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Wladimir Putins Diamanten: EU verschont die Luxusgüter von Sanktionen


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Verkauf vor allem in die EU
Mit welchem Luxusgut Putin den Krieg finanziert


Aktualisiert am 24.02.2023Lesedauer: 5 Min.
Diamanten und Putin: Russlands Präsident kann mit Devisen aus dem Verkauf der Steine rechnen, die EU hat sich bisher nicht zu Sanktionen durchgerungen.Vergrößern des Bildes
Diamanten und Putin: Russlands Präsident, hier Gast beim World Diamond Council, kann mit Devisen aus dem Verkauf der Steine rechnen, die EU hat sich bisher nicht zu Sanktionen durchgerungen. (Quelle: Ahmad Masood/reuters)
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Zum Jahrestag des russischen Angriffskriegs wird ein zehntes Paket mit Sanktionen beschlossen. Wieder bleibt ein Luxusgut verschont.

Glücklich lässt sich die Braut vor dem Altar den Ring mit dem funkelnden Brillanten über den Finger streifen und ahnt nicht: Ihr Bräutigam hat mit dem Kauf vielleicht die russische Kriegsmarine unterstützt. Denn der größte Lieferant für Diamanten ist ein staatlich kontrollierter russischer Konzern. Und für die Luxusgüter gelten in der EU bisher keine Einschränkungen.

Gerade wird das zehnte Sanktionspaket der EU diskutiert und damit auch die Frage: Sind dieses Mal Diamanten aus Russland dabei? Es sieht bisher nicht danach aus. Dabei wurden bereits Sanktionen für zahlreiche wichtigere Güter aus Russland beschlossen – trotz der Gefahr, dass ein Verbot für sie die breite Masse treffen kann.

Diamanten aber, die Luxusgüter schlechthin, sind bisher unberührt geblieben. Das hat mit dem Protest aus einem EU-Land, aber auch mit speziellen Regeln des Diamantenmarkts zu tun. In Deutschland hätte die Branche nichts dagegen. Warum scheitert die EU ausgerechnet hier bei ihrem harten Kurs gegen Putin?

Diamantenkonzern ist staatlich kontrolliert

Knapp ein Drittel der jährlich gewonnenen Natur-Diamanten kommt aus russischem Boden. Das spezialisierte Beratungsunternehmen Bain & Company schätzt in seinem jährlichen Bericht zur Diamanten-Industrie, dass 2021 28 Prozent der gefundenen Edelsteine aus Minen des russischen Minenkonzerns Alrosa stammen. Alrosa gehört zu zwei Dritteln staatlichen russischen Stellen und wird ganz im Sinne des russischen Präsidenten Wladimir Putin gelenkt.

Die Verbindungen zwischen Konzern und Kreml sind eng: Alrosa hat der russischen Marine ein U-Boot mit dem Namen der Firma bauen lassen und finanziert den Unterhalt, wie die belgische Seite "Het Laatste Nieuws" berichtete. Gewinne von Arosa fließen in den russischen Haushalt. Der Vorstandsvorsitzende Sergei Sergejewitsch Iwanow ist der Sohn von Sergei Borissowitsch Iwanow, früherer Chef des Stabs von Putin und sein Sonderbeauftragter für Umwelt.

Gegen Vater und Sohn verhängte die US-Regierung mit Beginn von Russlands Angriffskrieg am 24. Februar neue Sanktionen. Die USA, weltweit größter Markt für Diamanten, verboten umgehend auch die Einfuhr von Edelsteinen von Alrosa. Darauf drängen die Ukraine und osteuropäische Länder: "Frieden ist viel mehr wert als Diamanten", mahnte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj – per Video zugeschaltet – im März 2022 im belgischen Parlament.

Mit wenig Erfolg in Europa: Im Oktober stand Alrosa zwar schon einmal im Entwurf für ein Sanktionspaket der EU. Aus der endgültigen Liste aber wurden die Diamanten gestrichen. Die Aktie schoss sofort sieben Prozent nach oben.

Nach Angriffskrieg stiegen Verkäufe noch

Zugleich stieg der Verkauf russischer Diamanten im ersten und zweiten Quartal 2022 noch. Das Fachmagazin "JCK" berichtete, dass vor allem der Export in die EU in die Höhe geschnellt sei – von 413 Millionen Euro in den ersten drei Monaten auf 639 Millionen Euro im Zeitraum April bis Juni. Danach brach er ein, einzelne Käufer boykottierten offenbar selbsttätig. Im Januar 2023 lag er aber wieder über Vorkriegsniveau. Gesicherte Zahlen stammen aus den Daten des sogenannten Kimberley-Prozesses. Das ist eine Zertifizierung, die sicherstellen soll, dass keine Blutdiamanten aus Konfliktgebieten in den Handel kommen.

Die Zahlen seien "kein gutes Zeichen für den Ruf der internationalen Schmuckindustrie und für das höhere Gut der Demokratie in der Ukraine", bedauerte bei "JCK" eine Sprecherin des Jewellers Vigilance Committee, eines brancheninternen Wächterrats. Und auch Deutschlands Diamantenbranche spricht sich für Sanktionen aus.

Wenn man wissen will, wie die Haltung der deutschen Händler dazu ist, fragt man in Idar-Oberstein nach. Dort ist Jörg Lindemann Geschäftsführer gleich mehrerer Verbände und Vereine: Er leitet die Verwaltung des Bundesverbands der Edelstein- und Diamantindustrie, des Industrieverbands Schmuck- und Metallwaren und der Diamant- und Edelsteinbörse Idar-Oberstein. Noch bis in die Achtzigerjahre wurden in Idar-Oberstein in großen Mengen auch kleinere Rohdiamanten geschliffen.

Doch diese Zeiten sind vorbei. "Es werden hier nur noch größere und hochwertige Rohdiamanten zu Schmuckzwecken geschliffen, die überwiegend aus afrikanischen Ländern oder Kanada kommen", so Lindemann. Ein Börsenhandel mit Diamanten, wie der Name das suggeriert, findet in Idar-Oberstein nicht statt. "Die wenigen Firmen, die im Diamanthandel oder im schmuckverarbeitenden Bereich tätig sind, beziehen schon geschliffene Diamanten."

Genau da beginnen die Probleme: "Bei geschliffenen Diamanten ist die Herkunft der Rohware kaum noch verlässlich nachweisbar", sagt Lindemann. In den meisten Fällen müsse man sich auf die Angaben der Schleifereien verlassen, die die Rohware verarbeiten. Und hier wird es kompliziert.

Erst einmal irgendwo geschliffen und damit wesentlich bearbeitet, werden die Steine gemäß Freihandelsabkommen dem Bearbeitungsland zugerechnet. Es sind keine russischen Diamanten mehr. Dasselbe gilt für Mischungen von Diamanten aus verschiedenen Ländern, ihre Herkunft wird einfach als "gemischt" angegeben. Eine Sanktion wäre damit wirkungslos, und die EU würde tatsächlich vor allem sich selbst schaden, argumentieren Kritiker.

Antwerpen fürchtet Abwanderung

Gegenwehr gibt es vor allem aus Belgien. In Antwerpen leben ganze Straßenzüge vom Geschäft. Die Stadt ist das globale Zentrum des Diamantenhandels und dieser ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in Belgien. Von hier beziehen deutsche Unternehmen ihre geschliffenen Diamanten, aber auch aus New York, Tel Aviv und Mumbai. Aus Antwerpen kommt die Klage: Wenn Rohdiamanten aus Russland nicht mehr in die EU und damit nach Antwerpen dürfen, würde man sich in anderen Teilen der Welt freuen.

Die Industrie würde dann etwa nach Mumbai abwandern, wo Transparenz oder Nachhaltigkeit weniger beachtet würden, sagte Koen Vandenbempt, Dekan der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Antwerpen, dem Magazin "Politico". Es ist genau die Linie des Antwerp World Diamond Centre: Tausende Jobs in Antwerpen stünden auf dem Spiel, wenn keine russischen Rohdiamanten mehr eingeführt werden dürften.

Premierminister Alexander De Croo spricht zwar inzwischen selbst von "Blutdiamanten", die keinen Zugang mehr zu den westlichen Märkten haben sollten. Belgien habe auch nicht gegen Sanktionen lobbyiert, sondern nur auf die Bedeutung der Diamanten hingewiesen. De Croo aber setzt inzwischen auf eine andere Lösung: "Wir arbeiten mit der Europäischen Kommission und Partnern außerhalb der EU zusammen, um zu einem breiteren Ansatz zu gelangen". EU und G7 also suchen nach Wegen, russische Diamanten grenzüberschreitend verfolgen zu können.

Ansätze dafür gibt es durchaus: De Beers, südafrikanischer Konkurrent von Alrosa, unternimmt mit Scans der Diamantenstruktur und Blockchain-Technologie seit 2019 Anstrengungen, Steine dauerhaft identifizieren zu können. 600.000 Diamanten seien auf diese Weise bereits erfasst – und da soll sich eindeutig sagen lassen, woher ein Stein kommt.

Händler sind guter Dinge

Ein internationales System hätte dann auch mehr Wirkung als Sanktionen, die einfach umgangen werden können, sagt Hans Merket, Experte für Edelsteine bei der Menschenrechtsorganisation International Peace Information Service. Er berät auch beim Kimberley-Prozess gegen Blutdiamanten. Doch ob und wie schnell sich eine globale Lösung finden lässt, ist fraglich. "Ob der Wille da ist, da bin ich mir nicht sicher. Aber es grundsätzlich realistisch und notwendig", so Merket zu t-online. "Es würde die US-Sanktionen wirksam machen und Argumente gegen EU-Sanktionen die Grundlage nehmen."

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Für kleine Steine sei das kaum wirtschaftlich machbar oder mit Preissteigerungen verbunden, erklärte bereits der Zusammenschluss von Minen, Börsen, Verarbeitungs- und Handelsbetrieben, das World Diamond Council. Die Diamanten aus Russland sind im Schnitt kleiner.

Am Jahrestag des russischen Einmarschs eröffnet in München die Inhorgenta, Europas führende Plattform für Schmuck, Uhren und Edelsteine. Die Frage von Sanktionen auf Diamanten wird die 800 Aussteller dann aber wohl so oder so wenig beschäftigen. Die Lage in der Branche sei positiv, sagt Jörg Lindemann, Geschäftsführer der Edelstein- und Diamantindustrie. "Wir nehmen nicht an, dass sich eine Entscheidung signifikant auf die zurzeit gute Stimmung auswirken wird."

Es wird sich ja auch offenbar ohnehin so schnell nichts ändern bei der EU.

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