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Muslimischer Antisemitismus und Migration: Deutschland ist selber schuld


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Tagesanbruch
Migrationspolitik: Deutschland ist selber schuld

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 31.10.2023Lesedauer: 7 Min.
Im September 2015 machte Kanzlerin Merkel Selfies mit syrischen Flüchtlingen.Vergrößern des Bildes
Im September 2015 machte Kanzlerin Merkel Selfies mit syrischen Flüchtlingen. (Quelle: Fabrizio Bensch/REUTERS)
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Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

geht es Ihnen auch so, dass Sie all die negativen Nachrichten dieser Tage kaum noch ertragen können? Hamas-Terror in Israel, vertriebene Palästinenser im Gazastreifen, Not und Elend in Afghanistan und Afrika, und der Krieg in der Ukraine tobt auch immer weiter. Manchmal würde man am liebsten wegsehen, Fernseher und Smartphone ausschalten und die Zeitung im Briefkasten lassen. Die Sehnsucht nach Weltflucht ist verständlich, und es tut sicher gut, sich täglich lieber mit Schönem zu beschäftigen, statt im Strudel der Hiobsbotschaften zu versinken. Wenn alle Menschen nur noch schwarzsehen, verdunkelt sich die Welt.

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Immer nur wegzuschauen, ist allerdings auch keine Lösung. Die Opfer von Gewalt, Unterdrückung und Zerstörung verdienen unsere Aufmerksamkeit, unsere Anteilnahme, unsere Unterstützung. In Tel Aviv ebenso wie in Gaza, im Donbass wie in Dagestan. Dort, in der russischen Kaukasusrepublik, haben sich abscheuliche Szenen abgespielt, die an die finstersten Stunden des 20. Jahrhunderts erinnern: Ein geifernder Mob stürmte einen Flughafen und griff jüdische Passagiere an, die gerade aus einem Flugzeug gestiegen waren. Mit "Allahu akbar"-Gebrüll machte der Pöbel Jagd auf Israelis, auch ein Hotel wurde angegriffen. Polizisten schauten zu, ein Oberrabbiner warnte vor Lynchmorden, wie meine Kollegin Clara Lipkowski berichtet. "Die Jagd auf Juden in Dagestan zeigt uns, dass wir es mit einer Ideologie zu tun haben, die keine Grenzen kennt", sagt Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. "Es geht den Islamisten nicht um Israel, sondern es geht ihnen um Juden."

Eine antisemitische Welle schwappt um den Globus: Attacken im Kaukasus, Aufruhr in arabischen Ländern, Hassverbrechen in Amerika und Frankreich, Krawalle auf deutschen Straßen. Wie fühlt sich das für die Betroffenen an? Ich habe einen israelischen Bekannten gefragt, hier ist seine Antwort:

"Es fühlt sich an, als sei kein Ort mehr sicher für Juden oder Israelis, unabhängig von ihren politischen Ansichten und Handlungen. Ich bin auf meinen bisherigen Reisen um die ganze Welt gereist und habe nie daran gedacht, meine Identität als Israeli zu verbergen. Aber nun können wir überall auf der Welt – nicht nur in Ländern wie Russland, sondern auch in den westlichen Staaten – zur Zielscheibe werden, wenn wir als jüdisch oder israelisch erkannt werden. Meiner Meinung nach wird der Hass auf Israelis und Juden durch soziale Medien und "Influencer" geschürt, die unzuverlässige und erfundene Fakten verbreiten. So, wie wir es bei der fehlgezündeten Rakete auf das Krankenhaus in Gaza erlebt haben: Die Behauptung, Israel habe die Klinik bombardiert, wurde in den sozialen Medien und sogar in den Mainstream-Nachrichtenkanälen transportiert. Als sie nach 24 Stunden korrigiert wurde, war der Schaden längst angerichtet."

Auch in Deutschland wächst der Antisemitismus. Tätliche Angriffe entstammen überwiegend rechtsextremen Kreisen, wie die Kollegen der ARD zeigen. Aber auch unter Migranten nimmt der Furor zu. Die abscheulichen Szenen in Berlin-Neukölln haben Schlagzeilen gemacht, sind aber nur die Spitze eines Eisbergs. Die Anfeindungen gehen weit über legitime Kritik an der israelischen Siedlungspolitik hinaus. Hass auf Juden hat in der muslimischen Welt eine lange Tradition. Er wird islamisch bemäntelt, vor allem aber durch Unwissenheit, Vorurteile und gezielte Irreführung genährt. Arabische Diktatoren verteufeln Israel, um davon abzulenken, dass sie selbst ihre Bürger unterdrücken. Wer sich in arabischen oder türkischen Medien umsieht – Telegram, YouTube, Facebook, Fernsehsender –, stößt immer wieder auf ein groteskes Zerrbild, das Juden als hinterlistige, brutale, gotteslästerliche Unmenschen karikiert, die nichts anderes verdienen als Strafe, Ausgrenzung oder gleich den Tod. Joseph Goebbels hätte gefallen, was sich viele arabischstämmige Jugendliche auf ihren Smartphones reinziehen.

Auch hierzulande wird dieses Zerrbild in muslimischen Parallelgesellschaften seit Jahren gepflegt. Die deutschen Behörden haben es aus Naivität und Desinteresse lange ignoriert; die Politik hat das Problem sogar verschärft: Einerseits ließen die Bundesregierungen von Adenauer bis Merkel Millionen Muslime einreisen und hier sesshaft werden – andererseits verwehrten sie ihnen volle Teilhabe, duldeten sie nur als Gastarbeiter oder Flüchtlinge, als Bürger zweiter Klasse, grenzten sie aus. Eine schizophrene Politik, in deren Folge in vielen Großstädten Parallelgesellschaften entstanden – von Berlin bis Bremen, von Köln bis Frankfurt. Erdoğan, Assad und die Mullahs aus Teheran durften derweil ungestört ihre Propaganda in deutschen Moscheen und Vereinen, in türkischen, arabischen und iranischen Exilmedien verbreiten. So hat der deutsche Staat sich den muslimischen Antisemitismus nicht nur selbst ins Land geholt. Er hat ihn auch genährt.

Zur Lebenslüge deutscher Politiker gehört es, dieses offensichtliche Versagen kleinzureden. Und wenn dann – aufgeschreckt vom beängstigenden Erfolg der AfD – doch mal ein Spitzenpolitiker wie CDU-Lautsprecher Friedrich Merz das Problem offen anspricht, versteigt er sich in Beleidigungen und sucht ausschließlich bei den Migranten die Schuld, statt sich auch an die eigene Nase zu fassen. Glaubwürdig ist solche Kraftmeierei nicht, zielführend erst recht nicht.

Umso wichtiger, kompetenten Stimmen Gehör zu schenken. Etwa der von Rainer Wendt, dem Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft. Auch er neigt gelegentlich zur Lautsprecherei, aber was er den Kollegen der "Bild"-Zeitung gesagt hat, ist eine ernst zu nehmende Warnung:

"Die radikalen Islamisten stellen die Machtfrage auf unseren Straßen. Die müssen wir zu unseren Gunsten beantworten, sonst herrscht nicht mehr das Grundgesetz, sondern die Scharia. Die Polizei ist gefordert wie noch nie in der Nachkriegsgeschichte. Das sind die Zustände, vor denen wir immer gewarnt haben, trotzdem ist eine naive und verantwortungslose Politik in diese Lage geschlittert. Zu viele Politiker interessieren sich für jedes kleine Problem irgendwo auf der Welt, aber sie verlieren die eigene Bevölkerung aus dem Blick. Das muss sich ändern." Es sei "höchste Zeit", dass wir alle uns auf die Grundwerte unserer Gesellschaft besinnen – "sonst zerfällt das Land in radikale Einzelinteressen, und das Recht des Stärkeren dominiert".

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Schon richtig, man sollte in diesen Tagen nicht alles schwarzsehen. Aber hinsehen muss man schon. Erst wenn man sie versteht und ernst nimmt, kann man Probleme lösen. Selbst wenn es viel Anstrengung kostet: Das Problem der Parallelgesellschaften ist lösbar. Mehr Aufklärung und Demokratieunterricht in Schulen, Sprachstunden in Kitas, konsequente Bestrafung antisemitischer Straftaten, Verbot ausländischer Propagandamedien und islamistischer Vereine – und volle gesellschaftliche Integration aller Einwanderer mit deutscher Staatsbürgerschaft oder dauerhafter Aufenthaltserlaubnis. Sie leben hier, sie sollen die Gesetze befolgen, sie gehören zu uns. Wer sich zugehörig fühlt, kann leichter unsere Werte teilen.


Was steht an?

Fünf Tage nach seiner Unterschrift unter den Koalitionsvertrag mit den Freien Wählern will sich CSU-Chef Markus Söder im Landtag erneut zum Bayernkönig, Pardon, Ministerpräsidenten wählen lassen. Anschließend wird er einen Ausblick auf seine Pläne geben und vielleicht auch zu erklären versuchen, warum er immer noch die Nummer eins im Lande ist, obwohl er dem Aiwanger-Hubi ein Ministerium mehr zugestehen musste.


Wie kann sich die deutsche Industrie rasch auf klimafreundliche Produktion umstellen? Darum geht es auf der Industriekonferenz in Berlin. Wirtschaftsminister Robert Habeck hat eine Strategie vorgelegt und einen staatlich subventionierten Strompreis vorgeschlagen. Die FDP lehnt den Plan ab, Kanzler Olaf Scholz auch. Der ist zwar in der SPD, macht aber gewöhnlich alles, was die FDP will.


Scholz selbst tourt derweil durch Westafrika, heute steht Ghana auf dem Programm. Das Land zählt ebenso wie Nigeria zu den wirtschaftlich stärksten Staaten auf dem Kontinent und wird demokratisch regiert. Unsere Chefreporterin Sara Sievert sitzt in der Kanzlermaschine und wird berichten, was der Kanzler vor Ort erreicht.


Das Bundesverfassungsgericht verkündet sein Urteil über die Neuregelung von Strafverfahren. Demnach kann ein Freigesprochener bei schweren Straftaten noch einmal vor Gericht gestellt werden, wenn neue Beweise seine Verurteilung wahrscheinlich machen. Das widerspricht allerdings dem Grundsatz, dass niemand zweimal wegen desselben Falls letztinstanzlich verurteilt oder freigesprochen werden darf. Deshalb ist der Verdächtige im Mordfall Frederike von Möhlmann vors Verfassungsgericht gezogen. Die 17-Jährige war 1981 vergewaltigt und getötet worden. Der Verdächtige wurde zunächst aus Mangel an Beweisen rechtskräftig freigesprochen. Nach einem neuen DNA-Gutachten und der Gesetzesänderung wurde das Verfahren gegen ihn aber 2022 wieder aufgenommen.


Ohrenschmaus

Manchen Sängern gelingt es, mit einem einzigen Lied ein ganzes Lebensgefühl auszudrücken. So wie Gino Paoli in seinem 60 Jahre alten Song, den ich im Urlaub entdeckt habe: "Geschmack nach Salz, Geschmack nach Meer / den du auf der Haut hast, den du auf den Lippen hast / wenn du aus dem Wasser kommst und dich ausstreckst." Dazu diese Musik – meraviglioso!


Lesen und hören

Erdoğan stellt sich im Nahostkrieg hinter die Terrortruppe Hamas. Der türkische Präsident steckt in einem großen Dilemma – und hat sich für einen erneuten Konflikt mit dem Westen entschieden, berichtet mein Kollege Patrick Diekmann.


Nach rund drei Wochen herrscht Gewissheit: Die deutsche Shani Louk wurde von der Hamas umgebracht. Der Mord verdeutlicht die brutale Strategie der Terroristen, schreibt mein Kollege David Schafbuch.


Die Ampelregierung hat sich auf Regeln verständigt, die schnellere Abschiebungen ermöglichen sollen. Doch bringen sie, was sie versprechen? Die Kollegen des Deutschlandfunks haben dazu eine hörenswerte Sendung produziert.


Noch ein Tipp

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Zum Schluss

Deutschland ist das stärkste Land in der EU, kann super organisieren und hat alles im Griff – oder? Schauen Sie mal, was dieser Herr dazu zu sagen hat.

Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag. Falls Sie evangelisch sind: schön erhebend. Falls Sie Kinder haben: schön schaurig.

Herzliche Grüße und bis morgen

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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