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Ukraine: Oberst warnt bei Illner vor "brutaler" Phase – und fordert mehr Geld


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Ukraine-Talk bei Illner
Oberst: "Wir kommen jetzt in eine brutale Phase"


Aktualisiert am 16.06.2023Lesedauer: 4 Min.
André Wüstner, der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbands (Archivbild): Er warnt vor einem "schmutzigen Frieden" im Ukraine-Krieg.Vergrößern des Bildes
André Wüstner, der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbands (Archivbild): Er warnt vor einem "schmutzigen Frieden" im Ukraine-Krieg. (Quelle: ap)
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Oberst André Wüstner warnt vor einem "schmutzigen" Frieden in der Ukraine. Er forderte bei "Illner" mehr Geld, um die Truppe verteidigungsfähig zu machen – sonst werde die Zeitenwende "verhungern."

Noch jahrelang Krieg – und am Ende bloß ein "schmutziger" Frieden? Vor diesem Szenario warnte am Donnerstagabend bei "Maybrit Illner" die Expertenrunde. Umso wichtiger ist es laut André Wüstner, Vorsitzender des Deutschen Bundeswehrverbandes, dass die Bundesregierung über das Sondervermögen hinaus massiv investiert. "Da krieg' ich Puls", geriet der Oberst in Fahrt.

Die Gäste

  • Lars Klingbeil, SPD-Parteivorsitzender
  • Roderich Kiesewetter (CDU), Außenpolitiker
  • André Wüstner, Vorsitzender des Deutschen Bundeswehrverbandes
  • Nicole Deitelhoff, Friedensforscherin
  • Wolfgang Ischinger, Diplomat
  • Alica Jung, ZDF-Reporterin

Anlass war die kolportierte Aussage von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), dass die Bundeswehr aktuell nicht verteidigungsfähig ist. Andere Spitzen-Militärs hätten dieses Urteil bestätigt und dabei Begriffe wie "museumsreif" oder "Palliativmedizin" benutzt, sagte Wüstner. Bei vielen Verantwortlichen in der Regierung sei die Botschaft aber immer noch nicht angekommen und Pistorius werde "abgespeist", klagte der Oberst.

Scheitert die Zeitenwende?

Wüstner forderte mit Blick auf die Nationale Sicherheitsstrategie massive Investitionen, über das Sondervermögen hinaus. Andernfalls werde die Zeitenwende "verhungern". In den vergangenen Jahrzehnten seien Hunderte Milliarden Euro bei der Bundeswehr eingespart worden. Das müsse nachgeholt werden, nicht nur zum Schutz Deutschlands. "Wir sprechen hier über die Zukunft der Sicherheitsarchitektur Europas", unterstrich der Oberst und regte den Bau einer Munitionsfabrik an.

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Wolfgang Ischinger, der ehemalige Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz und Ex-Botschafter in den USA, hatte in der Runde bei "Maybrit Illner" als erster den Begriff "schmutziger Waffenstillstand" erwähnt. Der russische Angriffskrieg werde nicht zwangsläufig mit einem "schönen Friedensvertrag" enden, prophezeite der Diplomat: "Das ist eher eine Illusion." Wahrscheinlicher sei ein Waffenstillstand, der täglich verletzt wird – wie nach der Annexion der Krim 2014.

Schalte in die Ukraine: Und dann ging das Licht aus

"Wir kommen jetzt in eine brutale Phase. Die brutalen Bilder werden noch brutaler werden", warnte Wüstner angesichts der ukrainischen Gegenoffensive. "Im Schlaf werden die Menschen getroffen", berichtete ZDF-Reporterin Alica Jung, die von einer Straße in Saporischschja aus zugeschaltet war, von verstärkten Angriffen der russischen Armee mit Drohen und Raketen. Kurz danach ging hinter ihr die Straßenbeleuchtung aus.

Die Ukraine will den Krieg aber auch nach Russland tragen. Pistorius hatte dazu kürzlich bei "Illner" gesagt, es sei "völlig normal", dass Angegriffene ins gegnerische Territorium vorstoßen, um etwa die Versorgung zu stören. Solange keine Zivilisten angegriffen würden, müsse man das akzeptieren: "Das ist das Normalste der Welt." Aber sieht Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) einen solchen Einsatz deutscher Waffen ebenso gelassen?, wollte die Gastgeberin von SPD-Chef Lars Klingbeil wissen.

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Warnung vor deutschen Waffen in Russland

"Ich stelle mir vor, der Kanzler würde sich ins Fernsehen setzen und sagen, es ist völlig okay, dass mit deutschen Waffen auf einmal in Russland Gebiete angegriffen werden", antwortete der Parteivorsitzende. Er teile zwar die Analyse von Pistorius. Dennoch gebe es hier ein Eskalationspotenzial und Scholz habe versprochen, dass Deutschland keine Kriegspartei wird.

"Deutschland kann mehr tun", kritisierte die Friedensforscherin Nicole Deitelhoff und erntete damit in der Runde weitgehend einhellige Zustimmung. Das gilt für die Professorin für Internationale Beziehungen an der Goethe-Universität Frankfurt am Main nicht nur für die so dringend benötigten Munitionslieferungen. Ihrer Ansicht nach hat es die Bundesregierung bislang auch versäumt, die deutsche Bevölkerung auf die wahren Kosten des Kriegs vorzubereiten.

In großen Teilen der Öffentlichkeit herrsche laut Deitelhoff die Vorstellung, die Ukraine werde mit der Gegenoffensive schnell verlorene Gebiete zurückerobern – nach dem Motto "ein bisschen durchhalten und die Ukraine ist wieder souverän". Es ist sei jedoch wahrscheinlich, dass der Krieg Jahre dauern wird, so die Forscherin. Auch sei die nationale Sicherheit nicht wie in der neuen Strategie behauptet "kostenneutral" zu bekommen. Deitelhoff rechnet mit "massiven Verschiebungen" in den Haushalten. Darauf müsse man die Menschen einstellen.

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Während in manchen Diskussionsrunden ein rascher Nato-Beitritt der Ukraine gefordert wird, zeigten sich die Gäste bei "Illner" am Donnerstag skeptischer. Es gab jedenfalls keine Widerworte, als Deitelhoff einen baldigen Beitritt angesichts der absehbaren Schwierigkeiten als keine gute Idee bezeichnete. "Eine Hängepartie würde Uneinigkeit zwischen den Nato-Mitgliedern hervorbringen, die dann noch die Unterstützung der Ukraine beeinträchtigen würde", warnte die Friedensforscherin und nannte den ukrainischen Nato-Beitritt allenfalls ein fernes Ziel.

Vorschlag für eine Kontaktgruppe für Friedensbemühungen

Bei einem anderen aktuell unwahrscheinlichen Szenario mahnte Deitelhoff hingegen sofortiges Handeln an. "Schon jetzt muss man Verhandlungen vorplanen", sagte sie. Interessierte Staaten und Persönlichkeiten müssten für eine Kontaktgruppe vernetzt werden. Zudem sollten auch Staaten wie China, Brasilien und Südafrika einbezogen werden, um die internationale Akzeptanz solcher Friedensbemühungen zu unterstützen.

Letztlich schadet der Krieg dem Westen sehr viel mehr als Russland, gab Wüstner zu bedenken. Analysen zufolge brauche Russland nur zwei bis sechs Jahre, um auf dem Stand vor dem Angriff zu sein. Europa benötige dafür hingegen 10 bis 14 Jahre.

"Das ist der asymmetrischste Krieg, von dem ich in meinen Jahrzehnten diplomatischer Erfahrungen gehört habe", bilanzierte Ischinger bei "Illner". Die Schäden in der Ukraine seien verheerend, während das russische Riesenreich scheinbar kaum tangiert sei. Auch das stütze im Kreml die Vorstellung, den Angriff notfalls bis zur Präsidentschaftswahl in den USA Ende 2024 ausdehnen zu können.

Verwendete Quellen
  • "Maybrit Illner" vom 15. Juni 2023
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