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Deutsche Hamas-Geiseln: Baerbocks schwierigste Mission


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Tagesanbruch
Terrorunterstützer sind jetzt Baerbocks größte Hoffnung

  • Annika Leister
MeinungVon Annika Leister

Aktualisiert am 16.10.2023Lesedauer: 6 Min.
Annalena Baerbock: Es sind die schwierigsten Tage ihrer Amtszeit.Vergrößern des Bildes
Annalena Baerbock: Ihr Ministerium hat eine brenzlige Aufgabe. (Quelle: IMAGO/Florian Gaertner)
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Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

Aviv ist erst zwei Jahre alt, als die Terroristen der Hamas sie mit ihrer Schwester Raz (4) und ihrer Mutter Doron (34) verschleppen. Auch die junge Mutter Yarden (35) gerät in die Fänge der Terroristen, ihr Mann kann mit der Tochter im Arm im letzten Moment fliehen. Die 22-jährige Shani Louk, die Festivals und Musik liebt, wird von den Terroristen schwer verletzt, ihr leblos wirkender, bis auf die Unterwäsche entblößter Körper wird auf der Ladefläche eines Pick-ups zur Schau gestellt und von Hamas-Schergen verhöhnt. Die 79-jährige Margalit leidet an Krebs, sie sitzt ohne die dringend benötigten Medikamente in Geiselhaft.

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Das sind die Namen und Schicksale von sechs der acht deutschen Geiseln, die die Hamas nach Gaza verschleppt hat. Die meisten von ihnen sind deutsch-israelische Doppelstaatler. Mindestens 150 Geiseln sind es insgesamt. Darunter viele Frauen, Alte und Kinder.

Wie es ihnen geht, wo sie sind, ob sie überhaupt noch leben? All das ist unklar.

Die Schlächter der Hamas missbrauchen ihre Geiseln als menschliche Schutzschilde, um den Gegenschlag des israelischen Militärs in Gaza zu erschweren. Und sie weiden sich an ihrem Leid, nutzen sie für ihre psychologische Kriegsführung: In Videos verhöhnen und quälen sie ihre Gefangenen, die Clips schicken sie in die Welt. In den Videos ist zu sehen, wie kleine Kinder geschlagen, alte Frauen ausgelacht, junge Frauen wie Shani Louk erniedrigt werden. Feige, brutal, unmenschlich.

Unermesslich ist das Leid der Geiseln und ihrer Angehörigen. Die Kinder, Mütter, Väter, Geschwister der Gefangenen weltweit geben Interviews, verbreiten Videobotschaften in den sozialen Netzwerken, sie flehen Regierungen um Informationen und Hilfe an.

Mein Kollege Daniel Mützel hat in Israel Gilad Korngold getroffen, der acht seiner Familienmitglieder vermisst. Wie Korngold um Fassung ringt und warum er wie viele Israelis nun auch die eigene Regierung scharf kritisiert, lesen Sie hier.

Die israelischen Behörden bereiten einen groß angelegten Gegenschlag vor, die Angehörigen befürchten, dass die Geiseln dabei für sie nur eine untergeordnete Rolle spielen. Deshalb hoffen viele auf die Hilfe anderer Länder. In Deutschland ist das Auswärtige Amt unter Annalena Baerbock (Grüne) federführend für Informationen und Verhandlungen mit Entführern zuständig. Es ist Baerbocks bisher schwierigste Mission.

Denn Terroristen sind keine rationalen Verhandlungspartner. Die Zeit bis zum Start der israelischen Gegenoffensive ist außerdem knapp. Und die Hamas kidnappte so viele Menschen verschiedenster Nationalitäten, dass sich nun mehrere Länder abstimmen müssen, um koordiniert vorzugehen. Baerbocks Spielraum wird dadurch zusätzlich eingeschränkt.

Am Freitag traf sie sich in Israel mit Angehörigen der deutschen Geiseln. Danach richtete sie sich "nicht als deutsche Außenministerin, sondern als Mensch, als Mutter" direkt an die Terroristen der Hamas: "Lassen Sie diese unschuldigen Menschen, lassen Sie diese unschuldigen, kleinen Mädchen frei."

Ein emotionaler Appell. Es ist davon auszugehen, dass ihre Worte nichts als Hohn auslösen bei den Schlächtern der Hamas. Denn gerade die Unschuld der Geiseln macht sie für die perverse Strategie der Terroristen so attraktiv. Ein Signal sendete Baerbock vor allem an die Angehörigen: Schaut her, als Mensch, als Mutter fühle ich mit euch.

Wichtiger ist jedoch ihr Appell an die Machthaber in Katar und Ägypten: Sie sollten ihre Verbindungen zur Hamas nutzen, um auf eine Freilassung der Geiseln zu dringen, fordert Baerbock. Die deutsche Außenministerin, die die Wahrung von Frauen- und Menschenrechten in ihrer Arbeit zur Priorität erklärt hat, muss nun akzeptieren, dass Realpolitik und Diplomatie selten etwas mit Moral zu tun haben. Terrorunterstützer sind jetzt ihre größte Hoffnung.

Denn Katar zählt neben dem Iran, Saudi-Arabien und der Türkei zu den Ländern, die die Hamas am stärksten unterstützen. Hunderte Millionen Dollar sind in den vergangenen 15 Jahren aus Katar an die Hamas geflossen. Zu humanitären Zwecken und in Abstimmung mit Israel, wie das Land stets betont, zum Beispiel um Gebäude und Infrastruktur für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen aufzubauen. Wo die Gelder am Ende tatsächlich landen, lässt sich kaum nachvollziehen.

In Katars Hauptstadt Doha sitzt außerdem die Führung der Hamas, sie befehligt ihre Schergen aus sicherer Distanz und schwelgt im Luxus, gestiftet vom Emir von Katar. Die Palästinenser im Gaza dagegen hausen auf engstem Raum, mehr als die Hälfte lebt in Armut.

Auch nach dem beispiellosen Massaker der Hamas in Israel kommt zunächst kein Wort der Kritik über die Lippen der katarischen Herrscher. Israel allein sei schuld an der Eskalation, verkündet das Golfemirat und verweist auf "ständige Verletzungen der Rechte des palästinensischen Volkes".

Es ist ein Hohn, auch für die Angehörigen der Vermissten: Gerade ihre hervorragenden Verbindungen zur Hamas machen die Katarer jetzt zu mächtigen und gefragten Vermittlern. Und als solche setzen sie sich gerne in Szene. Als die Taliban Afghanistan eroberten etwa, nutzte Katar seine Drähte zu den Islamisten und ermöglichte so Evakuierungen aus Kabul.

Baerbock – damals noch nicht Ministerin, sondern Kanzlerkandidatin der Grünen – kritisierte die Verbindungen Katars zu den Taliban scharf und forderte die Absage der Fußball-Weltmeisterschaft in dem Land. Jetzt muss sie diese Prinzipien über Bord werfen, will sie irgendetwas erreichen.

Katar hat die Mittlerrolle angenommen. Bisher allerdings mit wenig Erfolg. Die Gespräche, so berichten Diplomaten, verlaufen schleppend. Das soll vor allem auch daran liegen, dass beide Seiten, Israel wie die Hamas, nach dem Blutbad nicht einen Schritt aufeinander zugehen wollen.

Die Situation ist also völlig verfahren, der Hoffnungsschimmer winzig. Die Angehörigen von Aviv, Shani, Margalit und den vielen anderen aber werden sich an ihn klammern, um nicht in Trauer zu ertrinken.

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Was steht an?

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) spricht um 17 Uhr mit Jordaniens König Abdullah II. Ibn Al-Hussein. Auch er ist ein möglicher Mittler im Krieg zwischen Israel und der Hamas. Kein anderes arabisches Land beherbergt so viele Geflüchtete aus den palästinensischen Gebieten wie Jordanien: mehr als 2,4 Millionen.


Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) trifft sich in Albanien mit den Staats- und Regierungschefs des westlichen Balkans, um deren Aufnahme in die Europäische Union voranzutreiben. Es geht um Albanien, Montenegro, Serbien, Nordmazedonien, den Kosovo und Bosnien-Herzegowina. Konfliktfrei allerdings dürfte es dabei nicht zugehen: Nach Unruhen ist der Ton zwischen Serbien und dem Kosovo gerade unversöhnlich.


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Fernseh-Philosoph Richard David Precht verbreitet in einem Podcast antisemitische Stereotype. Vom verantwortlichen Sender ZDF gibt es nur ein dünnes Bedauern. Das ist fatal, kommentiert mein Kollege Steven Sowa.


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Bei einer historischen Abstimmung haben sich die Australier gegen mehr Rechte für Ureinwohner ausgesprochen. Die "Nein"-Kampagne bediente sich dabei ähnlicher Taktiken wie Rechtspopulisten in Europa und den USA, wie meine Kollegin Anna-Lena Janzen aus Brisbane kommentiert.


Zum Schluss

Wie der Sieg der deutschen Nationalelf gegen die USA im Kanzleramt ankommt:

Ich wünsche Ihnen einen guten Start in die Woche. Morgen begleitet Sie mein Kollege Johannes Bebermeier in den Tag.

Herzlichst,

Ihre Annika Leister
Politische Reporterin im Hauptstadtbüro von t-online
Twitter: @AnnLei1

Was denken Sie über die wichtigsten Themen des Tages? Schreiben Sie es uns per E-Mail an t-online-newsletter@stroeer.de.

Mit Material von dpa.

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