Russlands Waffenhandel Putins Geschäft bricht zusammen
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Wladimir Putins Ukraine-Krieg erschüttert auch den internationalen Waffenhandel. Die russischen Verkäufe brechen ein, davon profitiert vor allem eine Supermacht.
Eigentlich wollte er Russland wieder zu einer Supermacht machen, mithilfe eines starken Militärs. Doch Wladimir Putins Großmachtphantasie scheint mit seinem Angriff auf die Ukraine in weite Ferne gerückt. Militärisch verliert die russische Armee in dem Krieg viele Soldaten, viele schwere Waffen und im Kreml wächst die Unruhe, dass die heimische Kriegswirtschaft nicht schnell genug Ausrüstung und Munition nachproduzieren kann.
Russland ist zwar immer noch eine große Atommacht, aber konventionell entmilitarisiert Putins Krieg das Land aktuell in einem rasanten Tempo – und der Kremlchef scheint noch immer nicht bereit, von seinen Kriegszielen abzulassen. Aber schon vor diesem Konflikt schien international eine wichtige Einflusssäule des Kremls zunehmend in Trümmern zu liegen: Die russischen Rüstungsexporte kollabieren schon seit mehreren Jahren, aber mit Putins Invasion droht nun der K.-o.-Schlag für eine russische Schlüsselindustrie. Die Folgen sind fatal.
Russlands Rüstungsindustrie muss gegenwärtig vor allem für die eigene Armee im Ukraine-Krieg produzieren. Dadurch kann Moskau seine Lieferungen an andere Staaten nicht einhalten – das kostet Putin Vertrauen, Geld und der russische Einfluss geht weltweit zurück.
Russischer Waffenboom ist am Ende
Ähnlich wie zuvor die Sowjetunion hat Russland das Problem, dass es kaum Soft Power besitzt. Das heißt: Der Kreml kann mit kultureller Attraktivität, mit Ideologie, mit Entwicklungshilfe oder durch ein attraktives politisches System kaum Macht auf andere Staaten ausüben, ohne Gewalt anzuwenden. Deswegen schüchtert Putin seine Nachbarstaaten militärisch ein oder benutzt Abhängigkeiten, indem er billige Rohstoffe oder Rüstungsgüter an andere Staaten verkauft.
Doch nach Angaben des schwedischen Friedensforschungsinstituts SIPRI ist Putins Rüstungsindustrie seit über einem Jahrzehnt auf dem Weg in die Krise. Im Jahr 2011 verzeichnete Russland bei den Rüstungsexporten einen Höchststand, aber bis 2019 war das Geschäft um 20 Prozent eingebrochen. 2011 lag Russland in Schlagdistanz zu den USA und belieferte laut SIPRI 35 Länder. Elf Jahre später, im Jahr 2022, sind es nur noch zwölf Länder und die Verkäufe sind im Vergleich zum Höchststand 2011 um 70 Prozent eingebrochen.
Putin hatte nach seiner Machtübernahme damit begonnen, die russische Armee technisch zu modernisieren. Danach warb der Kreml international mit leistungsfähigen Waffensystemen wie der S-300- oder der S-400-Flugabwehr, die im Vergleich zu den Systemen aus dem Westen kostengünstiger sind. Aber der russische Waffenboom scheint vorbei.
Russland unterstützt mit seinen Waffen despotische und revisionistische Führer wie Hugo Chávez in Venezuela und Bashar al-Assad in Syrien und half ihnen, ihre Macht zu festigen. Besonders von 2010 bis 2013 unterstützte Moskau die syrische Regierung in dem Bürgerkrieg mit Rüstungsgütern. Doch Mitte des vergangenen Jahrzehnts kam Gegenwind und wenige Jahre später stand Putins Schlüsselindustrie im Sturm.
Was sind die Gründe für die Krise?
- Venezuelas Wirtschaft brach 2014 ein, ebenso Syriens Waffenkäufe.
- Nach der Annexion der Krim durch Russland begannen die Vereinigten Staaten und andere westliche Länder, Druck auf Drittländer auszuüben, keine russischen Militärgüter zu kaufen.
- Vor der Besetzung der Krim zählten auch EU-Länder wie Zypern oder Slowenien zum Kundenkreis russischer Rüstungsunternehmen. Die westlichen Sanktionen änderten das schlagartig.
- Durch Chinas wirtschaftlichen Aufstieg konnte Peking seine rüstungspolitischen Abhängigkeit von Russland lösen und entwickelt immer mehr eigene Waffensysteme.
- Auch Indien hat unter Premierminister Narendra Modi die Eigenproduktion gesteigert und die Importe reduziert.
- Nach Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine hat der Westen die Sanktionen gegen Russland verschärft und nun fehlt der russischen Rüstungsindustrie moderne Technologie wie Halbleiter.
- Letztlich braucht Russland seine Rüstungsproduktion primär für die eigene Armee und kann nur noch wenig verkaufen.
"Die Nachfrage wird gering bleiben"
Der Einbruch der russischen Waffenexporte sind vor allem der Ausdruck der zunehmenden internationalen Isolation, in der sich Russland seit der Krim-Annexion 2014 befindet. Der Kollaps des russischen Waffengeschäfts ist ein Indikator dafür, wie teuer Putins Imperialismus auch für Russland ist. Er kostet nicht nur Zehntausende Menschenleben, sondern Moskau auch massiv an Einfluss.
Prinzipiell sind rückläufige Waffenexporte förderlich für den Frieden. Doch die Lücke, die Russland auf den Märkten hinterlässt, wird von anderen Staaten gefüllt. Vor allem die USA und Frankreich profitieren.
Die US-Waffenexporte stiegen zwischen 2018 und 2022 verglichen mit den Jahren 2013 bis 2017 laut SIPRI um 14 Prozent an. Insgesamt entfielen auf die Vereinigten Staaten 40 Prozent der weltweiten Waffenexporte in den Jahren 2018 bis 2022. Der Marktanteil für Russland sank im gleichen Zeitraum von 22 auf 16 Prozent, der von Frankreich stieg dagegen von 7,1 auf 11 Prozent.
Diese Entwicklung könnte sich künftig noch weiter verschärfen. "Es ist wahrscheinlich, dass die Invasion in die Ukraine Russlands Waffenexporte weiter einschränken wird", sagte SIPRI-Forscher Siemon T. Wezeman im März 2023. Der Grund: "Russland wird seinen Streitkräften Priorität bei der Versorgung einräumen und die Nachfrage aus anderen Staaten wird aufgrund von Handelssanktionen gegen Russland und des zunehmenden Drucks der USA und ihrer Verbündeten gering bleiben."
Russische Waffen sind nicht so gut wie ihr Ruf
Für den Westen bietet die gegenwärtige Schwäche Russland die Chance, einige Staaten aus der sicherheitspolitischen Abhängigkeit von russischen Rüstungsimporten zu lösen. Ein Beispiel dafür ist Indien: Ein Vertreter der indischen Luftwaffe erklärte im März 2023, dass aufgrund des Ukraine-Krieges eine "große Lieferung" aus Moskau "nicht stattfinden wird". Russland könne nicht liefern.
Indien, China und Ägypten waren die größten Käufer russischer Waffensysteme, aber an Indien und China lieferte Moskau im ersten Kriegsjahr deutlich weniger Waffen, an Ägypten gar keine mehr. Das zeigt: Russland ist eine Rüstungsmacht im Niedergang und Putins Kunden verlieren die Geduld.
Die Folgen für Russland wiegen schwer. Das Wegfallen der Einnahmen aus den Waffenverkäufen – im Jahr 2015 immerhin über 15 Milliarden Dollar – erhöht die russische Abhängigkeit von Öl- und Erdgasverkäufen. Aber auch für die russischen Rohstoffe sind die Hauptkunden in Europa nach Putins Invasion in die Ukraine weggebrochen. Zwar versucht Moskau seine Rohstoffe an Indien und China zu verkaufen, aber zu Schleuderpreisen. Denn diese Staaten nutzen Russlands gegenwärtige Schwäche aus.
Ohnehin hat sich der Kreml durch den Angriffskrieg vor allem China untergeordnet. Ohne Peking könnte Putin seinen Krieg mutmaßlich gar nicht mehr führen, weil die modernen Halbleiter für russische Panzer und anderes Gerät nun aus der Volksrepublik kommen müssen. "Die Panzerhüllen stehen zwar in den Fabriken, aber sie können nicht montiert werden, weil elementare Komponenten fehlen", sagte Militär- und Russland-Experte Gustav Gressel t-online. "So kann die russische Rüstungsindustrie Nachtsichtgeräte, Funkgeräte oder allgemein Geräte mit Steuerungschips nicht in ausreichender Quantität produzieren."
Letztlich sind Rüstungsexporte auch immer der Handel mit dem Tod, aber für Russland oder die USA sind sie ein wichtiger Hebel, um Bündnisse zu schließen und diplomatischen Einfluss auf Abnehmerstaaten von Waffen auszuüben. Da die russische Rüstungsindustrie aber nicht mal den Bedarf der eigenen Armee decken kann, wird das künftig für Putin deutlich schwerer. Weil der Kreml seine Waffen nicht mehr als Machtinstrument nutzen kann, benutzt er nun den Export von Weizen.
Hinzu kommt, dass Putin seine modernen Waffensysteme in der Ukraine ins Schaufenster gestellt hat. Das Ergebnis für den Kreml war ernüchternd, weil viele Systeme nicht so funktionierten, wie geplant. Der T-14 Armata hat es nach einem Jahr Krieg offenbar auf das Schlachtfeld geschafft und die gelenkten Raketen zeichneten sich oft durch Ausfälle und Ungenauigkeit aus. Andererseits gelang es der Ukraine im ersten Kriegsjahr, mit leichten Waffensystemen aus dem Westen und modernen Kriegstaktiken die russischen Truppen zurückzudrängen. Auch das ist keine gute Werbung für Putins Rüstungsindustrie.
- foreignpolicy.com: Russia’s Boom Business Goes Bust (engl.)
- reuters.com: Ukraine says it is finding more Chinese components in Russian weapons (engl.)
- sipri.org: World military expenditure reaches new record high as European spending surges (engl.)
- sipiri.org: SIPRI Military Expenditure Database (engl.)
- rferl.org: Russia's Global Arms Exports Suffer As War Takes Toll; Ukraine's Imports Surge (engl.)
- theguardian.com: France challenging Russia as second biggest arms exporter behind US (engl.)
- voanews.com: Russia Sanctions a Boon for Chinese Arms Sales to Africa? (engl.)
- newsweek.com: Russia's Arms Export Industry Is Collapsing (engl.)
- bbc.com: Russia is still India's largest arms supplier, says report (engl.)
- cnn.com: Russia can’t meet India arms deliveries due to Ukraine war, Indian Air Force says (engl.)
- tagesspiegel.de: Russlands Waffenexporte durch Krieg beeinträchtigt
- wiwo.de: Russlands Waffenexport ist regelrecht eingebrochen