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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Führender Klimaforscher warnt "Dann werden wir alle gemeinsam untergehen"
Prof. Dr. Mojib Latif zählt zu Deutschlands führenden Klimaforschern. Vor der t-online Kamera beantwortet er Ihre Fragen zum Klimawandel.
Die Klimakrise ist weder Mythos noch Verschwörungstheorie – sie ist Fakt. Und sie ist menschengemacht. Darin sind sich Wissenschaftler weltweit einig. Erderwärmung, Umweltzerstörungen und der steigende Meeresspiegel bedrohen schon heute Milliarden Menschen, Tiere und Pflanzen auf der ganzen Welt.
Klar ist: Die Zeit im Kampf gegen die Klimakrise drängt: Die Menschheit muss handeln, soll der Planet auch in Zukunft bewohnbar bleiben.
Klimaforscher beantwortet Ihre Fragen
Prof. Dr. Mojib Latif zählt zu Deutschlands führenden Klimaforschern. Der promovierte Ozeanograf ist Präsident der Akademie der Wissenschaften in Hamburg und einer der gefragtesten Experten bei Fragen rund um das Klima.
Im t-online Videoformat "Frag mich" beantwortet Prof. Dr. Latif Ihre Fragen. Er verrät, welche Auswirkungen eine Erderwärmung von drei Grad für Deutschland hätte, was passiert, wenn wir unsere Klimaziele bis 2030 verfehlen und wie belastend der Ukraine-Krieg für die Umwelt ist – hier oder oben im Video.
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Mit jedem Jahr, das wir versäumen, wird es immer schwieriger, auf der Erde zu leben.
Hallo, ich bin Mojib Latif. Ich bin Klimaforscher und beschäftige mich seit fast 40 Jahren mit den Fragen des Klimawandels. Heute freue ich mich, Ihre, eure Fragen beantworten zu dürfen.
Immer mehr Länder weichen ihre Klimaziele auf. Welche Auswirkungen hat das?
Es gibt ja das Pariser Klimaabkommen, in dem sich die Länder 2015 darauf verständigt haben, die globale Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen gegenüber der vorindustriellen Zeit. Und das würde bedeuten, dass wir ja bis 2030 ungefähr um mindestens die Hälfte der Klimagase eingespart haben und das weltweit. Und wenn jetzt immer mehr Länder, zu denen auch Deutschland gehört, ihre Klimaziele aufweichen, werden wir natürlich immer weiter wegkommen von der Erfüllung des Pariser Klimaabkommens. Und insofern muss es jetzt in die eine Richtung gehen. Die Klimaziele müssen wieder verschärft werden.
Welche Maßnahmen können Sie empfehlen, damit sich die CO2 Emissionen sofort und in großer Menge reduzieren?
Nun, wichtig wäre, dass wir die Subventionen abbauen, die in die konventionellen Energien gehen. Immer noch gehen riesige Investitionen in Öl, Kohle, auch in Erdgas. Und das sind ja alles Stoffe, bei deren Verbrennung CO2 in die Atmosphäre entweicht. Und insofern müssen wir versuchen, die großen Finanzströme dahin zu lenken, wo sie wirklich gebraucht werden, nämlich in die weitere Entwicklung der erneuerbaren Energien, in den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien und auch in den Ausbau der Netze und auch in die Entwicklung von Speichertechnologien. All das ist möglich innerhalb weniger Jahrzehnte. Der Wandel passiert oft innerhalb kürzester Zeit. Wir müssen es nur wollen. Und am Ende muss auch der politische Wille dafür vorhanden sein.
Was passiert, wenn wir unsere Klimaziele bis 2030 nicht erreichen?
Also die Welt geht nicht unter, wenn wir es nicht schaffen. Ich will noch mal auf das Wort “Wir” abheben. Wir in Deutschland werden ohnehin nur Vorbild sein können. Wir können aber das Klima nicht retten, weil das geht nur gemeinsam, wenn alle Länder, gemeinsam, zusammen handeln. Weil einfach der Ort des Ausstoßes von Treibhausgasen völlig irrelevant ist. Aber wir gehen davon aus, dass auch 2030, wenn wir die Klimaziele nicht erreicht haben, die Entwicklung immer noch so ist, dass die Lebensbedingungen immer noch lebensfreundlich sind. Aber mit jedem Jahr, das wir versäumen, wird es immer schwieriger, auf der Erde zu leben. Und das sehen wir heute schon. Dass es in einigen Weltregionen wie zum Beispiel Südeuropa zum Teil schon ziemlich schwierig ist zu leben.
Wie belastend wird der Ukraine-Krieg für die Umwelt eingeschätzt, selbst wenn es nicht zum Einsatz von Atomwaffen kommt?
Also da muss man regional und global unterscheiden. Regional ist natürlich eine Katastrophe. Alleine die Sprengung des Staudamms hat ja gezeigt, was passiert. Vermutlich sind ganze Landschaften auf Jahrzehnte nicht mehr zu nutzen für die Landwirtschaft, weil sie kontaminiert sind mit Öl und mit anderen giftigen Substanzen. Was das Klima angeht, spielt das eigentlich keine große Rolle, denn dort entsteht ja in erster Linie Staub und Staub kühlt eher als erwärmt. Und selbst ein Atomkrieg würde eher kühlend wirken. Es gab ja die Theorie des nuklearen Winters vor vielen Jahren, wo die Befürchtung geäußert wurde, dass es infolge eines Atomkrieges zu einer gewaltigen Abkühlung auf der Erde kommen würde, weil eben sehr viel Staub in die Atmosphäre geschleudert werden würde und dieser Staub würde Sonnenstrahlung blockieren. Also insofern ja, das Klima könnte beeinflusst werden bei einer atomaren Auseinandersetzung, aber nicht in der Art und Weise, wie viele Menschen denken, sondern eher in Richtung Abkühlung.
Welche konkreten Auswirkungen hätte eine globale Erwärmung von drei Grad für Deutschland?
Ja, das ist schwierig zu beantworten. Natürlich wird es wärmer. Das impliziert die Frage ja schon. Wir sind ja heute schon bei fast zwei Grad bei uns in Deutschland. Die Erwärmung ist ja über Land Region im Allgemeinen stärker als über den Meeresspiegel. Und die Meere hängen immer so ein bisschen hinterher. Die sind sehr träge und wir sehen ja schon, was diese knapp zwei Grad eigentlich verursachen. Wir haben immer mehr sogenannte heutzutage Tage mit Temperaturen von 30 Grad und mehr. Wir haben immer mehr Dürre, extreme Trockenheit und auch zu Waldbränden führt, die die Landwirtschaft beeinträchtigt. An den Küsten steigende Meeresspiegel. Wir bauen die Deiche schon hoch. All das wird sich natürlich fortsetzen und im besten Fall entwickelt sich das linear. Es ist auch möglich, dass sich das noch deutlich beschleunigt. Auf jeden Fall sind wir heute doch schon an einem Punkt angekommen, wo wir einfach den Klimawandel merken und wo wir auch merken, dass er negative Auswirkungen hat und auch schon viel Geld kostet. Deswegen sollten wir versuchen, jedes weitere Zehntel Grad zu vermeiden.
Die reichsten 10 % der Weltbevölkerung verursacht doppelt so viele klimaschädliche Kohlendioxidemissionen wie die ärmere Hälfte der Menschheit zusammen. Warum wird das nicht reglementiert und was kann ich dagegen tun?
Nun, der Klimawandel ist eine Frage der globalen Gerechtigkeit. Das kann man an vielen Statistiken festmachen. Hier die Statistik mit dem Reichtum ist eine dieser Statistiken. Aber oftmals ist ja das Problem, dass gerade die Reichen auch die sind, die die Macht in Händen halten und letzten Endes über das Schicksal der Welt bestimmen. Und insofern liegt es hier an den Regierungen der Welt zu erkennen, dass alle vom Klimawandel betroffen sind, dass am Ende wir alle in einem Boot sitzen. Und wenn wir nicht handeln, egal ob arm oder reich, dass wir dann alle gemeinsam untergehen. Und insofern können wir das wirklich nur gemeinsam schaffen und was jeder Einzelne tun kann. Ja, man kann damit anfangen, zum Beispiel sein Energieanbieter zu wechseln. Man kann ja seine eigene kleine Energiewende machen. Und im Zusammenhang mit der Gerechtigkeit darf man ja nicht vergessen, dass das auch eine Ungerechtigkeit ist, dass jeder von uns ungefähr acht Tonnen CO2 pro Jahr ausstößt und jemand in Indien nur zwei Tonnen. Das heißt also, es gibt auch auf der persönlichen Ebene eine riesengroße Ungerechtigkeit und insofern ist es nur recht und billig, wenn auch wir als einzelne Person versuchen, unseren persönlichen Ausstoß zu verringern.
Am Ende der letzten Eiszeit kam es zu einem natürlichen extremen Temperaturanstieg. Was sind die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zum aktuellen Temperaturanstieg?
Ja, es wird oft verglichen. Eiszeit, Warmzeit hat es immer gegeben. Und warum regen wir uns jetzt eigentlich auf, dass es wärmer wird? Es gibt fundamentale Unterschiede. Also zum einen: Der Unterschied zwischen einer Eiszeit und einer Warmzeit beträgt global ungefähr vier Grad und das Ganze hat sich in vielen Jahrtausenden entwickelt. Was wir jetzt tun, hat eine viel größere Geschwindigkeit. Wir haben jetzt schon ein gutes Grad Erderwärmung und das ist vor allen Dingen in den letzten 50 Jahren passiert. Und wenn wir so weitermachen wie bisher, wenn der Ausstoß von Treibhausgasen immer weiter steigt, dann werden wir vermutlich schon auch vier Grad bis zum Ende des Jahrhunderts erreicht haben. Das heißt also, wir reden dann über eine Temperaturerhöhung, die in Ausmaß und Geschwindigkeit einmalig für die Menschheit wäre.
"Frag mich" ist ein Videoformat von t-online. Wir ermöglichen es unseren Nutzern, Fragen an verschiedene Menschen zu stellen. Seien es berühmte Personen oder Menschen aus dem Alltag. Bei "Frag mich" können unsere Leser diese Personen mit ihren Fragen konfrontieren. Für Vorschläge zu interessanten Interviewpartnern sind wir immer dankbar: lesermeinung@stroeer.de.
- eigenes Interview mit Prof. Dr. Mojib Latif
- mit Videomaterial der Nachrichtenagentur Reuters