" von seiner Unterkunft in der Senjawina-Straße 5 in Sewastopol. Die Front ist nur etwa 100 Kilometer von der Krim entfernt.

Tourismus eingebrochen

Trotz der Berichte beharrlicher Urlauber zeigen die anhaltenden Angriffe auf die Ferieninsel ihre Wirkung: Die Zahl der Touristen ist seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine eingebrochen. Lediglich drei Prozent aller russischen Hotelbuchungen im vergangenen Jahr entfielen auf die Krim, berichtet die "Washington Post" unter Berufung auf das Buchungsportal "Ostrovok.ru" – in diesem Jahr sogar nur ein Prozent. 2021 hätten die Krim-Buchungen noch 19 Prozent ausgemacht.

Davon berichtet auch Olga, die eine Unterkunft in Oleniwka betreibt: "Normalerweise sind wir von Juni bis September immer ausgebucht", sagte sie Radio Free Europe/Radio Liberty mit Sitz in den USA. "In diesem Jahr sind knapp zehn Prozent der Zimmer gebucht." Andere Inhaber sagten demnach, sie seien lediglich zu 40 bis 50 Prozent ausgelastet – obwohl sie hohe Rabatte anböten, um Touristen anzulocken. Die Halbinsel ist von den Einnahmen durch den Tourismus abhängig.

Reiseunternehmerin: Nicht auf "Basis von Emotionen" entscheiden

Am Mittwoch hat der stellvertretende russische Ministerpräsident Dmitri Tschernyschenko deshalb dem von Russland ernannten Oberhaupt der Krim, Sergej Aksjonow, auch weiter staatliche Unterstützung versprochen. Diese werde der örtlichen Tourismusbranche helfen, die schwierige Zeit zu überstehen, sagte er laut der russischen Nachrichtenagentur Interfax. "Seit Anfang des Jahres haben 2,4 Millionen Touristen auf der Krim Urlaub gemacht, diese Zahlen sind niedriger als im Vorjahr", räumte er demnach ein. Laut Interfax kamen im Jahr 2022 6,3 Millionen Touristen auf die Halbinsel, 2021 – vor dem russischen Angriff auf die Ukraine – seien es noch 9,5 Millionen gewesen.

Auch die Tourismusbranche selbst reagierte und versucht gegenzusteuern. Nach dem jüngsten Angriff auf die Krim-Brücke sagte die Leiterin des Krim-Reiseunternehmens Laspi, Elena Baschenowa, laut dem russischen Verband der Tourismusindustrie: "Wir haben Stornierungen für Ende Juli und August. Wir erklären den Touristen, dass Stornierungen für diese Termine nur mit Strafgebühren möglich sind."

Außerdem gehe man davon aus, dass sich die Situation in den nächsten Tagen normalisieren werde. Baschenowa fügte hinzu: "Wir versuchen, die Touristen davon zu überzeugen, ihre Entscheidungen nicht auf der Basis von Emotionen zu treffen."

Verwendete Quellen
  • interfax.ru: "В правительстве отметили сокращение турпотока в Крым в 2023 году" (russisch)
  • washingtonpost.com: "As war nears Crimea, Russian occupiers are trying to lure tourists" (englisch)
  • edition.cnn.com: "Russian tour operators beg Crimea vacationers not to cancel trips following bridge attack" (englisch)
  • businessinsider.com: "Tour operators in Crimea are begging holidaymakers to stay after a bridge attack left a Russian couple dead" (englisch)
  • reuters.com: "Russian tourists flee Crimea after attack on landmark bridge" (englisch)
  • themoscowtimes.com: "Crimea's tourism industry faces another lost summer as war rages on" (englisch)
  • rferl.org: "Crimean Beaches 'Nearly Empty' Amid Russian Military Buildup" (englisch)
  • edition.cnn.com: "Ukraine’s defense minister says attacks on Crimea will continue, predicts possible NATO entry next year" (englisch)
  • bereg.io: "Ничего страшного там нет, можно спокойно ехать" (russisch)
  • forbes.com: "The Russians Packed Hundreds Of Vehicles Into A Crimean Repair Depot. The Ukrainians Just Hit It With A Cruise Missile" (englisch)
  • ostrovok.ru: "Отель Santorini*", "Мини-отель Атлантик 3*", "Апартаменты на Сенявина 5", "Гостевой дом с Рыцарем" (russisch)
  • twitter.com: @nexta_tv (englisch)
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