Rede in Wladiwostok Putin droht mit vollständigem Lieferstopp
Seine Rede wurde mit Spannung erwartet: Was sagt der russische Präsident und was davon ist Teil seiner großen Propaganda-Show?
Der russische Präsident Wladimir Putin nimmt am Östlichen Wirtschaftsforum in Wladiwostok teil. In einer Rede propagiert er erneut die Sichtweise Russlands auf den Ukraine-Krieg, die Energiekrise und die Sanktionen der westlichen Länder. Wichtige Aussagen im Überblick.
Westliche Sanktionen gegen Russland
Putin hat die westlichen Sanktionen gegen sein Land als "Bedrohung für die ganze Welt" kritisiert. Im vergangenen Jahr sei die Corona-Pandemie noch die drängende Herausforderung gewesen, sagte Putin. Nun seien neue Schwierigkeiten aufgekommen: "Ich meine das Sanktionsfieber des Westens, seine aggressiven Versuche, anderen Ländern ein Verhaltensmodell aufzuzwingen, sie ihrer Souveränität zu berauben und sie dem eigenen Willen zu unterwerfen."
Der Kreml-Chef, der sich angesichts der westlichen Sanktionen um engere Beziehungen zu asiatischen Ländern bemüht, begrüßte die zunehmende Bedeutung von Ländern aus der Asien-Pazifik-Region. Eine engere Zusammenarbeit mit diesen Staaten biete "riesige neue Möglichkeiten".
Embed
Nord Stream 1
Putin gibt Deutschland und den vom Westen verhängten Sanktionen die Schuld daran, dass die Gaspipeline Nord Stream 1 derzeit nicht in Betrieb ist. Der russische Energieriese Gazprom könne den ausgesetzten Gasfluss durch die Röhre wieder herstellen, wenn eine entscheidende Turbine zurückgegeben werde, sagt Putin.
Russland habe derzeit keine Probleme, Erdgas in die ganze Welt zu verkaufen. "Alle kaufen es", sagte Putin.
Nord Stream 2
Zu Nord Stream 2 sagte Putin, man müsse nur "auf einen Knopf drücken" und die Gaslieferungen könnten beginnen. "Wir bauen nichts umsonst", sagte Putin. "Bei Bedarf, bitteschön, werden wir Nord Stream 2 einschalten."
Vorwürfe, Russland setze Energie als Kriegswaffe ein, bezeichnete Putin als "Unsinn und Wahn". Russland liefere "so viel wie nötig entsprechend den Anforderungen" der Importländer.
Lieferstopp von Öl und Gas
Im Fall einer Deckelung der Energiepreise hat Putin mit einem Lieferstopp von Öl und Gas gedroht. Die Preise zu deckeln, "wäre eine absolut dumme Entscheidung", sagte der russische Präsident. Russland werde "gar nichts mehr liefern", fuhr er fort, "kein Gas, kein Öl, keine Kohle" – sollten die Lieferungen nicht im wirtschaftlichen Interesse des Landes sein.
Russland werde "nichts außerhalb der vertraglichen Vereinbarungen liefern", fuhr der russische Staatschef fort und wandte sich damit an die importierenden Vertragsländer. Die europäischen Staaten rief er dazu auf, "zur Vernunft zu kommen" sowie die Vereinbarungen einzuhalten.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte Ende vergangener Woche für einen "Preisdeckel für russisches Pipeline-Gas nach Europa" plädiert. Eine verlässliche Versorgung aus Russland sei ohnehin nicht mehr gewährleistet. Die G7-Staaten wollen außerdem weltweit eine Preisobergrenze für russische Öllieferungen durchsetzen.
Getreidexporte
Putin hat den EU-Ländern vorgeworfen, sich die meisten ukrainischen Getreidelieferungen seit der Aufhebung einer Hafenblockade gesichert zu haben. "Fast das gesamte aus der Ukraine exportierte Getreide wird nicht in die ärmsten Entwicklungsländer, sondern in EU-Länder geliefert", sagte Putin. Er warnte außerdem vor wachsenden Problemen auf den weltweiten Lebensmittelmärkten, die für viele Menschen katastrophale Auswirkungen haben könnten. Russland habe alles dafür getan, um wieder Getreide-Exporte aus der Ukraine zu ermöglichen.
Europäische Länder hätten sich in den vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten aber wie "Kolonialisten" verhalten und "verhalten sich auch heute noch so", so der russische Präsident. Mit dem Import von ukrainischem Getreide hätten sie "wieder einmal" die Entwicklungsländer "hintergangen".
Angekündigt wurde hingegen, den Export von Getreide aus der Ukraine zu begrenzen, sollten die Ausfuhren nicht an "bedürftige" Länder, sondern nach Europa geleitet werden.
Russische Exporte
Putin beklagte insbesondere weiter anhaltende Beschränkungen für russische Exporte. "Es hat sich herausgestellt, dass wir ein weiteres Mal einfach nur grob abgezockt wurden, wie man im Volksmund sagt", sagte der Kremlchef.
Im Juli wurde unter türkischer Vermittlung ein Abkommen ausgehandelt, das drei ukrainische Seehäfen wieder für die Ausfuhr von Lebensmitteln öffnete, um die Lage auf den Weltmärkten zu entspannen. Die Schiffe werden nun durch einen Korridor im Schwarzen Meer geleitet. Als Gegenleistung forderte Moskau, Sanktionen, die Russlands Dünge- und Lebensmittelexporte beschränkten, aufzuheben.
Nun aber zeigte sich Putin unzufrieden: "Formell sind die Sanktionen auf unsere Düngemittel aufgehoben, doch faktisch bleiben die Beschränkungen bestehen." Da die Logistik, Befrachtung von Schiffen, die Finanzierung und Versicherung solcher Lieferungen weiter beschnitten würden, sei ein vollwertiger Export russischen Düngers und russischer Lebensmittel weiterhin nicht möglich, sagte er.
Krieg in der Ukraine
Der russische Präsident hat den Krieg in der Ukraine erneut als angeblich notwendig verteidigt, um Russland zu schützen. "Ich kann sagen, dass der hauptsächliche Zugewinn die Stärkung unserer Souveränität ist – und das ist ein unweigerliches Ergebnis dessen, was gerade passiert", sagte Putin. Mit Blick auf den Krieg fügte er an: "Wir haben (dadurch) nichts verloren und werden nichts verlieren."
Der Einmarsch russischer Truppen in der Ukraine habe allerdings auch zu Spaltungen geführt, räumte der Präsident ein. Es gebe eine "gewisse Polarisierung, sowohl in der Welt als auch in unserem Land". Er betonte, sämtliche Maßnahmen Russlands dienten dem Ziel, den Menschen im ukrainischen Donbass "zu helfen". In diesem ostukrainischen Gebiet hatte Russland zwei selbst ernannte Volksrepubliken anerkannt. Schon seit Jahren standen sich ukrainische Regierungstruppen und prorussische Separatisten dort einander feindlich gegenüber.
Russlands Truppen waren Ende Februar in die Ukraine einmarschiert. Putin begründete den Krieg, der in Russland lediglich als "militärische Spezialoperation" bezeichnet wird, damals unter anderem mit der angeblichen "Befreiung" der Ukraine von Nationalisten. Zudem behauptet Moskau immer wieder, die Ukraine hätte andernfalls Russland angegriffen. In diese Richtung äußerte sich Putin auch am Mittwoch: "Nach vielen Versuchen, dieses Problem auf friedlichem Weg zu lösen, hat Russland entschieden, spiegelbildlich auf Handlungen unseres potenziellen Feinds zu antworten: auf bewaffnetem Weg. Wir haben das bewusst getan."
Putin wies Vorwürfe zurück, sein Land verstoße gegen internationales Recht. Putin bekräftigte seine Darstellung, dass die ukrainische Regierung ein "illegitimes Regime" sei. Es sei nach einem "Putsch" im Jahr 2014 an die Macht gekommen. Vor acht Jahren war der prorussische Präsident der Ukraine, Viktor Janukowitsch, im Zuge von Massenprotesten gestürzt worden. Auf dem Forum sagte er außerdem, oft würden Konflikte in der Welt nicht durch Frieden gelöst, weil das Völkerrecht immer wieder missachtet werde, und sprach sich für eine "gerechtere" Welt aus.
Hintergrund der Rede
"Unser Präsident nimmt am 7. September den ganzen Tag am Forum teil, was bedeutet, dass er bilaterale Treffen mit den teilnehmenden Führungskräften abhalten wird", sagte Juri Ushakov, der Assistent des Präsidenten. Er erklärte weiter, dass es sich bei den ausländischen Gästen um Vertreter aus Myanmar, Armenien, der Mongolei und China handelt. Das berichtet die Nachrichtenagentur Interfax. Zu der Veranstaltung in Wladiwostok waren Myanmars Militärchef Min Aung Hlaing und der armenische Ministerpräsident Nikol Paschinjan gekommen.
Putin hat vor mehr als sechs Monaten einen Angriffskrieg gegen das Nachbarland Ukraine angeordnet. Die USA, die EU und weitere westliche Staaten haben deshalb beispiellose Sanktionen gegen Russland verhängt.
- Nachrichtenagenturen Reuters, dpa, AFP