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Karl Lauterbach will Deutschlands großes Problem im Gesundheitssystem lösen


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Tagesanbruch
Deutschlands Gesundheit steht auf dem Spiel

  • Annika Leister
MeinungVon Annika Leister

Aktualisiert am 10.03.2023Lesedauer: 6 Min.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach: Beten wird bei der Digitalisierung nicht helfen.Vergrößern des Bildes
Gesundheitsminister Karl Lauterbach: Beten wird bei der Digitalisierung nicht helfen. (Quelle: Sebastian Rau/photothek/imago-images-bilder)
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Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

wer verstehen will, wie es um Deutschland bestellt ist, sollte mal über die Grenze zu unseren Nachbarn blicken. Mir öffnete es die Augen, als ich ein Interview mit einer Expertin für das dänische Gesundheitssystem führte. Die staunte, als sie hörte, dass bei uns viele Praxen und Krankenhäuser noch mit Fax arbeiten, ich jedes Rezept persönlich beim Arzt abholen muss und meine neue Frauenärztin erfragte, welche Krankheiten und Operationen ich denn so in den letzten Jahren hatte, weil ihr meine Krankenakte nicht vorlag.

In Dänemark ist das schwer vorstellbar. Da erhält jeder Bürger bei der Geburt eine persönliche Identifikationsnummer, mit der er sich auf der Gesundheitsplattform sundhed.dk anmelden kann. Auf dieser Plattform findet sich ein Überblick seiner kompletten Krankengeschichte – von Laborwerten über Röntgen-Scans bis hin zu Impfdaten –, man kann neue Rezepte beantragen, Arzttermine vereinbaren, Überweisungen managen und sich sogar mit anderen Betroffenen austauschen. Stimmt der Patient zu, dürfen auch Ärzte und Apotheker auf die Informationen zugreifen. Transparent und effizient. Aus deutscher Perspektive: ein digitales Wunderland.

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Das kommt nicht von ungefähr. Dänemark ist Vorreiter, was die Digitalisierung im Gesundheitsbereich angeht. Schon 1994 wurde eine staatlich finanzierte Digital-Health-Agentur gegründet, 1999 verabschiedete die Regierung die erste E-Health-Strategie, seit 2003 gibt es die zentrale Plattform. Und das Vertrauen der Dänen in das System ist groß: 89 Prozent geben an, medizinischen Einrichtungen zu vertrauen – ein Spitzenwert in Europa.

Deutschland war gar nicht sehr viel später dran mit dem großen Modernisierungsversprechen. Immerhin kündigte bereits 2003 die damalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) an, dass das Gesundheitssystem digitalisiert werden solle, inklusive elektronischer Gesundheitskarte und Patientenakte. Geändert aber hat sich in den zwei Jahrzehnten, die seither verstrichen sind, in der Praxis: verdammt wenig.

Zwar können Patienten die elektronische Patientenakte anfordern – aber wer das will, muss sich durch Antragsformulare kämpfen. Das Ergebnis: bislang nutzen weniger als ein Prozent die E-Akte. Deutschland steckt weiter in der Steinzeit, pardon, Fax-Zeit fest.

Das hat schwere Folgen für das System. Die ohnehin viel zu stark belasteten Ärzte und Pfleger in Krankenhäusern stöhnen seit Jahren: Statt sich um Patienten kümmern zu können, müssen sie einen großen Teil ihrer Arbeitszeit dafür aufwenden, Diagnosen zu verschriftlichen, die irgendwo anders schon gestellt wurden. Alles muss immer und ständig dokumentiert werden.

Das kostet Nerven, Zeit – und sehr viel Geld. In einer Untersuchung aus dem Herbst bezifferte das Beratungsunternehmen McKinsey das Einsparpotenzial durch digitale Anwendungen in dem Bereich auf 42 Milliarden Euro pro Jahr. Das sind circa zwölf Prozent der Gesundheits- und Versorgungskosten in Deutschland.

Verheerend machte sich die deutsche Fax-Zeit auch in der Corona-Pandemie bemerkbar: Weil es hierzulande kaum anonymisierte Gesundheitsdaten für die Forschung gibt, befanden und befinden wir uns größtenteils im Blindflug, was Zahlen und Analysen zu Infektionen, Long Covid und Impfschäden angeht. Wir waren ganz auf Erkenntnisse aus Ländern wie Großbritannien oder Israel angewiesen, wo seit Langem intensiv auf diese Weise geforscht wird. Und das ist nicht nur in Bezug auf Corona ein Problem, sondern bei jeder anderen Krankheit. Wissen rettet Leben.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach will den desolaten Zustand ändern, jetzt aber wirklich. So versprach er es am Donnerstag. Der SPD-Politiker hat einen Neustart der E-Akte angekündigt. Nun soll statt des Opt-In-Verfahrens das Opt-Out-Verfahren gelten. Bedeutet: Niemand muss die Akte mehr anfordern, jeder soll sie in Zukunft automatisch erhalten – außer man widerspricht explizit.

Datenschützer sehen dieses Vorhaben kritisch. Ich glaube: Es ist die einzige Lösung. Mit weniger als ein Prozent der Bürger, die das Opt-In-Verfahren erreicht hat, wird sich nämlich gar nichts ändern.

Natürlich birgt die Digitalisierung auch Gefahren. Gesundheitsdaten sind mit die intimsten Daten, die es gibt. Für Hacker sind sie deswegen ein unglaublich attraktives Ziel. Sie müssen geschützt und gehütet werden, die Abwehrsysteme ständig auf dem neuesten Stand sein. Werden sie für die Forschung genutzt, muss die Anonymisierung außerdem verlässlich sein und die Prozesse für den Bürger transparent und nachvollziehbar. Ein Fehler kann das Vertrauen von Millionen Bürgern auf Jahre verspielen.

Lauterbachs Stab ist deswegen nun besonders gefordert. Vielleicht, nur ein Gedanke, hilft ja ein Blick nach Dänemark.


Mehrere Tote nach Schüssen in Hamburg

Schock in Hamburg am Donnerstagabend: "Warnung: Extreme Gefahr" – diese Meldung verschickte das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe um 22.30 Uhr für ein großes Gebiet im Norden der Stadt. "Umfahren Sie das betroffene Gebiet weiträumig. Suchen Sie sofort Schutz in einem Gebäude. Nehmen Sie gefährdete Personen vorübergehend bei sich auf", hieß es darin. Die Polizei rückte zum Großeinsatz aus, ein Helikopter kreiste über dem Stadtteil Groß Borstel, der Bereich wurde weiträumig gesperrt.

Der Grund: Während einer Veranstaltung waren in einem Gebäude der Zeugen Jehovas im Norden von Hamburg durch Schüsse mindestens sieben Menschen getötet und acht weitere verletzt worden. Entsprechende Meldungen gingen bei der Polizei ab 21.15 Uhr ein. Erste Befürchtungen, der oder die Täter könnten noch flüchtig sein, wurden von der Polizei bald entkräftet. Es gebe Hinweise darauf, dass der Täter unter den Toten im Gebäude sei, sagte der Hamburger Polizeisprecher Holger Vehren meinen Kollegen Gregory Dauber und Carsten Janz am Tatort.

Nach Informationen aus Sicherheitskreisen stuft die Hamburger Polizei die Schüsse als Amoktat ein, offiziell bestätigen wollte die Polizei das in der Nacht noch nicht. Unklar blieb auch das Tatmotiv sowie der Hintergrund der Tat. Heute will die Polizei sich um 12 Uhr in einer Pressekonferenz äußern.

Meine Kollegen halten Sie über neue Entwicklungen in unserem Newsblog auf dem Laufenden. Eine Zusammenfassung der ersten Erkenntnisse aus der Nacht finden Sie hier.


Was steht an?

Wer ist die CDU, was will die CDU? Diese Frage stellt die Spitze der Christdemokraten gerade der Basis im Land, um ein neues Grundsatzprogramm zu erarbeiten. Heute Abend ab 18 Uhr diskutieren diese Fragen unter anderem CDU-Chef Friedrich Merz, Generalsekretär Mario Czaja und der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst auf einer Regionalkonferenz in Münster.

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In Brüssel kommen die EU-Justizminister zusammen. Unter anderem soll es darum gehen, wie von Russland in der Ukraine begangene Kriegsverbrechen geahndet werden und gegen die organisierte Kriminalität vorgegangen werden kann.

Der Präsident der Republik Malediven, Ibrahim Mohamed Solih, besucht Deutschland. Ab 14 Uhr spricht er mit dem Bundespräsidenten im Schloss Bellevue.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron empfängt den britischen Premierminister Rishi Sunak und sieben seiner Minister. Es soll um die Ukraine, Migration, Energiepartnerschaft sowie Sicherheit und Verteidigung gehen.

Österreichs Kanzler Karl Nehammer hält eine Rede zur "Zukunft der Nation". Er will dabei seinen Zukunftsplan "Österreich 2030" vorstellen.


Was lesen?

Deutsche und US-Medien berichten, dass die Drahtzieher der spektakulären Pipeline-Anschläge aus der Ukraine kommen sollen. Doch die geschilderte Tauchoperation wirft viele Fragen auf. Experten bleiben skeptisch, berichten meine Kollegen Lisa Becke, Carsten Janz, Jonas Mueller-Töwe und Lars Wienand.

Aggressive Wale, tödliche Würmer, fatale Tsunamis: In der neuen ZDF-Serie "Der Schwarm" folgt eine Katastrophe der nächsten – und sie alle kommen aus dem Meer. Was nach Science Fiction klingt, beruht auf gründlicher Recherche im Hier und Jetzt. Meine Kollegin Sonja Eichert erklärt, welche Gefahren real und welche übertrieben sind.

Essstörungen sind im Profisport an der Tagesordnung. Bis zu zwanzig Prozent aller Athleten sind betroffen. Öffentlich spricht aber fast niemand darüber. Lena Häcki-Groß ist als erste Biathletin an die Öffentlichkeit gegangen. Meinem Kollegen Alexander Kohne hat sie eine schockierende Entwicklung geschildert.


Was amüsiert mich?

Die Vorteile des Streiks bei der Deutschen Post:

Ich wünsche Ihnen ein hoffentlich entspanntes Ende der Woche.

Ihre

Annika Leister
Redakteurin Politik
Twitter: @AnnLei1

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Mit Material von dpa.

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