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Wladimir Putin: Einblick in eine schwarze Seele


Tagesanbruch
Blick in eine schwarze Seele

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 18.02.2025Lesedauer: 6 Min.
Putin hat einen Plan. Dank Donald Trump könnte er aufgehen.Vergrößern des Bildes
Putin hat einen Plan. Dank Donald Trump könnte er aufgehen. (Quelle: Igor Golovniov/ZUMA/picture alliance)
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Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

fast drei Jahre ist es her, dass die Neonazis in Kiew sich den russischen Befreiern entgegenstellten. Die ganze ukrainische Bevölkerung haben sie aufgehetzt, die Männer an die Waffen gerufen und in den aussichtslosen Kampf geschickt. In den imperialistischen Hauptstädten Europas hat das Kiewer Regime so lange um Hilfe gebettelt, bis der Greis in Washington, der Gockel in Paris und der Waschlappen in Berlin sich breitschlagen ließen, ihnen Waffen und Geld zu geben. Unmengen an Dollars und Euro, an Panzern, Geschützen und Raketen haben sie dem Feind seither geschickt – doch damit kaum etwas erreicht. Stattdessen rücken unsere Jungs an der Front im Donbass weiter vor und drängen auch die ukrainischen Aggressoren in Kursk zurück. Der Preis dafür ist hoch, viele der Unsrigen sind auf den Schlachtfeldern geblieben. Doch der Ruhm des Vaterlands ist ihnen sicher. Das Volk beginnt zu murren, doch Knutenhiebe haben es schon immer gezähmt. Der Russe will Brot, Ruhm und Ruhe. Die können wir ihm geben. Alles andere ist unser.

Die Macht nicht nur drei, vier oder fünf, sondern 25 Jahre lang zu behalten, das ist eine Kunst! Das können die wenigsten. Die Weichlinge können es nicht. Sie nennen sich Demokraten, doch die Demokratie ist nur eine Entschuldigung für ihre Schwäche. Wahre Stärke ist von Dauer. Erst nach Jahrzehnten auf dem Thron zeigt sich, ob ein Mann das Zeug zum wahren Zaren hat. Ob er alles, wirklich alles zu tun bereit ist, um die Macht zu bewahren.

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Der Greis in Washington war nicht bereit dazu. Endlich ist er weg; wir mussten nur ein wenig nachhelfen, damit unser Freund Donald wieder das Zepter hält. Er mag etwas sprunghaft sein, ist aber aus demselben Holz geschnitzt wie wir. Nun kann man mit den Amerikanern wieder vernünftig reden, von Mann zu Mann. Starke Männer fürchten sich nicht vor Gewalt, sie beherrschen sie. Frieden ist schön, sichert aber keine Herrschaft. Wer für immer gebieten will, muss jedes Instrument einsetzen, die Friedensharfe und die Kriegstrompete, den Ölzweig in der Linken und das Gewehr in der Rechten.

Fast drei Jahre kämpfen wir nun gegen die anderen. Die neuen Nazis, die natürlich keine Nazis sind, aber das Bild fügt sich ausgezeichnet in die Erzählung ein: 80 Jahre nach dem Sieg über die alten Nazis schlagen unsere Jungs auch die neuen – eine bessere Geschichte gibt es nicht. Wer die Propaganda beherrscht, bezwingt den Gegner, wusste schon der Genosse Stalin. Guter Mann, einer unserer größten. Nach den Verbrechen des Verräters Gorbatschow und dem Chaos des Säufers Jelzin haben wir Russland zurück zu alter Größe geführt. Heute lacht uns niemand mehr aus wie Clinton einst Jelzin. Jetzt fürchten sie uns, die überheblichen Schwächlinge in Paris, London und erst recht in Berlin. Jetzt werden sie ihr blaues Wunder erleben. Bei der Wahl am Sonntag und heute schon in Riad.

Unsere Emissäre sind mit allen Wassern gewaschen. Sie werden Donalds Gesandten schmeicheln und ihnen anbieten, was sie haben wollen: ein schnelles Ende des Krieges – allerdings zu unseren Bedingungen. Wir behalten, was unsere Jungs erobert haben. Die Nazis in Kiew werden abgesetzt. Die Ukraine wird neutral. Eine gute Lösung, die sich von den Unsrigen als großer vaterländischer Sieg feiern lässt. Anschließend kann Donald sich um seine Themen kümmern, Migranten, China, den Panamakanal, was auch immer. Falls nötig, bescheren wir ihm wieder etwas.

Und dann kümmern wir uns endlich um das große Ziel. Die Amerikaner müssen raus aus Europa. Der Osten gehört uns. Warum sollte in Moldau und im Baltikum nicht gehen, was in Belarus geht? Wer sagt, dass Serbien, Ungarn, Polen nach der Pfeife des Westens tanzen müssen? Müssen sie nicht. Bei uns sind sie besser aufgehoben. Das werden sie schon noch merken. Sie müssen nur die Wahrheit erkennen, da helfen wir gerne nach. Es hat ja heutzutage jeder Facebook, YouTube, X und TikTok auf dem Handy, da lässt sich die Wahrheit einspielen. Die Schwächlinge im Westen haben nie verstanden, wie das geht. Nun ernten sie die Konsequenzen ihres Versagens. Wer für immer gebieten will, muss jedes Instrument beherrschen, die Raketen und die Bots.

Damit schließe ich für heute, liebes Tagebuch. Du bist nur für meine Augen bestimmt, doch in ferner Zukunft, wenn ich nicht mehr bin, aber mein Name jede Schule, viele Betriebe und manche Städte ziert, wird man aus dir zitieren. Dann wird man meine Worte rühmen und den Tag meiner Geburt preisen. Vielleicht wird man meine Heimatstadt ein weiteres Mal umbenennen, wer weiß? Putingrad, ja, das wäre was.

Damit schließen wir dieses Buch und beenden diesen Blick in eine schwarze Seele. Sie haben es natürlich längst bemerkt, liebe Leserin und lieber Leser, hier ging es nicht um Fakten, sondern um Fiktion. Ausgedacht, nicht geschehen. Wobei, nach allem, was ich in den vergangenen Tagen von Russland-Experten, Diplomaten und Geheimdienstlern erfahren habe, gestehe ich Ihnen: Manche Fiktion kommt der Realität gespenstisch nahe.


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Der Ukraine-Poker beginnt

US-Präsident Donald Trump schafft Fakten: In der saudi-arabischen Hauptstadt Riad kommen sein Außenminister Marco Rubio und der russische Chefdiplomat Sergej Lawrow heute zusammen, um Verhandlungen über ein Kriegsende in der Ukraine vorzubereiten. Auf amerikanischer Seite sind außerdem der Nationale Sicherheitsberater Mike Waltz und der Nahost-Gesandte Steve Witkoff dabei, zur russischen Delegation gehört mit Juri Uschakow ein ranghoher Berater Wladimir Putins. Nicht am Tisch vertreten sind dagegen die angegriffene Ukraine (Präsident Wolodymyr Selenskyj will am Mittwoch nach Riad reisen) und die brüskierten Europäer.

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Letztere sollen bei dem mutmaßlichen Diktatfrieden zwar nicht mitreden, den Waffenstillstand aber dann mit Soldaten entlang der Frontlinie absichern. Entsprechende US-Anfragen zu ihren militärischen Kapazitäten sind bei den europäischen Nato-Staaten eingegangen. Die ersten Reaktionen fallen unterschiedlich aus: Während Noch-Kanzler Olaf Scholz die Debatte als "verfrüht" bezeichnet, bekundet der britische Premierminister Keir Starmer seine Bereitschaft, bei der Arbeit an Sicherheitsgarantien für die Ukraine eine "führende Rolle" zu übernehmen. Der französische Präsident Emmanuel Macron sorgte bereits vor einem knappen Jahr mit dem Gedanken für Wirbel, Bodentruppen in der Ukraine zu stationieren. Damals wurde er von vielen Deutschen ausgelacht. Heute bleibt ihnen das Lachen im Halse stecken.


Mutige Vorkämpferin

Facebook ist ein wichtiger Baustein in Russlands Strategie, westliche Demokratien durch Lügen zu zerstören. Inwieweit muss der Betreiber der Plattform für die Falschbehauptungen haften? Nachdem die deutschen Gerichte jahrelang geschlafen haben, beschäftigt sich heute endlich der Bundesgerichtshof in Karlsruhe mit dieser Frage. Es geht um eine Klage der Grünen-Bundestagsabgeordneten Renate Künast gegen den Facebook-Konzern Meta: Die Politikerin war dagegen vorgegangen, dass 2015 auf Facebook ein Foto von ihr mit dem Falschzitat "Integration fängt damit an, dass Sie als Deutscher mal Türkisch lernen" veröffentlicht und immer weiterverbreitet wurde. Die Vorinstanzen hatten ihr weitgehend recht gegeben, zuletzt aber eine bereits zugebilligte Entschädigung von 10.000 Euro wieder abgesprochen. Da sowohl Frau Künast als auch Meta Revision einlegten, muss nun das oberste deutsche Zivilgericht entscheiden. Bleibt zu hoffen, dass noch viel mehr Menschen gegen die amerikanische Lügenschleuder klagen.


Staatsakt für Horst Köhler

Horst Köhler war ein unbequemer, aber nicht unbeliebter Bundespräsident, der genauso überraschend aus dem Amt schied, wie er hineingekommen war. 2004 von Angela Merkel als Nachfolger Johannes Raus ins Spiel gebracht, erwies sich der Ökonom als durchaus pingelig bei der Unterzeichnung von Gesetzen – und trat dann, knapp ein Jahr nach Beginn seiner zweiten Amtszeit, wegen Kritik an einer Äußerung über die militärische Sicherung freier Handelswege als Staatsoberhaupt zurück.

Anfang Februar ist Köhler 81-jährig gestorben. Heute nimmt die Politik mit einem Trauergottesdienst und einem Staatsakt im Berliner Dom Abschied von dem leidenschaftlichen Kämpfer für einen fairen Umgang mit den ärmeren Teilen der Welt, insbesondere Afrika. Sprechen werden der aktuelle Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Österreichs früherer Bundespräsident Heinz Fischer und der ehemalige Bundesfinanzminister Theo Waigel, unter dem Köhler einst als Staatssekretär wirkte.


Ohrenschmaus

Toto sagt Ihnen was, oder? Knapp 50 Jahre nach ihrer Gründung ist die Band immer noch auf Tour, heute in Stuttgart. Gehalten haben sich die Herren aus Los Angeles erstaunlich gut.


Lesetipps


"Putin boxt über seiner Gewichtsklasse", glaubt hingegen der Politologe Jens Siegert. Was er damit meint, erklärt er im Interview mit meinem Kollegen Marc von Lüpke.



Die AfD verschiebt Deutschlands politischen Diskurs immer weiter nach rechts. Warum gelingt ihr das? Weil die demokratischen Parteien es mit sich machen lassen, schreibt der Historiker Jens-Christian Wagner.


Zum Schluss

Europa wird zum Spielball.

Ich wünsche Ihnen einen friedlichen Tag.

Herzliche Grüße und bis morgen

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

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Mit Material von dpa.

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