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Agnes Strack-Zimmermann über Krieg in der Ukraine: "Es gibt nur einen Weg"


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Ein Jahr Ukraine-Krieg
"Es gibt nur einen Weg aus dieser Situation"

MeinungEin Gastbeitrag von Marie-Agnes Strack-Zimmermann

Aktualisiert am 24.02.2023Lesedauer: 5 Min.
Marie-Agnes Strack-ZimmermannVergrößern des Bildes
Marie-Agnes Strack-Zimmermann (Archivbild): Deutschland steht in der Verantwortung. (Quelle: Michael Kappeler/dpa/dpa-bilder)
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Marie-Agnes Strack-Zimmermann warnt davor, dass der Zusammenhalt der internationalen Gemeinschaft gegen Putin schwindet. Sie fordert eine Neuausrichtung der deutschen Sicherheitspolitik.

Der 24. Februar 2022 markiert einen Wendepunkt. Mit dem großangelegten Einmarsch seiner Streitkräfte in die Ukraine und dem massiven Raketenbeschuss ukrainischer Städte hat Wladimir Putin nicht nur eine rote Linie überschritten. Er hat die Grenzen des Vorstellbaren überschritten.

Putin stellt die regelbasierte Friedensordnung infrage, die nach den schrecklichen Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs seit 1947 in der Charta der Vereinten Nationen festgeschrieben ist. Ein zentrales Element dieser Friedensordnung ist der Verzicht auf Aggression und Gewalt gegenüber anderen Staaten.

Bis kurz vor Kriegsbeginn hatten viele Beobachter deshalb gehofft, dass Putin diese Grundregel nicht brechen würde. Doch genau das ist geschehen. Er beruft sich auf das große nationale Narrativ des "Russkij Mir", einer revanchistischen Idee der Wiederherstellung der Grenzen der ehemaligen Sowjetunion bzw. des ehemaligen russischen Großreiches.

Bis zum Kriegsbeginn schon 15.000 Tote

Das Konzept wird von der russischen Führung seit Anfang der 2000er-Jahre offiziell unterstützt und als außenpolitische Doktrin verfolgt. Seit der Umsetzung dieser Idee in der Ukraine wurden Hunderttausende Menschen getötet, verletzt, gefoltert, vergewaltigt, darunter viele Zivilisten und Kinder.

Auch wenn der 24. Februar eine disruptive Wirkung hatte, war er letztlich nur die vorerst letzte Eskalationsstufe des russischen Diktators. Die völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch Russland und der anhaltende Krieg in der Ostukraine, der zwischen 2014 und 2022 fast 15.000 Menschen das Leben gekostet hat, hätten uns allen eine Warnung sein müssen. Russland hat diese Linie bereits überschritten, ohne dass die internationale Gemeinschaft angemessen reagiert hätte.

Stattdessen hat man weiter versucht, mit Russland Geschäfte zu machen und gleichzeitig gehofft, dass sich Russland mit der Krim und der Ostukraine zufriedengibt. Leider haben insbesondere die vergangenen Bundesregierungen diesen Weg unterstützt. An Nord Stream 2 wurde bis zum Beginn der Invasion festgehalten – trotz aller Warnungen der EU, der USA und unserer europäischen Nachbarn und Partner.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann
Vorsitzende des Verteidigungsausschuss des Bundestag Marie-Agnes Strack-Zimmermann. (Quelle: Fabian Sommer/dpa/Archivbild/dpa-bilder)

Die Autorin

Marie-Agnes Strack-Zimmermann ist seit 2017 Abgeordnete der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag. Sie ist Mitglied des FDP-Bundesvorstands und des FDP-Fraktionsvorstands, sowie Vorsitzende des Verteidigungsausschusses.

Daraus ergeben sich drei entscheidende Lehren

Erstens: Putin wird seinen revisionistischen Kurs mit immer brutaleren Mitteln fortsetzen, bis er gestoppt wird. Dies kann nur gelingen, wenn seine militärischen Aggressionen gestoppt und zurückgedrängt werden.

Zweitens: Ein sicheres und friedliches Zusammenleben ist keine Selbstverständlichkeit. Wir müssen selbst aktiv die Rahmenbedingungen dafür schaffen und uns gegen die Feinde unserer Werteordnung zur Wehr setzen.

Drittens: Wir müssen uns der Gefahr bewusst sein, die von zu starken wirtschaftlichen Verflechtungen und Abhängigkeiten mit Autokratien ausgeht. Nicht nur, dass sich diese Staaten nicht unseren politischen und gesellschaftlichen Vorstellungen annähern, im Gegenteil, zu viele Demokratien entwickeln sich in eine autokratische Richtung.

Deutschland steht in der Verantwortung

Auf diese drei Lehren müssen Taten folgen: Wir müssen die Ukraine in allen Bemühungen unterstützen, ihre territoriale Integrität wiederherzustellen. Für uns Deutsche geht es dabei nicht nur um eigene Sicherheitsinteressen, wir haben auch eine Verantwortung dafür, den Frieden in Europa wiederherzustellen. In den vergangenen Wochen und Monaten hat sich die Debatte auf die militärische Unterstützung fokussiert. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass auch die humanitäre und finanzielle Unterstützung der Ukraine ein Kraftakt ist, den die Weltgemeinschaft gemeinsam erfüllt und dies auch in Zukunft tun muss.

Bei der militärischen Unterstützung geht es darum, der Ukraine zu ermöglichen, durch fortgesetzten Widerstand und gezielte Gegenoffensiven die russische Führung unter Druck zu setzen. Parallel dazu müssen wir alle noch vorhandenen Gesprächskanäle nutzen, um Russland zu signalisieren: Es gibt nur einen Weg aus dieser Situation – und das ist die Einstellung aller Kampfhandlungen und der vollständige Abzug aller russischen Truppen aus der Ukraine. Jede Art von Zugeständnis wäre eine Niederlage für die Ukraine, den Westen und letztlich auch die gesamte Friedensordnung der Vereinten Nationen.

Neue Wege in der Sicherheitspolitik

Wir müssen jedoch auch jenseits des Krieges in der Ukraine unsere Sicherheitspolitik neu ausrichten: Die Demokratien dieser Welt müssen näher zusammenrücken, um die gemeinsamen Werte und Überzeugungen zu schützen. Dabei geht es nicht darum, nur noch mit perfekten Demokratien zu kooperieren.

Auch Länder, die sich in einem Transitionsprozess in die richtige Richtung befinden, verdienen unsere Unterstützung – alleine schon, um nicht auf chinesische oder russische Hilfe angewiesen zu sein. Gleichzeitig müssen wir die Feinde unserer Lebensweise als solche identifizieren und klar benennen.

Wir müssen gegenüber China selbstbewusster auftreten, wenn es beispielsweise um die Einhaltung von Menschenrechten geht. Auf der anderen Seite müssen wir auch anerkennen, wenn China seine Unterstützung für Russland zumindest einschränkt. Denn auf Peking wird es im Fortgang des Krieges in der Ukraine noch öfter ankommen.

Nato muss schlagkräftiger werden

Die offensichtlichste Notwendigkeit liegt darin, die Verteidigungsfähigkeit unseres Verteidigungsbündnisses zu steigern. Seit dem Ende des Kalten Krieges war ein Angriff auf die Nato durch Russland nicht mehr so wahrscheinlich wie heute. Die in dieser Zeit in vielen Mitgliedsstaaten geschrumpften Armeen werden bereits seit 2014 langsam wieder aufgebaut.

Aber die Nato braucht gerade jetzt einsatzbereite Streitkräfte, um eine möglichst hohe Abschreckungswirkung zu entfalten. Das Bündnis als solches und seine Mitgliedsstaaten haben im vergangenen Jahr bereits sehr viele Fortschritte gemacht und sich noch mehr vorgenommen. Diesen Weg müssen wir konsequent fortsetzen, auch wenn die große öffentliche Aufmerksamkeit irgendwann schwinden sollte.

Bei der Bundeswehr ist es nach den Jahren der kleinen Stellschrauben daher an der Zeit, auch größere Veränderungen möglich zu machen. Die Einrichtung des Sondervermögens hat – unabhängig vom Volumen und dem bisher erfolgten Abruf – dem Bundesverteidigungsministerium die Möglichkeit gegeben, langfristige Projekte planbar umzusetzen und belastbar zu finanzieren.

Bundeswehr braucht bessere Strukturen

Beschaffungsentscheidungen, die lange vertagt wurden, sind endlich getroffen. Ein großer Brocken steht aber noch bevor: Wir müssen die Strukturen in der Bundeswehr, dem Ministerium und seinen nachgeordneten Bereichen dringend überarbeiten. Während es in vielen Bereichen doppelte Strukturen zwischen Streitkräften und ziviler Verwaltung gibt, gibt es an anderen Stellen viele unbesetzte Dienstposten, weil nicht mit dem vorhandenen Personal geplant wird, sondern mit dem, das da sein sollte.

Angesichts der demografischen Entwicklung und des Fachkräftemangels sollten wir prüfen, ob die geplante Steigerung von jetzt etwas mehr als 180.000 auf dann 203.000 Soldatinnen und Soldaten wirklich umzusetzen ist. Wir müssen viel tun, um den Dienst in der Bundeswehr noch attraktiver zu machen. Das fängt bei der persönlichen Ausrüstung an und hört bei der klaren Perspektive auch über das Dienstzeitende hinaus auf.

Wir brauchen in den Streitkräften und in der Verwaltung ein kollektives Umdenken: Wir müssen mehr Pragmatismus wagen und uns stärker daran orientieren, was der Bundeswehr wirklich helfen würde.

Geld allein reicht nicht

Wir brauchen aber nicht nur dort ein Umdenken: Es geht nicht nur darum, Geld in die Hand zu nehmen. Es gehört auch dazu, sich mental der Sicherheitslage bewusst zu werden. Wir werden uns auch als Exportnation Gedanken darüber machen müssen, mit wem wir in Zukunft verstärkt Handel treiben wollen und wie wir Abhängigkeiten abbauen können. Christian Lindner hat mit den "Freiheitsenergien" hier den richtigen Begriff für ein Zukunftsmodell geprägt, das es zielgerichtet anzugehen gilt.

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Deutschland kann international eine entscheidende Rolle dabei spielen, ob die Ukraine unterstützt und Demokratie und Menschenrechte verteidigt werden. Unsere finanziellen und wirtschaftlichen Möglichkeiten übersteigen die der meisten anderen Länder bei Weitem. Und eine Welt, in der Demokratie und Menschenrechte geschützt sind, ist auch eine Welt, die gut ist für Deutschland.

Die im Gastbeitrag geäußerten Ansichten geben die Meinungen der Autorin wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der t-online-Redaktion.

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