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Brot-Krise in Deutschland: Horrende Lebensmittelpreise – wie geht es weiter?


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Tagesanbruch
Da stimmt was nicht

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 03.11.2023Lesedauer: 5 Min.
Deutschland ist berühmt für seine Brotvielfalt.Vergrößern des Bildes
Deutschland ist berühmt für seine Brotvielfalt. (Quelle: imago images)
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Wenn ich morgens aus wilden Träumen erwache, brauche ich erst mal Wasser. Viel. Ins Gesicht, auf den Kopf, in den Bauch. Also Bad, dann Küche. Erst danach bin ich der Harms, den man meinem Umfeld unbedenklich zumuten kann. Blick in den Spiegel: Na ja, war schon schlimmer. Bin ich allein, frühstücke ich nicht zu Hause. Zu aufwendig, zu trist. Geh lieber rüber zum Portugiesen, der hat den besten Kaffee im Viertel und leckere Schokohörnchen. Gestatte ich mir (aber nur eins). So wollte ich's auch gestern Morgen handhaben, aber als ich aus der Wohnungstür trat, lag im Treppenhaus ein schwarzes Bündel. Bei näherem Hinsehen entpuppte es sich als schlafender Mann. Eine Partyleiche? Ich wohne in einem Viertel, in dem rund um die Uhr der Bär steppt. Ich sprach ihn an, er hob den Kopf. Stellte sich heraus: Der wollte einfach nur im Warmen pofen und war irgendwie durch die Haustür geschlüpft.

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Obdachlosigkeit ist ein Dauerproblem in unserem wohlhabenden Land, Armut ist es auch. Schizophren. Eigentlich gäbe es genug für alle, aber während manche reicher werden, müssen andere jeden Euro zweimal umdrehen. Dieser Text soll nicht in eine Generalkritik am Kapitalismus ausarten, aber nach zwei Jahren Corona und anderthalb Jahren Inflation befinden sich tatsächlich viele Menschen in einer ernsten Notlage. Jeder Fünfte im Land ist von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht, viele müssen sogar beim Essen sparen. Bei ihnen geht es buchstäblich ums tägliche Brot.

Seit Beginn des Ukraine-Krieges haben die gestiegenen Preise für Gas, Mehl und Personal die Backwaren stark verteuert. Allein im vergangenen Jahr stieg der Brotpreis in der Europäischen Union um 18 Prozent – Rekord! Mittlerweile ist die Inflation zwar aufs Ganze gesehen gesunken – bei Lebensmitteln liegt sie aber immer noch bei 7,5 Prozent. Hinzu kommt, dass Lebensmittelkonzerne wie Unilever, Nestlé und Danone die Lage ausgenutzt haben, um ihre Preise zusätzlich zu erhöhen und sich an der Krise zu bereichern. Aktionäre der Firmen, darunter Hedgefonds und Vermögensverwalter, haben enorme Gewinne eingesackt, während sich die Geldbeutel bedürftiger Leute leerten.

Das ist eigentlich ein Skandal, aber zwischen den täglichen Schreckensmeldungen aus Israel und der Ukraine findet er kaum Beachtung. Das heißt: fast nicht. Eine Partei hat das Problem nun aufgegriffen – ausgerechnet die Linkspartei, die sich gerade öffentlichkeitswirksam zerlegt. Man hatte ja angenommen, dass die Genossen abgesehen von ihren Grabenkämpfchen mit Frau Wagenknecht keine Energie mehr aufbringen.

Doch Martin Schirdewan versucht, vor dem drohenden Exitus seiner Truppe gerade noch die Kurve zu kriegen. Nach der Abspaltung des Sahra-Flügels ruft der Parteichef den Klassenkampf aus, fordert Generalstreiks – und einen Preisdeckel für Brot: "Ich finde, dass in Deutschland kein Brot teurer sein darf als zwei Euro." Die großen Nahrungsmittelkonzerne sollten höher besteuert werden, auch das findet er. Mit dem Geld dann kleine Handwerksbetriebe subventionieren. Den Bäcker von nebenan.

Nun mag man sagen: kein Brot mehr als einen Zweier? Das ist doch Quark! Der Staat kann doch nicht zig Milliarden Euro ausgeben, um täglich Millionen von Vollkornbroten, Roggenmischbroten, Dinkelbroten, Schwarzbroten, Graubroten und vielleicht sogar Pumpernickel zu subventionieren! Tatsächlich wirkt die Forderung von Herrn Schirdewan (48, Ostberliner, Enkel eines Politbürofunktionärs) ziemlich steil. Trotzdem ist sie hilfreich, weil sie einen wunden Punkt trifft. Wohlsituierte mögen keinen Gedanken daran verschwenden, ob ein Laib drei, fünf oder sieben Euro kostet. Viele andere aber sehr wohl. Sie können sich das tägliche Brot nicht mehr leisten, zumindest kein gehaltvolles. Sie müssen auf Billigtoast oder Teiglinge aus China mit zweifelhaftem Nährwert ausweichen.

Das sollte nicht so sein. Auch wer wenig Moneten in der Tasche hat, sollte anständig essen können. Wie wäre es denn, wenn der Wirtschaftsminister, der bekanntlich so gut reden kann, die Bosse der Lebensmittelkonzerne überredet, dass sie eine freiwillige Solidaritätsabgabe leisten? Können sich ja dafür feiern lassen. Das Geld könnte in einen staatlichen Topf fließen, aus dem Bäckereien gefördert werden. Die müssten sich im Gegenzug verpflichten, ein Bundesbrot anzubieten: ein Kilo für zwei Euro.

Ich ahne: Das könnten die Firmen (und ihre Aktienbesitzer) locker verschmerzen. Vielen anderen hingegen würde es sehr helfen.


Scholz paktiert mit Merz

Was wohl die Koalitionspartner von diesem Treffen halten? Zumindest dürften Grüne und FDP es skeptisch beäugen, wenn Olaf Scholz heute CDU-Chef Friedrich Merz und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt im Kanzleramt empfängt. Der Kanzler sucht in der Asylpolitik den Schulterschluss mit der Opposition – zum einen, weil er hofft, mit einem breiten Konsens der demokratischen Parteien den AfD-Höhenflug bremsen zu können. Zum anderen, weil eine Einbindung seinen Kritikern das Nörgeln erschweren würde. Außerdem ist Scholz beim nächsten Bund-Länder-Gipfel am Montag, bei dem das Thema ganz oben auf der Agenda steht, auf die Kooperation der CDU-Ministerpräsidenten angewiesen.

Dass die Gespräche schwierig werden, liegt dennoch auf der Hand: Beim letzten Spitzentreffen zur Migration vor drei Wochen hatte die CDU einen 26-Punkte-Katalog vorgelegt, in dem eine Obergrenze von 200.000 Zuwanderern pro Jahr gefordert wird – was SPD-Innenministerin Nancy Faeser genauso ablehnt wie etwa der Grüne Anton Hofreiter. Und dann ist da noch der Vorschlag des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst, Asylverfahren nach Afrika auszulagern. Dass man dafür erst mal Partner finden müsste, hat der Kanzler gerade sehr deutlich in Nigeria und Ghana erfahren. Kein Wunder, dass heute nicht mit konkreten Ergebnissen gerechnet wird.


Baerbock vermittelt

Auch hier geht es um Flucht und Vertreibung: Seit dem Angriff Aserbaidschans auf die Enklave Bergkarabach sind mehr als 100.000 ethnische Armenier aus der Region geflohen. Wenn Annalena Baerbock heute zu einer zweitägigen Reise in den Südkaukasus aufbricht, steht daher zunächst der Besuch eines Aufnahmezentrums in der armenischen Hauptstadt Eriwan auf dem Programm. Außerdem wird die Außenministerin ihren dortigen Amtskollegen treffen und die zivile europäische Beobachtungsmission EUMA besuchen, bevor sie morgen nach Baku weiterreist, um auch mit Aserbaidschans Außenminister zu sprechen.

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Ob die grüne Reisediplomatin tatsächlich zwischen den beiden verfeindeten Ex-Sowjetrepubliken vermitteln kann? Zumindest der armenische Regierungschef Nikol Paschinjan bekundete zuletzt Bereitschaft zu einem Friedensabkommen.


Ho, ho, ho!

Nur noch gut sieben Wochen bis Weihnachten. Also bauen wir doch mal den größten Lichterbaum der Welt auf, denken sich die Dortmunder – und machen Ernst: Das Ding wird aus 1.200 einzelnen Bäumen zusammengesetzt, soll 45 Meter hoch und ziemlich breit sein. Nun ja.


Ohrenschmaus

Und wie klingt er, der neue Beatles-Song? Richtig gut!


Das historische Bild

Zeppeline galten mal als Fortbewegungsmittel der Zukunft. Welcher Pionier dabei bahnbrechende Arbeit leistete, erfahren Sie hier.


Lesetipps

Warum ist Robert Habecks Rede zu den Terroranschlägen in Israel und dem Antisemitismus in Deutschland so bemerkenswert? Meine Kollegin Heike Vowinkel erklärt es Ihnen.


Ein Gastbeitrag der Grünen hat Wirbel ausgelöst: Er schlägt in der Migrationspolitik einen neuen, härteren Ton an. Das finden längst nicht alle in der Partei gut, berichtet unser Reporter Johannes Bebermeier.


Wie fühlt es sich an, als Drittligist den Multimillionären des FC Bayern ein Tor reinzuhauen, sodass die aus dem Wettbewerb fliegen? Der Saarbrücker Patrick Sontheimer kann es erklären. Meine Kollegin Melanie Muschong hat mitgeschrieben.


Zum Schluss

Was geschieht, wenn ein Vierbeiner sich nicht zwischen zwei Herrchen entscheiden kann? Schauen Sie mal.

Ich wünsche Ihnen einen frohen Freitag. Morgen sprechen Christoph Schwennicke und ich im Podcast über die Herausforderung Migration.

Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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